Bayerns Guardiola bekommt zwölf Millionen Euro, HSV-Neutrainer Zinnbauer verdient 120.000 Euro. Die beiden Coaches könnten nicht unterschiedlicher sein. Oder sind sie viel ähnlicher als ihr Konto?
Ein wenig überrascht waren die Münchner Medienvertreter am Freitag schon. Nicht mal 40 Stunden nach Jerome Boatengs Last-Minute-Tor in der Champions League gegen Manchester City sammerte Josep „Pep“ Guardiola mit besorgter Miene und ganz ohne Flachs, dass die Partie seiner Bayern gegen den HSV (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) „das gefährlichste Spiel“ sei. Rekordmeister Bayern gegen Bundesligaschlusslicht Hamburg – ein gefährliches Spiel? Eigentlich gehörte es bislang zur bajuwarischen Rollenverteilung, dass lediglich Sportvorstand Matthias Sammer mahnte, was das Zeug hielt. „Guardiola gegen Zinnbauer – das gefährlichste Spiel des Jahres“ wurde Sekunden später in mehreren Onlineportalen getitelt.
Ob die Partie beim HSV, Tabellenschlusslicht der Bundesliga, für Rekordmeister Bayern tatsächlich das gefährlichste Spiel des Jahres ist, sei mal dahingestellt. Der Respekt ist jedenfalls trotz aller Unterschiede da – und zwar auf beiden Seiten. „Die Spieler sind mit einem neuen Trainer immer besonders motiviert“, sagte Guardiola, der sich deswegen eingehend mit Hamburgs Neu-Trainer Josef „Joe“ Zinnbauer beschäftigte. Sogar Videos von den Spielen der U23 ließ er sich zukommen. „Das ehrt mich natürlich“, schickte der geschmeichelte Zinnbauer die verbalen Blumen zurück: „Pep Guardiola ist der beste Trainer der Welt.“
Joe gegen Pep also. Kapuzenshirt und Trainingshose gegen feinen Maßanzug. Schwandorf in der Oberpfalz gegen Santpedor in Katalonien. Auf dem ersten Blick ist es das Duell zweier Trainer, die unterschiedlicher nicht sein können. Hier der Provinzfußballer, der in Wendelstein, Göttingen und Vestenbergsgreuth das Fußball-Einmaleins gelernt hat. Dort der Weltstar, der elf Jahre lang für den FC Barcelona spielte. Hier der später Nachwuchscoach, der seine zweite Karriere als Spielertrainer beim SK Lauf, in Wendelstein und beim Henger SV startete. Dort der zweifache Weltclubtrainer des Jahres, der mit dem FC Barcelona zweimal die Champions League gewonnen hat. Hier Zinnbauer, mit einem Monatsverdienst von 10.000 Euro der Geringverdiener der Bundesliga. Dort Guardiola, mit jährlich zwölf Millionen Euro Rekordverdiener der Bundesliga-Geschichte.
Doch manchmal lohnt eben auch ein zweiter Blick. So unterschiedlich die beiden Trainer auch sein mögen, so sehr eint Zinnbauer, 44 Jahre alt, und Guardiola, 43, vor allem eines: ihre Begeisterung für den Fußball. „Mein großer Traum war es immer, es irgendwann mal im Fußball zu schaffen“, sagt Zinnbauer, „als Profi ist mir das nur so bedingt gelungen.“ Als Trainer will er es nun umso mehr schaffen.
Überraschend ist besonders Zinnbauers Fußball-Besessenheit. Denn eigentlich hat der Wahl-Eimsbüttler genau das geschafft, was den meisten Kollegen im Zirkus Profifußball versagt bleibt: eine erfolgreiche Karriere außerhalb der Fußballwelt. Das Außergewöhnliche: In seinem Fall war es nicht die Karriere nach der Karriere, sondern die Karriere vor der Karriere. Mit 18 Jahren lernte Zinnbauer Mechaniker, anschließend Versicherungskaufmann. Mit 19 Jahren war er Agenturchef, mit 22 Jahren gründete er seine eigene Firma, die schnell einen Umsatz von mehr als 70 Millionen Mark machte. Als er seine Fußballerkarriere mit 26 Jahren wegen eines Knorpelschadens beenden musste, war der Inhaber der Unternehmensgruppe Zinnbauer mit Sitz in Nürnberg längst Millionär mit eigenem Ferrari in der Garage. Zinnbauer eröffnete Diskotheken, dann eine Kneipe. „Ich hatte viele Ideen im Leben. Die einen waren gut, die anderen weniger gut“, sagt Zinnbauer, der aber mit fast allen Ideen ziemlich viel Geld machte. Nur eben nicht im Fußball.
