Selten kommen wir Barsch und Karpfen so nah wie im Badesee. Die Wasserqualität ist gut. Doch für die Tiere ist es Stress
DLRG-Rettungsschwimmer Christopher Lange, 26, geht im Großensee bei Hamburg häufiger auf Tauchstation. Dann fischt er aus dem sauberen Wasser kiloweise lästig-lange Wasserpflanzen heraus. „Damit erst gar keine Gefahren für die vielen Badegäste entstehen“, sagt er. Doch nicht nur das. Bei seinen Tauchgängen staunt Lange immer wieder über den Artenreichtum im durchschnittlich zwölf Meter tiefen Gewässer. Abends, wenn die meisten Besucher das Strandbad Südufer verlassen, springen dicke Karpfen lebensfroh aus dem Wasser. Und weiter unten tummeln sich derweil 1,5 Meter lange Hechte und sogar Welse.
Nie kommen sich Menschen und lebende Fische so nah wie beim Baden in den Seen. Wer oben planscht, kann nur erahnen, was da unten alles im Wasser schwimmt. Während die Badenden für kurze Zeit das Wasser genießen, haben Karpfen und Co. in Hamburgs Badegewässern ihr ständiges Zuhause. Sie leben auch noch dann hier, wenn das Wasser im Winter längst zu Eis gefriert. Vorausgesetzt, die Fische enden nicht vorher irgendwo am Angelhaken. Die Hansestadt ist mit sauberen Naturgewässern reich gesegnet. Zwar bleibt der Eichbaumsee in den Vier- und Marschlanden wegen Blaualgen und Sanierungsarbeiten auch in dieser Saison für Badende absolut tabu. Dafür locken der Großensee vor den Toren der Stadt oder die Seen in Öjendorf, Allermöhe, Boberg und im Stadtpark samt Fischpopulation zum Sprung ins Wasser.
Hamburgs sauberes Wasser lieben auch die Fische. In typisch norddeutschen Seen, heißt es beim Thünen-Institut für Fischereiökologie in Ahrensburg, schwimmen am häufigsten Rotaugen, die sich an Tausendblatt und kleinen Schnecken schadlos halten, aber auch Brassen, Barsche, Hechte, Zander und mancherorts auch Aale. Im knapp 24 Grad warmen Stadtparksee tummeln sich Barsche, Spiegel- und Graskarpfen, im Boberger See auch Moderlieschen und Gründling. „Zu den häufigsten Arten in den Hamburger Badeseen gehören auf jeden Fall Flussbarsch und Rotaugen“, sagt Nabu-Referent Eike Schilling. Auch der nachtaktive Wels hat in den meisten größeren Seen sein Domizil. Tagsüber aber ruht das Tier lieber am Grund zwischen Wasserpflanzen – Körperkontakte des Raubfisches zu friedlich schwimmenden Menschen ausgeschlossen. Allerdings, fügt Schilling hinzu, kommt es in seltenen Fällen vor, dass Welse oder auch große Hechte zum Beispiel Entenbabys verspeisen. Manchmal passiert es dann doch, dass Fisch und badender Mensch einander im Wasser berühren. Was wohl für beide Seiten unangenehm sein dürfte. „Angriffe auf Badende von hiesigen Fischarten gehören aber wohl eher ins Reich der Fantasie“, sagt Fischereiökologe Klaus Wysujack vom Thünen-Institut. Fischattacken in norddeutschen Binnenseen seien ihm nicht bekannt.
Stattdessen sind es offenbar die Fische selbst, die zuweilen um Leib und Leben fürchten müssen, wenn im Sommer Menschenmassen kollektiv in ihr angestammtes Biotop einfallen. Gerade dann, wenn Badegäste in die schilfbewachsenen Buchten eindringen, kann das für die Fische heikel werden. Etliche Tiere bezahlen den Ansturm der Badenden mit ihrem Leben. „Bei den herrschenden sehr hohen Wassertemperaturen und niedrigen Sauerstoffwerten kann eine derartige Beunruhigung der Fische starken Stress hervorrufen und zum Tode führen“, warnt Robert Jankowski, Referent für Umwelt und Naturschutz im Angelsport-Verband Hamburg. Deshalb sollten Badende solche Ruhezonen respektieren.
Im Sommerbad Volksdorf jedenfalls kann jeder – Fisch und Mensch – Ruhe finden. Während eine Filteranlage mit Olythgestein für sauberes Wasser sorgt, können sich die Fische unter den Seerosen verstecken. „Unsere Wasserqualität ist seit dem Bau der Pflanzenkläranlage gleichbleibend gut“, sagt Mitarbeiterin Andrea Feddern. Die Badegäste gleiten teils bekleidet, teils splitterfasernackt vom kleinen Sandstrand in das 28 Grad warme Wasser.
Grundsätzlich gilt: Ob Menschen nun Baden in FKK oder mit Bikini und Badehose bevorzugen – den Fischen ist das egal.