Hamburg. Der schleswig-holsteinische Spitzenkandidat der CDU, Christian von Boetticher, hat den Hamburgern Hochnäsigkeit und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mangelndes Interesse an einer Zusammenarbeit mit benachbarten Bundesländern vorgeworfen. "Hamburg sitzt leider manchmal noch auf dem hohen Ross", sagte von Boetticher im Abendblatt-Interview. "Wir sind nicht der arme Verwandte aus der Nachbarschaft. Hamburg muss begreifen, dass es nur gemeinsam geht."

Der 40 Jahre alte von Boetticher, der auch CDU-Fraktionschef im Landtag ist, wurde am Freitagabend auf einem Parteitag in Norderstedt zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen im Frühjahr 2012 gekürt. Er erhielt als einziger Bewerber 209 von 240 Stimmen; 26 Delegierte stimmten mit Nein, fünf enthielten sich der Stimme. Mit 87,08 Prozent verfehlte er die angestrebte 90-Prozent-Marke knapp.

Die Hansestadt sei mehr auf Schleswig-Holstein angewiesen als umgekehrt, hob von Boetticher hervor. "Wir haben die Gewerbeflächen und könnten Hamburger Unternehmen mit niedrigen Steuern abwerben. Aber darum geht es uns nicht. Wir wünschen uns eine intensive Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern." Unter anderem forderte er ein gemeinsames Beamtenrecht und gemeinsame Wirtschaftsförderung. Scholz zeige an der Region "wenig Interesse", kritisierte von Boetticher. "In Schleswig-Holstein wäre es undenkbar, dass ein Ministerpräsident eine Regierungserklärung hält, in der die Zusammenarbeit mit Hamburg nicht vorkommt." Schließlich lebten 300 000 Menschen in Schleswig-Holstein, die in der Hansestadt arbeiteten. "Herr Scholz hat es tatsächlich fertiggebracht, die notwendige Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein bei seiner Antrittsrede nicht einmal zu erwähnen", bemängelte von Boetticher. "Je schneller er begreift, dass er über den Tellerrand hinausblicken muss, desto besser ist es auch für Hamburg."

Das Verhältnis zwischen beiden Ländern galt bisher als gut - unabhängig davon, wer gerade regierte. So gibt es ein gemeinsames Statistikamt, eine gemeinsame Landesmedienanstalt - und die HSH Nordbank, die beiden Ländern mehrheitlich gehört. Der freundschaftliche Kontakt der beiden ehemaligen Regierungschefs Ole von Beust (CDU) und Heide Simonis (SPD) festigte die Länderpartnerschaft. Sie handelten aus, dass Schleswig-Holstein der für Hamburg so wichtigen Elbvertiefung zustimmte. Dafür billigte die Hansestadt die vom nördlichen Nachbarn gewünschte Elbquerung der Autobahn 20 bei Glückstadt. Auch zwischen von Beust und Simonis-Nachfolger Peter Harry Carstensen, der mit der FDP regiert, stimmte die Chemie. Sie unterstützten sich gegenseitig im Wahlkampf - und forderten die Bundeskanzlerin unisono zu "mehr Führung" auf. Mit Scholz und Carstensen-Kronprinz von Boetticher scheint es nun schwieriger zu werden.

Im Abendblatt-Interview zeigte sich von Boetticher für die kommenden Landtagswahlen siegesgewiss. "Ich bin davon überzeugt, dass wir nächstes Jahr mehr als 40 Prozent holen und mit Abstand stärkste Kraft in Schleswig-Holstein werden." Er rechnet allerdings nicht damit, noch vor der Wahl in die Staatskanzlei einzuziehen. "Ich gehe davon aus, dass Peter Harry Carstensen die gesamte Wahlperiode im Amt bleibt", sagte von Boetticher. "Wir haben einen Ministerpräsidenten, der seine Aufgabe mit großer Freude erfüllt."