Hamburg. Nabu fordert: Senat soll ab 2020 Luxusliner ohne Abgasreinigung abweisen. Deutsche Anbieter machen Fortschritte zu mehr Sauberkeit.

Jedes Jahr im Hochsommer geraten die Kreuzfahrtreeder in Nervosität. Dann veröffentlicht der Naturschutzbund (Nabu) sein Ranking über die Luftverschmutzung der einzelnen Kreuzfahrtschiffe. Die Freude der Betreiber über die Millionen-Gewinne, die sie erwirtschaften, wird dann durch die Sorge vor dem Imageschaden getrübt, den der Nabu ihnen möglicherweise bereitet. Denn ihre viel gepriesenen Luxusliner werden schnell als „Dreckschleuder“ oder „Stinker“ gebrandmarkt.

Am Dienstag war es wieder so weit. Der Nabu veröffentlichte seine Rangliste der umweltschädlichsten Kreuzfahrtschiffe und offenbarte Überraschendes. Wurden die Schiffe der Anbieter in der Vergangenheit in ihrer Abgasbelastung einheitlich als schlecht bewertet, nehmen die Umweltschützer nun ein Gefälle wahr: „Wir sehen die Branche an einem Scheideweg, und wir sehen, dass die Schiffe deutscher Anbieter den Takt vorgeben“, sagte Dietmar Oeliger, Leiter der Verkehrspolitik beim Nabu.

Volle Punktzahl für die „AIDAnova“

Zwar ist die Mehrheit der Schiffe laut Nabu noch immer ohne jegliche Abgasreinigung unterwegs. Aber erstmals wurde einem Schiff, der „AIDAnova“ des deutschen Branchenführers Aida Cruises, die volle Punktzahl zuerkannt. Die „AIDAnova“ führt demzufolge die Bewertung an. Sie ist allerdings noch gar nicht in Betrieb. Das 337 Meter lange und 42 Meter breite Schiff sollte erst Dienstagabend von der Meyer Werft in Papenburg ausgedockt werden. Am 2. Dezember soll seine Jungfernfahrt von Hamburg aus beginnen.

Die „AIDAnova“ verzichtet aber als einziges Kreuzfahrtschiff derzeit auf den Antrieb mit giftigem Schweröl und setzt stattdessen auf einen schadstoffärmeren Kraftstoff, nämlich Flüssiggas (LNG). „Wir haben Aida in der Vergangenheit immer kritisiert. Aber hier müssen wir anerkennen, dass die Reederei diesen Schritt als erste gewagt hat“, sagte Oeliger. „Wer eine Kreuzfahrt machen will, sollte das auf der ,AIDAnova‘ tun“, lautete das Urteil des Umweltschützers.

Druck durch Anwohner

Alle anderen der 76 untersuchten Schiffe, darunter auch acht von neun Schiffen, die in diesem Jahr auf den Markt kommen, halten am dreckigsten aller Kraftstoffe, dem Schweröl, fest. Besonders die großen Reedereien MSC Cruises, Celebrity Cruises und Royal Caribbean hätten aktuell im Bereich Umweltschutz kaum etwas zu bieten, so der Nabu. Einzig die deutschen Anbieter Hapag-Lloyd Cruises und TUI Cruises könnten bei der Luftreinhaltung einigermaßen mithalten, indem sie auf ihren jüngsten Flottenzugängen Stickoxid-Katalysatoren einsetzten oder für die Versorgung mit Landstrom während des Hafenbetriebs gerüstet seien. Ihre Schiffe landeten auf den Plätzen zwei und fünf.

„Da, wo der Druck durch Anwohner hoch und der Ordnungsrahmen bei der Luftverschmutzung eng gesteckt sind, nämlich in Deutschland, sind die Reedereien bereit, in sauberere Abgastechnologien zu investieren. In anderen Regionen passiert nichts“, sagt Oeliger.

Gesundheitliche Gefahren

Um den Druck auf ausländische Betreiber zu erhöhen, fordert der Nabu deshalb ab 2020 ein Einfahrverbot für die dreckigsten Schiffe im Hamburger Hafen. „Wir fordern die Politik in Hamburg und auch in anderen Häfen dazu auf, dieses Verbot durchzusetzen“, sagte Malte Siegert, Leiter der Umweltpolitik beim Nabu in Hamburg. „Die Reeder hatten ausreichend Zeit, sich zu entscheiden, ob sie wirkungsvolle Abgastechnik an Bord installieren, saubereren Kraftstoff verbrennen oder sich extern mit Landstrom versorgen lassen. Es mangelt nicht an Möglichkeiten, sondern am Willen der politischen Entscheider, der Kreuzfahrtbranche etwas abzufordern“, so Siegert. Die enormen gesundheitlichen Gefahren von Schiffsemissionen seien nicht länger tragbar.

Am Abend wurde die „AIDAnova“ ausgedockt
Am Abend wurde die „AIDAnova“ ausgedockt © dpa | dpa

Und die sind inzwischen kaum mehr wegzudiskutieren. Wie der Senat selbst vermutet, gehen 38 Prozent der Stickoxidbelastung in Hamburg von der Schifffahrt aus. Als besonders gesundheitsgefährdend gelten zudem die feinen Rußpartikel, die von mit Schweröl fahrenden Schiffen ausgestoßen werden, und die die Weltgesundheitsorganisation bereits 2012 als krebserregend eingestuft hat. Laut Messungen von Journalisten werden Passagiere an Deck eines Kreuzfahrtschiffs mit 300.000 Partikeln oder mehr pro Kubikzentimeter Luft ausgesetzt.

 Selbst in einer Kabine seien noch 70.000 Partikel gemessen worden, sagt Oeliger. Zum Vergleich: In Pekings Innenstadt liegt die Belastung bei 20.000 Teilchen pro Kubikzentimeter, ähnlich in Hamburg an der Max-Brauer-Allee. Im Stadtpark sollen laut Nabu noch rund 2000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft gemessen werden. An der frischen See sind es 500 – es sei denn, ein Schiff fährt gerade vorbei.

Reederei: Messungen haben keine Aussagekraft

Vom Verband der Kreuzfahrtreedereien Clia heißt es hingegen: Alle Emissionsgrenzwerte würden eingehalten. In einer schriftlichen Stellungnahme teilte Clia Deutschland mit, dass die Messungen des Nabu keine Aussagekraft hätten. Diese würden mit ungeeigneten Handmessgeräten durchgeführt. Zudem seien punktuelle Messungen von Emissionen hinter oder auf einem Schiff nicht vergleichbar mit den Durchschnittswerten, die von einer festen Messstation über einen Zeitraum von 24 Stunden oder länger gemessen werden, um wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen.

„Ein wissenschaftlicher und nachvollziehbarer Ansatz ist beim Kreuzfahrtranking nicht zu erkennen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Nabu die Umwelttechnologien von Jahr zu Jahr unterschiedlich bewertet“, so der Branchenverband. Zudem würde die Forderung des Nabu, die Ausstattung der gesamten Kreuzfahrtflotte mit Umwelttechnologien stärker voranzutreiben, bereits erfüllt. So seien 111 der weltweit 253 Kreuzfahrtschiffe bereits mit Abgasreinigungssystemen ausgestattet. Dumm nur, dass die Reedereien das dem Nabu nicht mitteilen: „Wir haben alle angeschrieben. Außer Hapag-Lloyd Cruises hat uns keine geantwortet“, hieß es.