Hamburg. Die Anschlussfinanzierung in ein oder zwei Jahren kann um mehrere hundert Euro im Monat teurer werden. Wie man reagieren kann.

Die steigenden Zinsen bei Hypothekendarlehen treffen nicht nur potenzielle Immobilienkäufer. Auch Immobilieneigentümer sind betroffen, je nachdem, wann ihre Zinsbindung ausläuft. Doch mehr als jeder dritte Immo­bilienkäufer kennt den Zeitpunkt für die Anschlussfinanzierung nicht, wie eine Umfrage des Baugeldvermittlers Interhyp zeigt. In Zeiten steigender Zinsen eine gefährliche Entwicklung.

„So überraschend und heftig die Zinswende für Käufer in diesem Jahr gekommen ist, so deutlich könnte das Erwachen für Eigentümer mit laufenden Krediten sein“, sagt Stefan Kellner, Geschäftsführer der Immobilienplattform Scoperty, die deutschlandweit Schätzwerte von mehr als 35 Millionen Wohnimmobilien erfasst.

Immobilien Hamburg: Zinsanstieg wird zum echten Problem

„Wer knapp kalkuliert hat und kaum über finanzielle Reserven verfügt, riskiert sein Anschlussdarlehen oder gar die Zwangsversteigerung.“ Denn nicht nur die Zinsaufschläge könnten Eigennutzern zu schaffen machen, für die im nächsten und übernächsten Jahr die Anschlussfinanzierung ansteht. Die gleichzeitig stark gestiegenen Energiekosten belasten die Haushaltskasse zusätzlich und erschweren das Abbezahlen des Kredites.

Exemplarische Scoperty-Berechnungen von Preis- und Kreditszenarien zeigen, dass der jüngste Zinsanstieg für einige Eigennutzer und Kapitalanleger in der Hansestadt zum finanziellen Problem werden könnte – je nach Jahr der Erstfinanzierung und Zinsbindung. Wer 2014 zu zwei Prozent ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung aufgenommen hat, wird spätestens 2024 einen Neukredit für die verbleibende Restschuld aufnehmen müssen. 100 Quadratmeter Wohneigentum auf der Etage aus dem Bestand kosteten in Hamburg damals rund 296.800 Euro, was mit einer monatlichen Kreditrate von 1236 Euro finanzierbar war (zehn Jahre Zinsbindung, zwei Prozent Kreditzins, drei Prozent Anfangstilgung).

Kostenexplosion beim Anschlusskredit droht

Nur die Erwerbsnebenkosten wurden mit eigenen Ersparnissen bezahlt. Beim jetzigen Zinsniveau von 3,3 Prozent würde die Rate auf 1558 Euro klettern, was eine monatliche Mehrbelastung von 322 Euro bedeutet. Bei vier Prozent Zinsniveau sind es gar 1731 Euro – ein Plus von knapp 500 Euro pro Monat beziehungsweise 6000 Euro pro Jahr, rechnet Scoperty vor.

Noch radikaler fällt der Kostenschock für Käufer aus, die im Jahr 2019 in Wohneigentum investiert haben und sich für ein Darlehen mit lediglich fünf Jahren Zinsbindung entschieden haben. Die Kombination der zu diesem Zeitpunkt bereits extrem hohen Kaufpreise mit den damals extrem niedrigen Zinsen führt zu einer Kostenexplosion beim Anschlusskredit. In Hamburg waren laut Scoperty 2019 für eine 100 Quadratmeter große Eigentumswohnung aus dem Bestand im Schnitt bereits 426.500 Euro fällig.

Rate könnte doppelt so hoch werden

Mit einem fünfjährigen Darlehen ließ sich diese Summe im Zinstief mit rund 1421 Euro finanzieren. Der aktuelle Zins von 3,1 Prozent für erneut eine fünfjährige Zinsbindung für ein solches Darlehen würde die Rate auf 2168 Euro hochschnellen lassen, bei vier Prozent wären es mit 2487 Euro fast doppelt so viel wie beim Erstkredit. So weit die Berechnungen von Scoperty.

Aber stimmen die Berechnungen überhaupt und wie kann man diesem gefährlichen Szenario als Immobilieneigentümer begegnen? Eine Restschuld von knapp 200.000 Euro muss auch bei gestiegenen Zinsen nicht zu einer finanziellen Überforderung führen. Denn immerhin wurden schon rund 100.000 Euro des Kredits getilgt, wie das erste und zweite Beispiel der Tabelle zeigen. Wer einen Tilgungsrechner bemüht, wird feststellen, dass in dem ersten und zweiten Beispiel (siehe Grafik) auch bei einem angenommenen Zins von vier Prozent die monatliche Belastung auf dem aktuellen Niveau gehalten werden kann.

Tilgungssatz muss reduziert werden

Rund 200.000 Euro Restschuld führen bei einem Zinssatz von vier Prozent für zehn Jahre zu einer Monatsrate von 1333 Euro, also etwa so viel wie im ersten Beispiel die bisherigen Belastung. Allerdings muss dafür der bereits erreichte Tilgungssatz reduziert werden – von rund sechs auf vier Prozent. Die Folge ist, dass nach weiteren zehn Jahren noch immer 102.000 Euro Restschuld auf dem Kreditkonto stehen.

