Hamburg. Seit 145 Jahren gibt es den Marine- und Tropenausrüster Ernst Brendler in der Innenstadt. Wer den Laden bald übernimmt.
Geschäft oder Museum? Nicht jeder dürfte diese Frage beim Blick in das Schaufenster richtig beantworten. Ernst Brendler ist wie eine Zeitkapsel in der Hamburger Innenstadt. Es ist ein Name, den viele alteingesessene Hamburger mit Marineuniformen und Qualitätskleidung verbinden. Aber auch ein Name, den jüngere Menschen kennenlernen, sobald sie sich für die nächste Reise in die Tropen ausstatten wollen. Dann entdecken sie vor der Reise nach Thailand, Indonesien oder Costa Rica oft erstmals das Fachgeschäft für Marine- und Tropenausrüstung in der Großen Johannisstraße.
Einzelhandel Hamburg: Das Erfolgsrezept des Fachgeschäfts für Marine- und Tropenkleidung
Zwei Schaufenster säumen die Treppe zum Eingang in das Geschäft. Die Auslage im Glaskasten auf der rechten Seite ist Schiffsreisenden gewidmet: Marine-Stutzer, Elbsegler und dunkelblaue Pullover aus Schurwolle liegen zwischen blau-weißen Matrosen- und Fischerhemden. An der Wand hängt das Bild eines Segelschiffs, das nach Hamburg einfährt. Daneben lehnt ein Holzbrett, auf dem Seemannsknoten hängen.
Im linken Schaukasten ragt ein Palmenblatt unter einem alten Blechschild hervor. „Richtige Tropenkleidung aus reiner Naturfaser (ohne Synthetik) garantiert Wohlbefinden auch an heißen Tagen“, steht darauf. Ein dunkles Moskitonetz verdeckt eine Schaufensterpuppe aus den 1960er-Jahren, die Oberlippenbart, beigefarbene Safarikleidung und Tropenhut trägt.
Ernst Brendler in Hamburg: Statt Indiana Jones erwartet Ingrid Osthues die Kunden
Nicht etwa Indiana Jones erwartet die Kundschaft, die den Laden betritt, sondern Ingrid Osthues. Die 65-Jährige führt die Geschäfte. Nach dem Tod ihres Vaters, Ernst Brendler Junior, übernahm die geborene Brendler den Laden im Jahr 1994. Seitdem hat sich in der Textilbranche viel getan – die 160 Quadratmeter Ladenfläche blieben jedoch weitgehend unverändert.
Schnelllebiger ist die Modeindustrie geworden. Sie ächzt aber auch unter dem Druck, möglichst billig zu produzieren. Wie bleibt ein Traditionsgeschäft da bestehen? „Man braucht einen roten Faden“, sagt Ingrid Osthues. Bei Ernst Brendler ist das die Kleidung aus Naturfaser. „90 Prozent der Kleidung, die wir verkaufen, bestehen aus natürlichem Material.“ Gute Kleidung sei wichtig, wenn man bei tropischen Temperaturen ins Schwitzen gerät: Atmungsaktiv soll sie sein und sich angenehm auf der Haut anfühlen. Nur die Regenjacken bestehen aus Polyurethan.
Ernst Brendler: Familientradition seit 1879
Angefangen hat Osthues‘ Ururgroßvater Ernst Brendler Senior jedoch mit etwas anderem als Tropenausrüstung. Im Jahr 1879 hatte dieser eine Uniform-Schneiderei eröffnet. Für Seefahrer in Hamburg und aus aller Welt fertigte er die passende Kleidung und stattete Marine-Soldaten aus. Sein Sohn Petro führte den Laden später durch zwei Weltkriege. Dann übernahm Ernst Brendler Junior, der auf den Safari-Boom der 1970er-Jahre reagierte und vermehrt auch Zivilkleidung ins Geschäft brachte.
Heutzutage mache der Verkauf von Uniformen für die Deutsche Marine sowie für die Handelsmarine etwa 40 Prozent des Umsatzes aus, sagt Ingrid Osthues. „Wir statten Marinesoldaten ab Offiziersgrad aus.“ Aber nicht nur Marinesoldaten zählen zu ihren Kunden: „Bei uns kauft sowohl der Rucksacktourist, der mit Mitte 20 nach Indien reist, als auch der 90-jährige Kreuzfahrer.“ Auch Prominente kauften schon in ihrem Laden ein: Udo Lindenberg, Uwe Seeler, Johannes Rau.
