Hamburg. Bei Budni, Rossmann und dm stehen Duftzwillinge bekannter Marken im Regal. Wie man die Imitate erkennt und warum sie so billig sind.

Ihr Geruch ist ähnlich, sie sehen teilweise sogar gleich aus, und der Name erinnert an das Original. Wer im Drogeriemarkt, Discounter oder im Internet nach einem Parfüm sucht, findet immer häufiger sogenannte Duftzwillinge. Etwas weniger fein ausgedrückt: Parfüm-Duplikate, kurz Dupes. Auffällig ist, dass diese Produkte nur einen Bruchteil dessen kosten, was Luxusmarken wie Chanel, Dior & Co. verlangen.

Inzwischen werden so viele Nachahmer-Parfüms angeboten und in den sozialen Medien teilweise mit positiven Bewertungen und Vergleichen zu Markenartikeln beworben, dass es kräftig nach Ärger in der Duftbranche riecht. Im Netz kursieren zahlreiche Listen mit den Originalnamen von teuren Parfüm-Klassikern wie Coco Mademoiselle von Chanel, Black Opium von Yves Saint Laurent oder My Way von Giorgio Armani und den entsprechenden Kopien.

Schnäppchen-Parfüms: Drogerien fordern Chanel und Co. heraus

Es geht um viel Geld. Trotz Krisenstimmung durch Corona, Krieg und Inflation ist der Parfümumsatz nach Zahlen des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel im vergangenen Jahr um insgesamt 15 Prozent gewachsen, das betrifft sowohl den Massenmarkt als auch den Fachhandel. Schon länger ist zu beobachten, dass die großen Drogerieketten dm und Rossmann einen Teil vom Kuchen abhaben wollen und stark in die Erweiterung des Duftangebots investieren. Auch der Hamburger Drogeriewarenhändler Budnikowsky führt nach eigenen Angaben 279 unterschiedliche Parfüms.

Dabei stehen neben Düften im Preiseinstiegssegment von Marken wie S. Oliver, Adidas oder 4711 Kölnisch Wasser auch Parfüms von Herstellern wie La Rive oder Caline in den Regalen, die sich auf Dupes spezialisiert haben – zu Preisen deutlich unter zehn Euro. Eine Stichprobe des Abendblatts in Drogeriemärkten in der Hamburger Innenstadt bestätigt den Trend. Nach Zahlen, die das Branchenblatt „Lebensmittelzeitung“ veröffentlicht hat, machen Duftzwillinge inzwischen ein Viertel des Parfüm-Absatzes in Drogerien aus. Vor zwei Jahren war es demnach gerade mal halb so viel.

Duftzwillige: Budni, dm und Rossmann meiden den Begriff

„Wir beobachten, dass durch den Einfluss der sozialen Medien sowie durch aktuelle Trends ein erhöhtes Interesse an bestimmten Duftprodukten entsteht. Unsere Kundinnen und Kunden wünschen sich sogar noch mehr Duftalternativen“, sagt Alexander Strehlau, Geschäftsbereichsverantwortlicher Sortiment im Ressort Marketing + Beschaffung beim Drogeriehändler dm auf Abendblatt-Anfrage zur Strategie eher allgemein. Auf Nachahmer-Parfüms geht er nicht ein. Aber der Manager kritisiert, dass der gewünschte Ausbau des Parfümangebots durch „die teilweise selektive Vertriebsstrategie der Industriepartner“ aktuell nicht möglich sei.

Bei Rossmann heißt es: „In den 1980er-Jahren ist Rossmann mit Erfolg in das Parfüm-Geschäft eingestiegen und setzt auch hier das Discountprinzip durch.“ Auch dieses Unternehmen geht nicht auf die Duplikate ein. Eine Budni-Sprecherin sagt: „Parfüms gehören als fester Bestandteil zu unserem Sortiment.“ Ihren Angaben zufolge bietet die Drogeriekette auch Düfte an, die als Duftzwillinge bezeichnet werden, betont aber: „Wir verwenden diesen Begriff nicht und stellen auch keinen Bezug zu vergleichbaren Düften her, weder in den Filialen noch in unserer Kommunikation. Wir verkaufen ausschließlich Düfte, die unter Einhaltung und Achtung aller gesetzlichen Vorgaben zugelassen sind.“

