Hamburg. Angesichts der Pandemie bringen Assekuranzen Zusatztarife auf den Markt – auch HanseMerkur aus Hamburg. Was davon zu halten ist.
Die Versicherungsbranche ist dafür bekannt, in Wirtschaftskrisen vergleichsweise glimpflich davonzukommen. Das dürfte auch diesmal so sein, zumal bei den Produkten für Firmenkunden die Risiken einer Pandemie sehr häufig ausgeschlossen sind.
Für Privatkunden der Assekuranzen sind Auswirkungen der Coronavirus-Infektionswelle vor allem im Hinblick auf Reise- und Auslandskrankenversicherungen relevant. Hier hat die Pandemie zu bisher praktisch unbekannten Fallkonstellationen geführt. Zudem haben verschiedene Anbieter, darunter die HanseMerkur, kürzlich einen Corona-Zusatzschutz zu ihren Reiseversicherungen auf den Markt gebracht. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Komplex:
Was ist neu bei Reiseversicherungen?
Gerade im Touristiksektor hat die Pandemie zu massiven Geschäftseinbrüchen geführt. Um ihren Gästen wenigstens einen Teil der Unsicherheit zu ersparen, bietet die Lufthansa schon seit Ende Juni in den meisten Buchungsklassen eine im Ticketpreis enthaltene Versicherung an, die unter anderem die Kosten für eine Quarantäne am Zielort und für den Rücktransport mit einem speziell ausgerüsteten Flugzeug übernimmt. Der Hamburger Versicherer HanseMerkur hat ein ähnliches Produkt für die Lufthansa-Billigtochter Eurowings entwickelt und zudem – nach eigenen Angaben als eines der ersten Unternehmen der Branche – einen Corona-Zusatzschutz für seine Reiseversicherungen auf den Markt gebracht. Für einen Reisepreis von zum Beispiel 1000 Euro kostet allein die Ergänzung 22 Euro.
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„Ein solcher Zusatzschutz kann natürlich als Leistungsausweitung angesehen werden“, sagt Claudia Frenz vom Bund der Versicherten (BdV): „Allerdings verlangen die uns bekannten Anbieter aktuell erhebliche Zusatzprämien für erweiterte Leistungen.“ Somit müsse individuell genau geprüft werden, ob ein Abschluss empfehlenswert sei. Zwar verlangt etwa Ergo für seine „Ergänzungsversicherung Covid-19“ nur 4 Euro. Doch zwischen den Zusatztarifen der einzelnen Anbieter gebe es „gravierende Unterschiede in den Konditionen“, sagt Sandra Klug, Abteilungsleiterin Geldanlage/Altersvorsorge/ Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „So ist beim Ergo-Angebot eine Quarantäne am Urlaubsort, die Zusatzkosten für das Hotelzimmer und einen anderen als den geplanten Rückflug verursacht, nicht abgedeckt.“
Wer zahlt, wenn man wegen Fiebers die Reise nicht antreten kann?
Dies ist wohl die Horrorvorstellung vieler Touristen: Bei einer Temperaturkontrolle unmittelbar vor der Abreise, zum Beispiel an einem Kreuzfahrtterminal, wird Fieber festgestellt, der Urlaub fällt ins Wasser. Gibt es dann eine Entschädigung etwa für gebuchte Zusatzleistungen? „Es ist nicht immer eindeutig, ob die Vertragsbedingungen einer Reiserücktrittsversicherung schon den Verdacht auf eine Corona-Erkrankung einschließen oder ob eine gesicherte Diagnose vorliegen muss“, so Klug.
