Das Zähneputzen am Morgen war besonders schön. Sascha Strasser (17) erklärt das so: “Wenn man sich auf dem Atlantik befindet, die Sonne aufgeht und man beim Zähneputzen langsam wach wird, das ist echt 'ne Sache, die man nirgendwo sonst findet.“ Strasser kommt aus Bayern.
Kiel. Strasser kommt aus Bayern. Aber die vergangenen sechs Monate hat er auf dem Dreimastschoner "Thor Heyerdahl" verbracht.
Gemeinsam mit 29 anderen Elftklässlern verschiedener deutscher Internate und Gymnasien hat er 13 017 Seemeilen zurückgelegt. Im Oktober 2005 waren sie in Kiel gestartet. Über Lissabon und Teneriffa ging es nach Kuba, Costa Rica, Mexiko und wieder zurück über die Bermudas und Azoren nach Hamburg. Hier machen sie gegen 17 Uhr am Sandtorhöft fest.
Die Jugendlichen sollen bei den Törns - dieser ist schon der zwölfte - lernen, Verantwortung zu übernehmen. Sie sollen unterschiedliche Kulturen erleben und lernen ein traditionelles Segelschiff zu navigieren. Das Projekt "High Seas High School. Das segelnde Klassenzimmer" der Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog ist harte Arbeit: an einem Tag Unterricht, am nächsten Tag Wache im Schichtwechsel. Dazu kommen abwaschen, kochen, in der Kombüse Reinschiff machen. "Auch eine Herausforderung, wenn den ganzen Tag über heftiger Seegang war", sagt Crew-Mitglied und Schülerin Felicitas Sobel (17) aus Mainz. Wie zum Beispiel beim Sturm am 21. April mit Böen bis zu elf Windstärken. Eine ganz andere Herausforderung: Mathematik-Unterricht unter karibischer Sonne. "Wir haben bei 28 Grad in Badehose Ableitungsfunktionen gelernt", sagt Nils Hempel (18) aus Kiel.
Trotzdem: Schnell stellt sich Karibikgefühl ein. Nach 20 Tagen, 23 Stunden und 40 Minuten steht im Internet-Logbuch: "Ja, Mann, wir sind da und liegen hier vor so einer richtig heftig geilen Palmeninsel! Die Karibik eben!"
Die Törns auf der "Thor" sollen für jeden auch eine Reise zu sich selbst sein. "Ich sag' jetzt offener meine Meinung", sagt Linnea Averhoff (17) aus Eutin. Und Felicitas Sobel hätte nie gedacht, "daß ich in bestimmten Situationen so gelassen sein kann. Ich habe auch Organisationstalent an mir entdeckt und gelernt, mit wenig Sachen auszukommen." Sascha Strasser: "Ich nehme jetzt mein Leben selbst in die Hand und ich lasse mich nicht so schnell unterkriegen."
Einer der Höhepunkte der Reise war die Schiffsübergabe an die Schüler. Die Stamm-Mannschaft hatte den Jugendlichen beigebracht, die 76 Jahre alte "Thor" zu segeln. Heute muß Schülerkapitän Knut den Schoner heil nach Hamburg bringen. Felicitas ist zuversichtlich: "Inzwischen weiß ich, daß alles wie von selbst kommt, wenn man Interesse hat und Engagement zeigt". Zu lernen, ein knapp 50 Meter langes Schiff zu beherrschen heißt auch fürs Leben lernen.