Hamburg. Die Hamburger Sparkasse betreibt in Lohbrügge eine Filiale, die von Berufsanfängern geführt wird – bei den Kunden kommt das gut an.

Schon der Hinweis neben dem Eingang zeigt es: Dies ist keine gewöhnliche Geschäftsstelle der Hamburger Sparkasse, sondern die „Azubi Filiale“. Bis zu sechs angehende Bankkaufleute sind hier eingesetzt. In anderen Zweigstellen gibt es höchstens zwei Auszubildende, und dort sind ihre Aufgaben meist auf Serviceleistungen wie etwa die Kontoeröffnung beschränkt.

„Hier dürfen die Azubis viel mehr – im Idealfall leiten sie die Filiale sogar“, sagt Maik Trappmann-Büchler, der „reguläre“ Leiter der Geschäftsstelle am Binnenfeldredder in Lohbrügge. Er beschränkt sich dann auf die Rolle des Beobachters.

Die Auszubildenden übernehmen alle Aufgaben

In der Azubi-Filiale übernehmen die Nachwuchskräfte alle Aufgaben, als wären sie bereits gestandene Haspa-Mitarbeiter. Sie sind Mitglieder des Service- und Kassenteams, sie beraten Kunden weitgehend selbstständig, und sie planen den Personaleinsatz.

„Man wird ins kalte Wasser geworfen“, sagt Katja Kuhnert, die aktuell die Filialleitung hat: „Es ist aber cool, sich hier ausprobieren zu dürfen. Das geht so weit, dass wir andere Azubis mit bewerten.“ Im Rahmen ihrer Ausbildung, die durch ein duales Studium begleitet wird, verbrachte Kuhnert schon zuvor einmal mehrere Wochen in der Azubi-Filiale, kehrte dann aber noch einmal dorthin zurück: „Ich fühle mich richtig, richtig wohl hier.“

Die Azubi-Filiale gibt es seit vier Jahren

Seit vier Jahren gibt es diese Ausbildungsstätte, seitdem waren rund 200 Azubis dort – jeweils für einen Zeitraum zwischen zwei Wochen und etwa drei Monaten, wobei man die Mindestzeit wegen der Corona-Pandemie deutlich nach oben gesetzt hat.

„Jeder hat die Chance, zeitweise hier eingesetzt zu werden“, erklärt Trappmann-Büchler. Man müsse sich dafür bewerben. „Nicht alle wollen das, weil das für sie häufig mit einem deutlich längeren Arbeitsweg verbunden ist. Aber wir hatten auch schon Azubis aus Quickborn hier“, so Trappmann-Büchler.

Regulärer Filialleiter hält das Modell für erfolgreich

Entstanden ist das Modell aufgrund einer Anregung von Auszubildenden im Zuge des Projekts „Azubis beraten den Vorstand“ – ebenso wie zum Beispiel auch der Abschied von der Krawatte als bis dahin unverzichtbarer Teil der Arbeitskleidung männlicher Haspa-Angestellter. Ausgangspunkt war die Überlegung, wie es gelingen kann, schon während der Lehrzeit mehr Verantwortung übertragen zu bekommen, um so besser auf das Arbeitsleben vorbereitet zu sein.

Aus Sicht von Trappmann-Büchler, der damals vom Vorstand gefragt wurde, ob er die Zuständigkeit für die spezielle Ausbildungsstätte übernehmen wolle, ist das Modell ein Erfolg: „Man kann das hier als eine kleine Talentschmiede sehen. Diejenigen Azubis, die mit den besten Noten abgeschnitten haben, waren fast alle hier bei uns.“

Haspa hat derzeit rund 200 Auszubildende

Nach den Beobachtungen der stellvertretenden Filialleiterin Kristina Buschka hilft die Azubi-Filiale zudem bei der Nachwuchswerbung. Denn manche der aktuell etwa 200 Auszubildenden der Haspa hätten sich ohne dieses Modell vielleicht nicht bei der Sparkasse beworben: „Ich wohne hier im Umfeld und habe schon über meine Kinder gute Kontakte zu den örtlichen Schulen“, so Buschka: „Manche Schüler haben sich gerade wegen der Azubi-Filiale für eine Ausbildung bei der Haspa entschieden.“

Bei einer Recherche ist Kristina Buschka nicht auf allzu viele vergleichbare Konzepte bei anderen Unternehmen gestoßen. Ähnliches habe es bei Aldi und bei der Buchhandelskette Thalia gegeben, zeitweise auch bei der Sparkasse KölnBonn, neben der Haspa eine der größten Sparkassen in Deutschland.

Kunden sollen mit der Azubi-Filiale sehr zufrieden sein

Trappmann-Büchler weist darauf hin, dass es natürlich nicht ohne die Akzeptanz bei den Kunden geht, denn die Geschäftsstelle müsse ja auch wirtschaftlich tragfähig sein. Hier gebe es kein Problem: „Aus Filialbewertungen durch unsere Kunden ergibt sich, dass sie mit dieser Zweigstelle sehr zufrieden sind. Tatsächlich gehören unsere Beurteilungen zu den besten.“

Gerade auch die älteren Kundinnen und Kunden fänden es gut, dass sie von jungen Menschen im Service bedient oder beraten werden – und wenn es etwa um die Unterstützung beim Online-Banking angehe, seien Azubis meist ohnehin geschickter: „Die jungen Menschen sind am Computer unfassbar schnell – da kann ich mich nur wundern.“ Bisher habe es jedenfalls „nur eine Handvoll“ Kunden gegeben, die lieber mit „festen“ Beratern sprechen wollten, sagt Trappmann-Büchler.

Bei Krediten und Wertpapierberatung helfen die erfahrenen Kräfte

Dabei gebe es beim Einsatz der Auszubildenden nur wenige Einschränkungen: „Kreditzusagen dürfen von Azubis nicht allein vorgenommen werden. Auch bei der Wertpapierberatung müssen wir wegen gesetzlicher Bestimmungen dabei sein. Im Normalfall hören wir aber nur zu und müssen nicht groß unterstützen.“

Zwar ist die Zweigstelle am Binnenfeldredder bisher nicht auf das neue „Nachbarschaftskonzept“ umgestaltet worden und wegen der räumlichen Gegebenheiten ist auch nicht geplant, das zu tun. Unmittelbar im Bestand gefährdet sei sie deshalb aber nicht, sagt Trappmann-Büchler: „Die nächsten Jahre soll diese Filiale auf jeden Fall an diesem Ort bestehen bleiben.“

Azubi-Filiale: Lange Anfahrtszeiten zählen zur Arbeitszeit

Zwar könne es für die Zukunft sinnvoll sein, „eine etwas zentrumsnähere Azubi-Filiale zu haben“, räumt Trappmann-Büchler ein. Allerdings gebe es für die längere Anfahrtszeit auch einen Ausgleich: „Alles, was beim Arbeitsweg über eine halbe Stunde hinausgeht, zählt als Arbeitszeit.“

Katja Kuhnert hat die etwas aufwendigere Anreise offenbar nicht gestört. Sie kann die Erfahrungen aus der Azubi-Filiale gut nutzen, denn nach Abschluss der Ausbildung möchte sie ein Nachwuchsprogramm für Leitungsfunktionen der Haspa entwickeln.