Hamburg. Wirtschaftsvertretung legt neue HWWI-Studie für den Standort vor. Warum die Stadt international hinterherhinkt, was sich ändern soll.
National spitze, international dagegen nur Mittelmaß – das ist das Ergebnis einer Studie zum Wirtschaftsstandort Hamburg, die die Handelskammer beim Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) in Auftrag gegeben hat, um im Rahmen ihrer „Hamburg 2040”-Strategie zu überprüfen, wo die Stadt aktuell steht. Demnach ist Hamburg im Vergleich zu anderen deutschen Wirtschaftsregionen zwar überdurchschnittlich wettbewerbsfähig und innovativ, kann aber mit den europäischen Spitzenreitern in Skandinavien, Frankreich und den Niederlanden nicht mithalten.
Die Situation sei „trügerisch“, meinte Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Malte Heyne und fasste es mit einem Fußball-Vergleich zusammen: „Wir spielen national um den Titel, aber in der Champions League scheiden wir früh aus.“ Das dürfe jedoch nicht der Anspruch einer internationalen Handelsmetropole sein: „Wir wollen Real Madrid sein, nicht RB Salzburg“, so Heyne. Sprich: Statt sich mit nationalen Titeln in Serie zu begnügen, müsse Hamburg auch auf europäischer Bühne ganz oben mitspielen.
Handelskammer Hamburg legt neue Studie vor – was sich ändern soll
Kammer-Präses Norbert Aust betonte, dass Hamburg auch ausweislich der Studie eine sehr lebenswerte Stadt sei, was es zu erhalten gelte. Doch die großen Krisen unserer Zeit schürten Unsicherheit: „Und Unsicherheit ist Gift für Zukunftsentscheidungen“, so Aust. Dabei brauche es gerade jetzt Mut zu innovativem Denken, denn Innovationen seien entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Aust: „Wir müssen unser Ruhekissen verlassen und in die Gänge kommen.“
Mit Blick auf die Bürgerschaftswahl im März 2025 forderten der Präses und der Hauptgeschäftsführer die Parteien auf, sich zu positionieren, wohin es mit dem Standort Hamburg gehen soll. Aus Sicht der Kammer brauche es langfristige Strategien und Investitionsplanungen, die möglichst in enger Abstimmung mit der Wirtschaft entstehen sollten, so Heyne. Nötig sei ferner der Fokus auf Zukunftstechnologien wie Digitalisierung, Projekte im Rahmen der Energiewende oder Forschungseinrichtungen wie das Desy. Dass die Stadt bald zwölf Wirtschafts-Cluster habe, sei möglicherweise zu viel: „Überall Weltklasse wird auch nicht funktionieren.“
Kammer setzt auf neuen Wirtschaftsraum von Südschweden bis nach Norddeutschland
Im Hafen müssten neue Flächen ausgewiesen, Firmen angesiedelt und weitere Partner gewonnen werden – ein kleiner Seitenhieb auf die geplante einseitige Bindung des Hafenkonzerns HHLA an die weltgrößte Reederei MSC. Aust bestätigte auf Nachfrage, dass er eine „Blockade“ im Hafen wahrnehme, der sich kaum noch weiterentwickle und gegenüber internationalen Konkurrenten verliere. Seine Hoffnung sei, dass sich diese Blockade auch über die Ansiedlungen neuer Firmen und Technologien, zum Beispiel im Mittleren Freihafen, lösen lasse.
Große Hoffnung setzt die Kammer-Spitze auf die feste Fehmarnbelt-Querung: „Da wird ein ganz neuer Wirtschaftsraum geschaffen, von Südschweden über Dänemark bis nach Norddeutschland“, sagte Heyne. Die Bauarbeiten auf deutscher Seite gingen ihm natürlich nicht schnell genug. „Da können wir uns eine Scheibe von Dänemark abschneiden.“ Aber da man daran kaum etwas ändern könne, konzentrierten sich die Kammern aus den Regionen bereits auf die inhaltliche Zusammenarbeit. So sei es aus Hamburger Sicht spannend, wie Kopenhagen und Malmö durch eine feste Querung zusammengewachsen sind.