Parfüm-Experte: Goldgräberstimmung bei unseriösen Anbietern

Reich riechen, ohne arm zu werden. In der Regel sind handelsübliche Parfüm-Dupes geprüfte und freigegebene Produkte. Die niedrigen Preise erklären die Hersteller mit dem Verzicht auf teures Marketing und aufwendiges Produktdesign. Aber sie bewegen sich teilweise im Graubereich, weil sie die Aussage transportieren, etwas anderes zu sein, als sie sind. In den vergangenen Jahren ist die Vielfalt diese Produktgruppe zudem sprunghaft gestiegen. Das hängt mit dem technologischen Fortschritt zusammen, der eine schnelle Analyse der Inhaltsstoffe ermöglicht.

Nicht erlaubt ist, die Imitate mit den Originalen zu vergleichen. Motto: „Riecht wie ...“ Die Grenzen zu illegalen Produktfälschungen sind zudem fließend. Die Parfümbranche reagiert verstärkt mit Gegenwehr. Denn, so das Argument, die Markenhersteller verlieren mit jedem verkauften Zwillingsprodukt Umsätze.

„Der Hype um Duftzwillinge hat eine Goldgräberstimmung bei unseriösen Anbietern ausgelöst. Das schadet nicht nur dem Image von Marken und Handel, sondern ist auch eine Missachtung der großartigen Leistungen von Parfumeuren und Duftentwicklern“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Parfümerien, Elmar Keldenich. Ein Duftzwilling sei immer nur ein „Abklatsch“ des Originals. „Fakt ist auch, dass Nachahmungen, seien sie aus der Drogerie oder von unseriösen Anbietern, dem Original niemals vollständig entsprechen werden. Der Einsatz günstiger Grundstoffe führt oftmals zu einer anderen olfaktorischen Qualität.“

Abmahnungen für Markenrechtsverletzungen

Natürlich ist ein Duft schwierig zu schützen. Aber der Markt der Parfüm-Imitate hat längst eine juristische Dimension. So erwirkte die Nobilis Group, die mehr als 60 Marken von Abercrombie & Fitch bis Versace vertreibt und zum Hamburger Duty-Free-Händler Gebr. Heinemann gehört, im Januar vor dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen den Duftzwillings-Anbieter Loris wegen rechtswidriger Duftimitationswerbung im Einkaufszentrum Westfield Centro in Oberhausen.

„Wöchentlich tauchen neue Anbieter von Duftzwillingen auf. Die große Mehrheit bewegt sich klar im markenrechtlich und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Bereich“, sagt Eva Maierski, Markenrechtsanwältin von Lubberger Lehment Rechtsanwälte mit Büros in Berlin und Hamburg. Die Anwaltskanzlei vertritt seit 20 Jahren namhafte Parfümhersteller, darunter L‘Oreal, Coty und Nobilis. In der Regel seien es erfolgreiche Klassiker, die imitiert würden, sagt die Juristin. Aber aktuell beobachtet sie auch viele kleine Anbieter, die aus dem Boden schießen und zunehmend angesagte neue Parfüms nachahmen.

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Ob man dem juristisch einen Riegel vorschieben kann, ist fraglich. Jeder Einzelfall muss geprüft werden. Ähnlich wie bei angesagten Sneakern, Handtaschen oder T-Shirts wird es wohl weiterhin Nachahmerprodukte geben, solange Kunden und Kundinnen sie kaufen. Selbst der europäische Parfümerie-Marktführer Douglas mit einem breiten Duftangebot kommt offenbar nicht ohne diese Produktkategorie aus. „Duftzwillinge gehören nicht zu unserem Standardsortiment, und wir haben derzeit keine Pläne, das Sortiment über einzelne Produkte hinaus auszuweiten“, erklärte ein Sprecher auf Abendblatt-Anfrage.

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Christian Wagner, Inhaber von Parfümerien Schuback mit Sitz in Lübeck, kommen die Parfüm-Imitate dagegen nicht in die bundesweit 70 Läden. „Unsere Kunden suchen gezielt Markenprodukte.“ Trotzdem, sagt er, beobachte er das Aufrüsten der Drogeriemärkte im Duftbereich. „Es ist ein Wettbewerb, der zulasten der Parfümerien gehen kann. Das muss man ernst nehmen.“ Schuback setzt deshalb auf besonders trendige Nischenparfüms. „Es geht darum, die Marken zu finden, die künftig gefragt sein werden.“