Innovative Brauer mit ungewöhnlichen Markennamen wollen Markt in der Hansestadt aufmischen

Aram Calbiyik ist eher der entspannte Typ. Der kräftige Mann mit den schütteren, kurz geschorenen Haaren wirkt so wie das Produkt, das er verkauft. Ein Kumpel, der auch mal zupacken kann. Er könnte Kuddel heißen, wenn da nicht seine kaukasische Herkunft wäre.

Calbiyik, der als Sohn eines armenischen Goldschmieds nach Hamburg kam, hat jetzt ein Bier mit diesem norddeutschen Namen herausgebracht. „Kuddelbier ist ein grundehrliches Produkt ohne überflüssigen Schnickschnack“, sagt der 46-Jährige, während er von den Anfängen seiner im vergangenen Jahr gegründeten Firma erzählt.

Hunderte von schlichten, grauen Kisten stapeln sich in der etwas in die Jahre gekommenen Lagerhalle des Unternehmens an der Friedensallee. Hierhin wird das Bier geliefert, das eine kleine, ostwestfälische Privatbrauerei für die Hamburger Firma herstellt. Der Chef fährt es selbst zu den 16 Edeka-Märkten und kleinen Kiosken, die die Marke bislang führen.

„Ich wollte vor allem ein Bier anbieten, das mir selbst schmeckt“, sagt Calbiyik, der auch noch die Imoto-Bar in Ottensen betreibt. „Wir verzichten beim Brauen darauf, das Bier durch Erhitzen zu pasteurisieren.“ Dieser Vorgang mache das Produkt zwar länger haltbar, zerstöre aber auch einen Teil des Geschmacks.

Für sein Miniunternehmen mit drei Beschäftigten hat sich der Gastronom mit der ehemaligen Kiez-Wirtin und Betreiberin des Rock-Schuppens Nachtlager, Sissi Kucher, zusammengetan. „Wir wollen natürlich weiter wachsen“, sagt die 29-Jährige.

Kuddelbier ist eine jener Firmen, die derzeit immer häufiger in Deutschland anzutreffen sind. Während der Bierkonsum in der Bundesrepublik weiter zurückgeht und die großen Konzerne unter Absatzproblemen zu leiden haben, drängen auf der anderen Seite immer neue Biermarken auf den Markt.

Schon vor Jahren ist aus den USA die sogenannte Craft-Beer-Bewegung nach Deutschland herübergeschwappt. Dahinter verbergen sich handwerklich gebraute Biere mit einem besonderen Geschmack oder einer speziellen Note. In Hamburg hat die Szene eines ihrer Hauptquartiere im Braugasthaus Altes Mädchen im Schanzenviertel, wo nicht weniger als 60 Biersorten ausgeschenkt werden.

Die angrenzende Ratsherrn-Brauerei hat gerade erst den amerikanischen Braumeister Ian Pyle engagiert, der für die wiederbelebte Traditionsmarke neue, individuelle Getränke entwickeln soll. Pyle arbeitete zuvor in der Samuel Adams Brewery in Boston, die zu den Pionieren der Szene zählt.

Selbst große Konzerne wie Carlsberg können sich dem Trend nicht entziehen und versuchen nun ihrerseits mit Spezialitäten zu punkten. So lassen die Dänen auf dem Gelände der Hamburger Tochter Holsten seit April saisonale Sorten wie Märzen-, Sommer- oder Erntebier in Kleinstmengen herstellen. Über solche Trittbrettfahrer aus der Industrie rümpfen die echten Einzelkämpfer allerdings die Nase. Der gebürtige Harburger Oliver Wesseloh, 39, hat die Craft-Beer-Bewegung während seiner Arbeit für einen großen Hersteller von Brauanlagen in den USA kennengelernt. „Ich war begeistert von der Vielfalt und Kreativität in Amerika“, sagt der gelernte Brauer.

In seiner Heimatstadt tat sich Wesseloh mit dem Brauer Friedrich Matthies aus Finkenwerder zusammen und gründete die Kreativ-Brauerei Kehrwieder. Gemeinsam begannen die beiden im vergangenen Jahr, bei einer dänischen Privatbrauerei und in Hagen ihr erstes Bier mit dem passenden Namen Prototyp einzubrauen.

Mittlerweile sind noch drei weitere Biere mit den etwas sperrigen Namen SHIPAS, SHIPAC und SHIPAA hinzugekommen. Dahinter verbergen sich sogenannte Single Hop India Pale Ales. Ursprünglich für die britischen Truppen in Indien hergestellt, besaßen diese Biere einen besonders hohen Hopfen- und Alkoholgehalt, um die langen Überfahrten in die einstige Kronkolonie zu überstehen. Wie andere Kreativbrauer verzichten auch Wesseloh und Matthies darauf, ihre Biere zu filtern und zu pasteurisieren, weil dies den individuellen Geschmack zerstöre. „Das grenzt schon fast an die Vergewaltigung eines Bieres“, meint Wesseloh.

Typisch sind Standortprobleme, wie sie auchBraumeister Dirk Paul hat. Der 39-Jährige hat eine halb fertige Brauanlage in einer Altonaer Garage stehen, weiß aber nicht, wo er diese dauerhaft installieren könnte. Und so braut auch Dirk Paul sein nach ihm benanntes Pils Elbpaul bei einem größeren Unternehmen in der Nähe von Hamburg. „Den Industriebieren fehlt einfach der Charakter“, meint der Ein-Mann-Unternehmer, der gerade eine Werbeagentur verpflichtet hat, um sein Geschäft in Schwung zu bringen.

Ein Bier zu filtern und zu pasteurisieren grenzt schon fast an Vergewaltigung.