Im Zusatzschutz der HanseMerkur etwa ist die „Verweigerung der Beförderung“ nach einer Temperaturmessung aber ausdrücklich mit abgedeckt. Nach Auffassung von BdV-Expertin Frenz müsste jedoch auch die reguläre Reiserücktrittsversicherung zahlen, denn das plötzliche Auftreten von Fieber könne als „unerwartete und schwere Erkrankung“ angesehen werden, ein Versicherungsfall liege somit vor. Eines aber ist eindeutig: Es gibt keine Entschädigung, wenn jemand die Reise nicht antritt, weil ihm das subjektiv nicht mehr sicher erscheint. „Die Angst vor Corona ist nicht versichert“, sagt Klug.
Ist eine Reiseversicherung grundsätzlich sinnvoll?
Eine Reiseabbruchkostenversicherung könne lohnend sein, „wenn es sich um einen sehr teuren Urlaub handelt“, erklärt Verbraucherschützerin Klug. Ganz ähnlich sieht das Claudia Frenz. „Allein die Pandemie oder die jetzt am Markt erscheinenden Deckungserweiterungen ändern nichts an der grundsätzlichen Einschätzung, dass eine Reiserücktritts- beziehungsweise Abbruchversicherung selten empfehlenswert ist und nur bei äußerst teuren oder langen Reisen in Betracht gezogen werden sollte.“
Bei welchen Privatversicherungen gibt es Pandemie-Ausschlüsse?
Unter den Auslandsreisekrankenversicherungen gebe es manche, die Leistungen im Rahmen von Pandemien ausdrücklich ausschließen, so Frenz. „Beim überwiegenden Teil der Tarife dürfte aber gezahlt werden“, sagt Klug. Bei anderen für Privatpersonen relevanten Assekuranzprodukten wie Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen sind ihr keine Corona-Ausschlüsse bekannt.
Was ist bei Auslandskrankenversicherungen zu beachten?
Eine Auslandsreisekrankenversicherung sei – ganz unabhängig von der aktuellen Pandemie – ein „sehr sinnvoller und wichtiger“ Schutz für alle, die ins Ausland reisen, urteilt Frenz. Die Versicherung übernehme die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht gedeckten Kosten für eine Heilbehandlung, wenn man außerhalb Deutschlands krank werde.
Auch hier gebe es Unterschiede in den Konditionen, die im Einzelfall entscheidend werden könnten, so die Expertin: „Häufig ist nur der medizinisch notwendige Rücktransport in die Heimat abgesichert, in besseren Tarifen leistet der Versicherer dagegen auch bei medizinisch sinnvollen Rücktransporten.“ Sollte jemand aber trotz einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes noch eine Reise angetreten haben, gibt es im Fall einer Erkrankung kein Geld.
Was ist von Gratisversicherungen mancher Urlaubsländer zu halten?
Seit Anfang August versichern die Kanarischen Inseln über den Axa-Konzern alle Besucher gegen zusätzliche Kosten durch eine Corona-Infektion während des Urlaubs – einschließlich der Quarantäne-Unterkunft. Auch die Dominikanische Republik will mit einer von dem Karibikstaat bezahlten Reiseversicherung den Fremdenverkehr wieder ankurbeln. Verbraucherschützerin Klug ist jedoch skeptisch: „Ich weiß nicht, wie sehr man sich darauf verlassen sollte, dass eine Reiseversicherung, wie sie manche Urlaubsländer pauschal anbieten, im konkreten Fall wirklich zahlt.“
Gibt es Versicherungen, die man wegen der Pandemie nun abschließen sollte?
„Aus unserer Sicht besteht aufgrund der Corona-Pandemie kein gesteigerter Bedarf für den Abschluss bestimmter privater Versicherungsverträge“, sagt Frenz. Grundsätzlich sollten, unabhängig von Pandemien, existenzielle Risiken abgesichert sein. Dazu zähle etwa die Risikolebensversicherung, wenn man Angehörige im Falle des eigenen Todes finanziell absichern wolle oder wenn eine Hypothek bedient werden müsse. „Zu den weiteren wichtigen Versicherungen gehören die Berufsunfähigkeitsversicherung sowie die Privathaftpflichtversicherung“, so Frenz.