Hamburg ist die wettbewerbsfähigste Region in Deutschland
Einige Schlaglichter der HWWI-Studie. Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Hamburg sei im Jahr 2022 mit einem Wert von 129,7 die wettbewerbsstärkste Region Deutschlands gewesen, so die Autoren. Damit hat sich die Hansestadt von Platz vier (2016) über Platz 5 (2019) kräftig emporgearbeitet. Lediglich Oberbayern (mit München), Düsseldorf und Köln könnten da bundesweit mithalten. Im europaweiten Vergleich stehe Hamburg aber bei der Wettbewerbsfähigkeit nur auf Platz 15: Spitzenreiter sei hier Utrecht mit 151,1 Punkten, gefolgt von Zuid-Holland (mit Rotterdam und Den Haag) mit 142,5 und dem Pariser Ballungsraum mit 142,0 Punkten, so die Studie. Auch Stockholm und Antwerpen seien wettbewerbsfähiger als Hamburg.
Stichwort Wirtschaftliche Dynamik: Diese haben die Studienautoren anhand mehrerer Faktoren gemessen, sodass sich kein einheitliches Bild ergibt. Wenn man das Bruttoinlandsprodukt (das höchste aller deutschen Wirtschaftsregionen) oder den Geschäftsklimaindex der Handelskammer Hamburg zugrunde lege, habe sich die Stadt „relativ gut“ von Krisen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg erholt, hieß es. Gehemmt werde die Dynamik aber weiterhin von hohen Arbeitskosten und dem Mangel an Arbeits- und Fachkräften. Kritisiert wurden etwa die niedrigeren Beschäftigungsquoten bei Ausländern im Vergleich zu Einheimischen.
Städte wie Stockholm, Amsterdam und Paris sind innovativer als Hamburg
Innovationskraft: Auch hier wird die Kluft zwischen dem guten nationalen und dem mittelmäßigen internationalen Abschneiden offenkundig: Mit einem Indexwert von 138,5 sei Hamburg „unter den führenden Regionen in Deutschland“, so die Studie. Die europäischen Spitzenreiter wie Stockholm (166,8), Amsterdam (156,7), Utrecht (156,1) oder Paris (145,1) lägen aber mit deutlichem Abstand vorne. Positiv hervorgehoben wird, dass Hamburgs digitales Verwaltungsangebot im Vergleich aller Bundesländer führend sei. Dagegen sei der Anteil an MINT-Studienanfängern gering und der Trend bei Patentanmeldungen rückläufig.
Unter dem Stichwort Vernetzung heißt es, dass die Außenhandelsbeziehungen „insbesondere im Vergleich zu den dynamischen Entwicklungen in Bayern und Baden-Württemberg“ zurückfielen. So seien „signifikante Rückgänge in Einfuhren und Ausfuhren zu beobachten“. Die Autoren weisen zudem auf „geopolitische Risiken“ hin, da in Hamburg der Handel mit nicht-demokratischen Staaten wie China an Bedeutung gewinne. Auch Kammer-Präses Aust empfahl eine stärkere Orientierung nach Südamerika, Japan und Zentralasien, auch wenn klar sei, dass man „nicht nur mit Freunden“ handeln könne.
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Die Hamburger Unternehmen haben derweil noch ganz andere Probleme – zum Beispiel die Bürokratie. Wie aus dem aktuellen „Konjunkturbarometer“ der Kammer hervorgeht, bezeichnen mehr als 60 Prozent der lokalen Firmen die „wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen“ inzwischen als echtes Risiko für das Geschäft. Die Stimmung ist geteilt: Die Hälfte der Firmen bezeichnet die Lage als saisonüblich, für jeweils ein Viertel läuft es demnach derzeit gut oder schlecht.