Ein Annuitätendarlehen, wie es in der Regel bei der Baufinanzierung verwendet wird, zeichnet sich durch konstante Rückzahlungsbeträge aus. Aber der Anteil von Zins und Tilgung verändert sich, weil die Zinsen auf eine immer geringer werdende Restschuld fällig werden. Im Gegenzug erhöht sich der Tilgungsanteil. Von anfäng­lichen drei Prozent erreicht er nach zehn Jahren rund sechs Prozent.

Immobilienbesitzer sollten Zinsentwicklung verfolgen

Die Experten von Scoperty haben mit diesen erreichten Tilgungsraten weitergerechnet. So kommt es zu der höheren
monatlichen Belastung. Das ist bei Anschlussfinanzierungen durchaus normal. „Wenn Sie bei der Anschlussfinanzierung ein Angebot von ihrer Bank bekommen, dann rechnet sie auch mit der inzwischen erreichten Tilgungsrate weiter“, sagt dazu Dirk Scobel, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. „Aber die meisten Banken ermöglichen ihren Kunden auch eine Reduzierung der Tilgung.“ Sollte es also eng werden mit der Belastung durch die Anschlussfinanzierung, kann die erreichte Tilgung wieder reduziert werden.

Immobilienbesitzer, deren Kredit erst in einigen Jahren ausläuft, sollten zumindest die Zinsentwicklung verfolgen. Von der gerade erfolgten Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) geht für Immobilienbesitzer eher keine Gefahr aus. „Einen Leitzins von einem Prozent bis Jahresende hat der Markt schon ein­gepreist“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Baugeldvermittlers Dr. Klein.

Geteilte Meinung zu Entwicklung der Zinsen

Daher seien die Baugeldzinsen zuletzt auch nicht weiter gestiegen. „Trotz aller Notwendigkeit, beherzt gegen die Inflation einzugreifen: EZB-Chefin Christine Lagarde hat nicht genügend Spielraum, die Zinsen massiv anzuheben. Deshalb rechne ich mit einer Seitwärtsbewegung der Bauzinsen“, so Neumann.

Andere Experten sehen die Baugeldzinsen doch noch auf rund vier Prozent steigen. „Wir gehen bis zum Jahresende von einem moderaten weiteren Anstieg aus, nachdem die Zeichen für eine straffere Geldpolitik gesetzt sind. Wir erwarten bis zum Jahresende ein Zinsniveau von etwa 3,5 bis vier Prozent für zehnjährige Darlehen“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Baugeldvermittlers Interhyp.

Forward-Darlehen kann Sicherheit bieten

Wer den Zinsspekulationen entgehen will, kann sich mit einem Forward-Darlehen bei einer bereits bestehenden Finanzierung die aktuellen Zinsen bis zu fünf Jahre im Voraus sichern. Die Bank berechnet dafür einen kleinen Zinsaufschlag. Das Abendblatt hat berechnet, wie sich ein solches Forward-Darlehen auf die Beispielrechnungen von Scoperty auswirken würden (siehe Tabelle). Bei der bereits 2013 erworbenen Immobilie bleibt die Mehrbelastung mit 95 Euro im Monat überschaubar. Im Fall der 2014 erworbenen Wohnung ist die Mehrbelastung mit gut 300 Euro im Monat schon deutlich höher. Das liegt bei kaum höherer Restschuld an der längeren Vorlaufzeit bis zur Kreditverlängerung und der längeren Zinsbindung von 15 Jahren statt nur zehn Jahren.

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Danach ist der Immobilienbesitzer aber auch schuldenfrei. Die Belastung ist etwa so hoch, wie sie von Scoperty berechnet wurde, nur dass es sich bei einem Forward-Darlehen um einen gesicherten Zinssatz handelt und Scoperty mit einem angenommenen Wert von 3,30 Prozent rechnete. Bei der erst 2019 erworbenen Immobilie rächt sich, dass die Zinsbindung nur für fünf Jahre vereinbart wurde. Hohe Restschuld trifft auf höhere Zinsen und würde mit einem Forward-Darlehen zu einer monatlichen Mehrbelastung von rund 860 Euro führen. Die Alternative ist hier, die Tilgung wieder zu reduzieren oder je nach persönlicher Situation ist auch ein Verkauf denkbar. Immerhin beträgt der Wertzuwachs rund 175.000 Euro in nur rund drei Jahren.

Immobilien Hamburg: Forward-Darlehen ist eine Zinswette

Ein Forward-Darlehen ist eine Art Zinswette. Denn das Darlehen muss zu den vereinbarten Konditionen abgenommen werden, auch wenn die Zinsen am Markt wieder niedriger sein sollten. „Eine Vorlaufzeit von einem Jahr halte ich für überschaubar, aber längere Zeiträume sind problematisch“, sagt Verbraucherschützer Scobel. „Da kann viel passieren – bei der Zinsentwicklung wie auch im privaten Bereich.“ In jedem Fall sollte man aber die Anschlussfinanzierung nicht aus dem Blick verlieren. Wer nicht einmal den Zeitpunkt kennt, hat jedenfalls von vornherein schlechte Karten.