Jobcenter Team.arbeit stellt Zuwendungen ein – weil nicht alle Gäste Hartz IV beziehen
Es gibt keine Türsteher im Stadtteilcafé Steilshoop. Keine Kontrolleure, die sich am Eingang die Einkommensnachweise oder Bedürftigkeitsbescheinigungen des Publikums zeigen lassen und dann entscheiden, wer eintreten darf und wer draußen bleiben muss. Deshalb steht das Café am Schreyerring 27 vor der Schließung. Team.arbeit.hamburg hat Anfang November erklärt, die bisher gewährte Förderung von Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) zum 1.Januar 2014 einzustellen. Ohne Bedürftigkeitsprüfung am Eingang kein Geld. Niemand soll sich unbefugt ein Heißgetränk erschleichen können. Jetzt fehlen dem Café 116.000 Euro.
„Wir wollen unsere Gäste nicht diskriminieren“, sagt Alraune-Geschäftsführerin Petra Lafferentz. Die Alraune GmbH ist der Träger, der das Café organisiert. Seit 25 Jahren. Hier kann essen und trinken, wer wenig hat oder allein erzieht. Hier gibt es Arbeitsgelegenheiten und einige Ausbildungsplätze. „Natürlich ist das Café auch für Leute mit wenig Geld gedacht“, sagt Lafferentz, „aber sie sollen nicht am Eingang ihre Taschen umdrehen müssen, um hier Einlass zu finden. Wir wollen Menschen zum Miteinander bewegen, nicht zum Ausgrenzen.“ Doch auch Alraune wollte sicherstellen, dass die subventionierten Speisen und (alkoholfreien) Getränke nicht in Mägen rutschen, die schon gut mit eher edlen Sachen gefüllt sind. Alraune hatte eine andere Idee als den Türsteher: den Verein.
Wer im Café konsumieren will, muss Vereinsmitglied sein und beim Bezahlen seine Mitgliedskarte zeigen. Er zahlt also immer auch sozusagen mit seinem guten Namen. Mitglieder ohne Geld bekommen den Mitgliedsausweis umsonst, Fördermitglieder müssen zwölf oder mehr Euro dafür geben. Das Essen kostet dann 2,60 bis 3,50 Euro, eine Suppe 1,80, der Cappuccino 1Euro. Seit 2008 läuft das so. Team.arbeit verlangte den Nachweis, dass das Café „wettbewerbsneutral“ sei, also anderen Restaurant-Cafés keine Probleme bereitet. Und der Hotel- und Gaststättenverband bescheinigte Alraune, dass das Café keine Konkurrenz zu Angeboten des freien Marktes darstelle. Damit war erst einmal Ruhe. Aber jetzt reicht das team.arbeit nicht mehr.
„Arbeitsgelegenheiten sind dann nicht wettbewerbsneutral, wenn es hierfür auch private Anbieter geben könnte“, schrieb team.arbeit jetzt auf Anfrage, „und sie sind nicht zusätzlich, wenn sie beispielsweise für alle Kunden offen sind und nicht nur für Bedürftige, zum Beispiel nur für Hartz-IV-Empfänger.“ Für die Gewährung von Leistungen müssten die „Arbeitsgelegenheiten“ aber sowohl „wettbewerbsneutral“ als auch „zusätzlich“ sein. Mit anderen Worten: Weil es Fördermitglieder im Café gibt und also nicht nur von Amts wegen für bedürftig erklärte Menschen an den Tischen sitzen, ist das Projekt für team.arbeit nicht förderungsfähig.
Wenn Alraune mit dem Café weitermachen will, muss das Geld aus anderen Töpfen kommen. Die Sozialbehörde soll einspringen. Mit ihr und team.arbeit laufen Verhandlungen. Doch klar ist: Wenn sie erfolgreich sein sollten, gibt es frühestens im Sommer 2014 Geld für das Café. Also etwa sechs Monate zu spät. Jetzt tritt erst einmal die Bezirkspolitik ein. Einstimmig beschlossen die Abgeordneten der fünf Fraktionen, das Restgeld aus dem „Überbrückungsfonds“ zur Verfügung zu stellen. Das sind 68.920,10 Euro.
Mit der Sozialbehörde und team.arbeit verhandelt Alraune über Ausbildungsprojekte für bis zu 25 alleinerziehende Mütter im Stadtteil. Sie sollen gegebenenfalls mit einem Jahr Vorqualifizierung im Café eine Ausbildung zur Köchin, Hauswirtschafterin oder Restaurantfachfrau machen können. Und zwar auch dann, wenn sie schon älter als 25 Jahre sind und damit die gesetzlichen Fördervoraussetzungen nicht mehr erfüllen. Weil diese gesetzliche Vorgabe nur bedingt sinnvoll ist, aber Bestand hat, müssten die Projekte als „Modellprojekte“ an den Start gehen.
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hat sich nun in die Rettungsbemühungen eingeschaltet und mit Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) gesprochen. Die Sozialbehörde soll finanziell einspringen und mit team.arbeit eine Lösung erarbeiten. Scheele: „Man sollte nicht so viel reden, sondern sich kümmern. Und das tun wir hier.“