Hamburg. Wie Experten den Abbruch der Gespräche von Deutscher und Commerzbank beurteilen – und wie sie die Rolle des Finanzministers sehen.

Auch Hamburger Experten haben die Absage der Großbankenfusion einhellig positiv aufgenommen. „Ich begrüße es, dass der Zusammenschluss nicht zustande kommt“, sagte Friedhelm Steinberg, Präsident der Börse Hamburg: „Für die Kunden ist es besser, wenn es zwei große Banken in Deutschland gibt – schon allein wegen der Folgen für die Filialnetze.“

Die Umsetzung der Fusion hätte aber auch so viele Kräfte gebunden, „dass sich beide Banken für mehrere Jahre praktisch vom Markt verabschiedet hätten“, so Steinberg: „Man sieht ja, dass die Deutsche Bank immer noch mit der Integration der Postbank beschäftigt ist. Ein Zusammengehen mit der Commerzbank hätte wieder neue Führungs- und IT-Probleme gebracht.“

Druck vonseiten der Politik

Steinberg ging auch auf den Druck vonseiten der Politik auf die beiden Geldhäuser ein: „Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat gesehen, dass der Finanzplatz Deutschland im Weltmaßstab an Bedeutung verliert, und hat sich vor diesem Hintergrund für eine gestärkte deutsche Großbank eingesetzt. Insofern sind seine Bemühungen nun gescheitert, was man als eine kleine Niederlage für ihn werten kann.“

Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), findet die Absage des Zusammenschlusses nicht überraschend: „Immer wenn zwei Unternehmen, die beide nicht besonders gut aufgestellt sind, über eine Fusion nachdenken, steht der Gedanke im Hintergrund, dass sich schon durch die Größe die Probleme lösen lassen könnten. Doch solche Erwartungen werden fast regelmäßig enttäuscht. Tatsache ist, dass ein Zusammenschluss zweier Großbanken eine extrem schwere Mammutaufgabe darstellt, die auch erst einmal immense Kosten verursacht.“

Intensiver Wettbewerb

Zwar machten es die zahlreichen Sparkassen und Volksbanken für die deutschen Großbanken durch den intensiven Wettbewerb sehr schwer, über das Einlagen- und Kreditgeschäft eine international wettbewerbsfähige Rendite zu erwirtschaften. „Aber niemand braucht eine unter Zwang fusionierte deutsche Großbank“, so Vöpel.

Mit Zusammenschlüssen, die von der Politik angeregt wurden, habe man in dieser Branche keine guten Erfahrungen gemacht, wie schon das Beispiel der damaligen HSH Nordbank zeige. „Solche Fusionen verstärken die Verquickung zwischen Politik und Wirtschaft, außerdem erhöhen sie das systemische Risiko.“

Viele Stellen wären weggefallen

Für Vöpel ist klar: „Die Deutsche Bank, die schon seit 20 Jahren immer wieder ihre strategische Ausrichtung geändert hat, ist jetzt nach der Absage des Zusammenschlusses in einer weit misslicheren Lage als die Commerzbank.“ Auch Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, wertete die Nachricht positiv: „Ohne die internen Gründe für das Scheitern der Fusion beurteilen zu können, ist dies für mich ein klares Zeichen dafür, dass der scheinbare Zwang zur Größe ein Irrweg ist. Regionale Sparkassen und Volksbanken passen einfach besser zu unserer erfolgreichen dezentralen und vernetzten Wirtschaftsstruktur in Deutschland“, sagte Brüggestrat.

HWWI-Chef Henning Vöpel
HWWI-Chef Henning Vöpel © HA | Marcelo Hernandez

Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann zeigte sich ebenfalls erleichtert: „Die Risiken eines Zusammenschlusses wären für beide Banken sehr groß gewesen – und für den Staat auch.“ Nach Einschätzung von Hansmann sind sich die Geschäftsmodelle beider Konzerne zu ähnlich, als dass eine Fusion sinnvoll gewesen wäre. Eine erhebliche Zahl nahe beieinander liegender Filialen wäre geschlossen worden, viele Stellen wären dadurch weggefallen: „Wenn nun eine Großbank aus dem europäischen Ausland als Käufer aufträte, würde in dieser Hinsicht zunächst nicht viel geschehen.“