Die Straßen sollen leiser werden. Doch die Bemühungen des Senats stehen in der Kritik
Das Ticken einer Uhr, feiner Regen, ein Flüstern: Auf rund 30 Dezibel kommen diese Geräusche, die für die meisten Menschen zwar nicht unangenehm sind, mitunter aber stören können. Kritisch werden hingegen 60 bis 70 Dezibel: Eine laufende Nähmaschine etwa kommt auf diesen Wert oder ein Auto, das in zehn Metern Abstand vorbeifährt. Eine Hupe: bis zu 100 Dezibel.
Eine dauerhafte Beschallung mit diesem Pegel kann das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen erhöhen - oder für Kopfschmerzen sorgen, was die meisten kennen. Die EU hat deshalb die Städte per Richtlinie beauftragt, etwas gegen ständigen Umgebungslärm vor allem durch den Straßenverkehr zu tun. Bis zum 18. Juli muss Hamburg ein Konzept in Brüssel vorlegen. Umstritten ist noch, was alles darin stehen soll.
Im November 2012 hat Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) einen 126 Seiten dicken Lärmaktionsplan präsentiert - als Entwurf für den Bericht an die EU. Der Plan wurde von einem Ingenieurbüro aus Dresden nach verkehrstechnischen und gesundheitlichen Maßstäben ausgearbeitet, rund 150.000 Menschen sind in Hamburg täglich Lärm von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt. Die Bezirke hatten zuvor unter Beteiligung der Bürger über die dringendsten Probleme mit den Einwohnern diskutiert. 15 Maßnahmen stehen nun im Aktionsplan, die die Straßen ruhiger machen sollen - mindestens eine in jedem Bezirk.
Darunter etwa die Kieler Straße in Eimsbüttel zwischen Holstenkamp und Langenfelder Damm. Rund 50.000 Autos fahren hier jeden Tag, die Straße ist sechsspurig, neben Geschäften stehen hier auch Wohnhäuser. In den Nachtstunden werden laut der Experten aus Dresden rund 400 Anwohner mit mehr als 60 Dezibel belastet. Als Gegenmaßnahmen schlagen sie etwa einen geräuscharmen Belag vor, aber auch eine Reduzierung auf vier Spuren - dafür sei es sinnvoll, die Knotenpunkte auf mehrere Fahrstreifen aufzuteilen.
Bevor der Aktionsplan an die EU geht, muss er noch vom Senat beschlossen werden. Federführend ist hier das Ressort Stadtentwicklung und Umwelt. In der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation von Senator Frank Horch (parteilos) wird zudem geprüft, welche der 15 Vorschläge für den Straßenverkehr machbar sind. Noch lässt sich hier zwar nicht viel sagen. Fest steht jedoch bereits, dass es keine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde geben wird, denn "die Hauptverkehrsstraßen müssen funktions- und leistungsfähig bleiben", sagte eine Behördensprecherin. Für die Grünen reicht der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog schon jetzt nicht. "Er enthält nur Vorschläge, die Umsetzung ist allerdings ungewiss", so Till Steffen, verkehrspolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion. "Weder ist ein konkreter Zeitplan enthalten, zu wann man die einzelnen Maßnahmen durchführen will, noch, wie viel Geld die Stadt dafür bereitstellen will." Er hat deshalb einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der nun vom Verkehrs- und Umweltausschuss beraten wird. Gefordert wird darin auch, auf allen Straßen, auf denen nachts ein Grenzwert von 60 Dezibel überschritten wird, Tempo 30 einzuführen.
Für unausgegoren halten die Vorschläge übereinstimmend der ADAC und der Umweltverband BUND. "Der Aktionsplan ist nicht mit entsprechenden Finanzplanungen hinterlegt", klagt etwa BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Werde hier nicht nachgebessert, drohe das ganze Projekt zu scheitern. Der BUND spricht sich zudem für eine generelle Einführung von Tempo 30 in der Stadt aus - mit Ausnahmen an wichtigen Straßen.
Carsten Willms, Verkehrsexperte vom ADAC Hansa, betont zwar, der Lärmaktionsplan sei wichtig und müsse gemacht werden - allerdings fehlte eine feste finanzielle Zusage der Stadt. "Um Lärmschutz durchzuführen, braucht man Geld", so Willms. Von einem generellen Tempo 30 hält der ADAC nichts, setzt dafür aber auf eine "vernünftige Sanierung der Straßen". Also ohne Spurrillen, ohne Schlaglöcher, aber mit hochwertigem Asphalt. "So kann man bis zu sechs Dezibel einsparen", sagt der ADAC-Verkehrsexperte. Das sei zwar teurer, als ein paar Temposchilder aufzustellen - dafür nachhaltiger.