Doch das Geld alleine reizte den Unternehmer ohnehin nicht. Sein Ziel: Er wollte mal so erfolgreich im Fußball werden wie mit seinem Finanzdienstleister. „Den Fußballlehrer macht man nicht, um in einer U23 sein Ende zu finden. Natürlich möchte ich irgendwann im Profibereich Cheftrainer werden“, sagte Zinnbauer am Montag. Am Dienstag erhielt er um 13.30 Uhr eine SMS von HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer, um 14.15 Uhr war er HSV-Profitrainer.
Anders als bei Zinnbauer war Guardiolas Weg zum Profitrainer vorherbestimmt. Bereits als Spieler diente er Barça-Coach Johan Cruyff als verlängerter Arm auf dem Feld. Nur ein Jahr nach seiner Karriere als Aktiver startete Guardiola seine Trainerkarriere bei Barcelonas zweiten Mannschaft, noch mal ein Jahr später wurde er Nachfolger von Frank Rijkaard bei den Profis. Doch Guardioala wollte nicht nur sein Team besser machen. Er wollte den Fußball besser machen. Seine Mannschaften sollen nicht nur gewinnen, sie sollen Fußball zelebrieren.
Zinnbauer gefällt das. Er hat nicht unter Cruyff oder Louis van Gaal gelernt. Seine Lehrmeister hießen Winnie Schäfer, Uwe Rappolder und Wolfgang Frank. Doch Fußball bleibt Fußball. „Wir wollen offensiven, dominanten Fußball spielen. Von Verwalten halte ich nichts. Wir wollen unser Spiel dem Gegner aufdrücken“, erklärte Zinnbauer unlängst seine U23-Philosophie, die er mit Abstrichen nun auch den Profis verinnerlichen möchte. Kein schnelles Umschaltspiel mehr wie es Mirko Slomka predigte, sondern Dominanzfußball wie ihn in der Bundesliga vor allem einer lehrt: Pep Guardiola.
Um ihre Ideen zu verwirklichen, sind Guardiola und Zinnbauer gleichermaßen die besten Freunde der Spieler. Oder ihre schlimmsten Feinde. Das, so kündigte es Zinnbauer bereits in seiner ersten Mannschaftssitzung als neuer Profitrainer am Mittwoch an, hängt ganz alleine von den Spielern ab. Ähnliches kündigte er auch HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer am Vorabend an – und erhielt dessen Segen. „Mit mir kann man viel Spaß haben. Aber genauso schnell ist bei mir Schluss mit lustig“, sagt Zinnbauer. „Ich bin sehr konsequent.“ Wer nicht hören will, muss fühlen. Guardiola macht es nicht anders. Der gebürtige Katalane will jeden seiner Spieler nicht nur verstehen, er will den Menschen dahinter spüren.
Ob Guardiola streng sei, wurde Xavi vom „Stern“ gefragt. „Eher fordernd als streng“, antwortete Xavi, „van Gaal kontrollierte sogar die Knoten unserer Krawatten. Pep machte einen Witz, wenn einer schlecht gebunden hatte.“ Guardiola investiert viel Energie, um bis zu jedem einzelnen Spieler durchzudringen. Hat er aber das Gefühl, seine Energie bei den Profis zu verschwenden, kann er auch anders. „Meine Spieler wissen, dass es mir weniger ausmacht, wenn sie zehnmal den gleichen Fehler begehen, als wenn sie mich ignorieren oder mich nicht ansehen, wenn ich sie rufe“, hat Guardiola mal in Barcelona gesagt. „Das macht mich fertig.“
Pep Guardiola, glücklich verheiratet, drei Kinder, gegen Joe Zinnbauer, glücklich geschieden, ebenfalls drei Kinder. Es ist ein besonderes Duell. „Für mich ist es toll auf der Bank zu sitzen und Guardiola sitzt nur ein paar Meter weiter“, sagt Zinnbauer, der den Spanier nicht nur als Trainer schätzt. „Der kam nach Deutschland und hielt gleich mal eine Pressekonferenz auf deutsch. Wahnsinn!“
Auf bayerisch gibt’s übrigens auch einen Ausdruck für die Einschätzung, am Sonnabend stünde Peps Mannschaft in Hamburg das „gefährlichste Spiel“ bevor: Schmarrn.