Die Schule Tegelweg bietet Polybat an. Gemeinsam mit dem Abendblatt-Verein möchte die Einrichtung mehr Schulen dafür begeistern.
Klick, klack, klick, klack“ – hochkonzentriert stehen die Zehntklässler der Schule Tegelweg an den vorderen beiden Tischtennisplatten in der Sporthalle und liefern sich intensive Trainingsmatches. Schließlich sind nächste Woche die „Jugend trainiert für Paralympics“-Tage in Hamburg und die Schüler vom Tegelweg wollen dabei gut abschneiden. Da geht es an den Tischtennisplatten drei und vier doch sehr viel entspannter zu. Lena (16) und Emelie (14), die beide im Rollstuhl sitzen, schieben sich laut lachend mit einer Art Maurerputzbrett einen Plastikball auf der Tischtennisplatte ohne Netz hin und her. An den Längsseiten der Platte sind mit Schraubzwingen zehn Zentimeter hohe Holzbanden befestigt, die an den Stirnseiten nach innen ragen und so eine Art Tor bilden. „Ich habe einen totalen Lachflash“, ruft Emelie und lässt nebenbei den Ball durch die Öffnung flutschen. Lena jubelt. Ein Punkt für die Zehntklässlerin beim Polybat-Match.
So heißt das Spiel, das Christiane Hövermann mit einem Kollegen vor fünf Jahren an der Farmsener Schule für Körperbehinderte eingeführt hat. Die Schule Tegelweg bekam dafür im Februar 5000 Euro als Anerkennung beim Werner-Otto-Preis im Hamburger Behindertensport der Alexander Otto Sportstiftung. „Das ist ein schönes Beispiel für Eigeninitiative und wie man mit überschaubaren Mitteln ein inklusives Schulsportangebot schaffen kann“, lautete die Begründung der Jury.
Mit dem Preisgeld will Hövermann nun eine Tischtennisaußenplatte anschaffen und weitere Polybat-Banden und -Schieber bauen lassen. Kostenpunkt für ein Set: um die 50 Euro.
Zudem möchte sie mit ihren Schülern nach Göttingen zur Heinrich-Böll-Schule fahren und dort ein Polybat-Turnier austragen. Denn ebenso wie die Schule Tegelweg unterrichtet die Göttinger Einrichtung Schüler mit „Unterstützungsbedarf körperliche und motorische Entwicklung“ und bietet dort Polybat an. „Als eine der ganz wenigen Schulen in Deutschland, in Hamburg sind wir nach meinem Wissen leider die einzigen, die Polybat regelmäßig anbieten“, sagt die Physiotherapeutin, die bei Recherchen im Internet auf diese originelle Sportart stieß und sich darüber auch Maße und Bauanleitung holte. „Im Baumarkt haben sie uns die Banden und Schieberbretter zurechtgesägt und unsere Schüler haben sie im Werkunterricht zusammengebaut“, erzählt die engagierte 64-Jährige, die die Tischtennis- und Polybat-AG an der Schule leitet.
„Ich finde Polybat großartig, weil ich es als Rollifahrerin ganz unkompliziert mit meinen Freunden spielen kann. Für mich kommen nur wenige Sportarten infrage, da ich nur meine rechte Hand bewegen kann, sonst nichts“, sagt Emelie und schiebt den Plastikball mit dem Holzschlägerbrett kraftvoll in Richtung ihrer Freundin. Als der Ball in der Mitte der Platte liegenbleibt, sodass weder sie noch Lena ihn erreichen können, schnappt sie sich den Schieber mit dem langen Holzstiel, der neben ihr an der Tischtennisplatte lehnt, und holt damit den Ball zu sich heran. Auch dieser Schieber, der dem an einem Roulettetisch ähnelt, ist Marke Eigenbau. „Polybat fördert nicht nur die Konzentration, Koordination, Ausdauer und das Selbstbewusstsein der Schüler, sondern ermöglicht ihnen auch, sich mit anderen zu messen und auf Augenhöhe zu spielen“, sagt Hövermann.
Man kann Polybat je nach Grad der Körperbehinderung mit unterschiedlich großen Bällen, vom Tischtennis- bis zum Tennisball, breiteren oder schmaleren Schlägern und Toröffnungen spielen. „Für Blinde gäbe es auch Klangbälle, die man hin und her schieben kann“, weiß die engagierte Therapeutin. Die Regeln sind einfach zu verstehen – und das Spiel ist auch für Nicht-Rollstuhlfahrer attraktiv. „Ich mag die Abwechslung“, sagt Marcin (14), der gerade noch Tischtennis gespielt hat und sich nun im Rollstuhl sitzend ein Polybat-Match mit dem gleichaltrigen Nando liefert. Die beiden spielen mit einem Tischtennisball – das ist rasanter.
Marcin, Lena und Emelie würden gerne mit anderen Schulen in Hamburg Polybat-Turniere spielen. Anke Kirch von der Ev. Stiftung Alsterdorf, Bereich Sport und Inklusion, war bei der Werner-Otto-Preisverleihung dabei und sofort begeistert von der Idee. „Wir planen nun Polybat bei unserem inklusiven Sportfest ,Spiele für alle‘ am 28. Juni“, sagt Kirch. Das ist ganz im Sinne der Alexander Otto Sportstiftung: „Dieses Beispiel sollte Schule machen – abgucken ausdrücklich erwünscht“, sagte Alexander Otto bei der Preisverleihung.
Weitere Schulen und Vereine für Polybat gesucht
Polybat ist eine ideale Sportart für Menschen im Rollstuhl. Sie ist einfach umzusetzen und die notwendigen Materialien – Holzbretter, Metallzwingen und Schläger – sind günstig zu erwerben. Man braucht zudem eine Tischtennisplatte.
Der Abendblatt-Verein unterstützt Hamburger Schulen, die Polybat einführen möchten, gern finanziell bis maximal 500 Euro.
Weitere Informationen zu Polybat gibt es unter: http://bvkm.de/wp-content/uploads/Polybat-gesamt.pdf und bei der Schule Tegelweg unter der E-Mail: schule-tegelweg@bsb.hamburg.de