Wie sich ein Fachgeschäft in der Hamburger Innenstadt behauptet
Neben hochwertiger Kleidung setzt die Fachhändlerin auch auf eine gute Beratung. Sieben Angestellte arbeiten in dem Geschäft, davon vier in Vollzeit. Hinzu kommt der attraktive Standort in der Innenstadt, der viele Touristinnen und Touristen anlockt. Außerdem dürfe man die Berufstätigen nicht unterschätzen, die in der Innenstadt arbeiten. Die alte Haspa-Zentrale am Großen Burstah sei ein Kundenmagnet gewesen, so die Unternehmerin.
„Donnerstag ist der neue Freitag“, sagt Osthues. Viele Beschäftigte würden freitags im Homeoffice arbeiten und daher ihre Einkäufe schon am Donnerstagnachmittag erledigen. Freitags kämen dafür vermehrt Touristen. Dass diese durch die HafenCity weniger im Zentrum unterwegs sind, befürchtet die 65-Jährige nicht. „Ich habe keine Angst vorm Westfield-Center“, sagt Osthues. „Die Innenstadt bleibt für Kunden interessant.“
Qualität statt Fast Fashion beim Spezialgeschäft Ernst Brendler
Mit ihrem Angebot hebt sie sich auch deutlich von den üblichen Handelsketten in der Innenstadt und den Hamburger Einkaufszentren ab. Es ist das Gegenteil von Fast Fashion, das Ernst Brendler bietet: Die Kleidung, die hier in den alten Holzregalen liegt, wirkt robust und zeitlos. Fast alle Kleidungsstücke des eigenen Labels werden in Europa hergestellt. Der Troyer-Pullover aus Schurwolle zum Beispiel werde in Bayern produziert.
Kassenschlager ist die beigefarbene Baumwollhose aus Vollzwirn. Nicht nur Entdecker kaufen das Modell. Außerdem sind Leinenhosen und -hemden beliebt, vor allem im Sommer. Die nautische Kinderkleidung, die sie führt, nennt Osthues den „Großeltern-Fänger“. Kinder in Matrosen- und Fischerhemdchen sehen eben niedlich aus.
So entwickelt sich der Umsatz des Geschäfts in der Innenstadt
Das Brendler-Logo, das auf die Große Johannisstraße ragt, ziert noch immer einen Tropenhelm. Verkauft wird der heutzutage allerdings selten. Er erinnere zu sehr an die Kolonialherrschaft und damit einhergehende Unterdrückung. Osthues rät davon ab, diesen auf Reisen nach Afrika zu tragen.
Über Umsatz und Gewinn will die Geschäftsführerin nicht viele Worte verlieren: „Wir sind zufrieden.“ Von der Corona-Pandemie erhole man sich allmählich. Der Umsatz sei in etwa konstant wie vor fünf Jahren. Sie profitiere von einem alten Mietvertrag, sei eine zuverlässige Mieterin.
Einzelhandel Hamburg: Wie ein Traditionsunternehmen vom Onlinehandel profitiert
Und wie behauptet man sich gegen den Onlinehandel? „Indem man mitmacht“, sagt die Unternehmerin und lacht. Etwa ein Drittel ihres Erlöses geht inzwischen auf den Onlineshop zurück, je nach Saison. Vor rund 15 Jahren hat einer ihrer Söhne den Internethandel aufgebaut und auf Suchmaschinen optimiert. „Wer ‚Tropenkleidung‘ sucht, findet unser Geschäft auf der ersten Seite.“
Werbung macht die Unternehmerin keine. Auch der Instagram-Account des Geschäfts wird nur selten bespielt. Das sei unnötige Arbeit für Menschen, die nichts kaufen, sagt Osthues. „Das kann ich mir nicht leisten.“ Aber nicht mehr lange, dann muss die Unternehmerin sich weniger mit schwarzen Zahlen beschäftigen.
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Sohn Kay, der im Unternehmen der Eltern seine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht hat, steht schon bereit. Bald soll der 31-Jährige die Führung in fünfter Generation übernehmen. Zwar sei die Arbeit im Geschäft für Ingrid Osthues und ihren Mann Rolf eher wie ein Hobby. Doch im Ruhestand haben die beiden dann Zeit für echte Hobbys: Er arbeitet im Garten, sie bemalt Porzellan. Eine besondere Reise ist erst mal nicht geplant.