Hamburg. Aral und Siemens haben an Tankstellen in Hamburg modernste Technik installiert. Doch es gibt noch Tücken.
Die Tankstellenmarke Aral gilt – neben Shell – als die mit den höchsten Preisen auf dem deutschen Markt. Jetzt setzt sie sich noch in einer anderen Hinsicht an die Spitze: Zunächst 30 Aral-Stationen bundesweit werden derzeit gerade mit Ultra-Schnellladesäulen für Elektroautos ausgerüstet.
In Hamburg sind die Ladepunkte mit einer Leistung von 350 Kilowatt (kW), die ein Fahrzeug mit 350 Kilometer Reichweite in nur zehn Minuten vollständig aufladen können, bereits an zwei Tankstellen, in Allermöhe und in Rothenburgsort, verfügbar.
Ein Hamburger Team des Elektrotechnikkonzerns Siemens spielt bei der Ausstattung der 30 Aral-Tankstellen mit den Stromzapfpunkten eine wichtige Rolle. „Sie gehören zu den leistungsfähigsten der aktuell für Autos verfügbaren Ladesäulen“, sagt Axel Mohr, Verkaufsleiter für Netzinfrastruktur. „Bei einer so hohen Ladeleistung kann der Strombedarf nicht aus dem normalen Niederspannungsnetz gedeckt werden.“ Das wird an einem Vergleich mit den Abnehmern in einem normalen Haushalt deutlich: Hier ist das mit Abstand leistungshungrigste Gerät der Elektroherd, der in der Regel nicht mehr als etwa zehn kW Anschlussleistung hat.
Siemens rüstet die Tankstellen mit einem Mittelspannungsanschluss aus
Daher rüstet Siemens die Tankstellen mit einem Mittelspannungsanschluss aus. Dazu ist eine Art Mini-Umspannwerk in einem kleinen Betonhäuschen erforderlich, hinzu kommt die Verkabelung der Tankstelle. Aral-Sprecher Detlef Brandenburg erklärt, warum das Unternehmen diesen hohen Aufwand treibt: „Wir wollen der führende Anbieter von ultraschnellem Laden an Tankstellen sein.“ Außerdem mache es wenig Sinn, in eine Technik zu investieren, die in zwei bis vier Jahren schon überholt sein könnte.
Unter den Wettbewerbern hat Total im vorigen Jahr angekündigt, bis Ende 2022 an knapp 70 Standorten in Deutschland Säulen mit einer Leistung von bis zu 175 kW zu installieren. Shell will bis 2030 schon 1000 Tankstellen ausgestattet haben, derzeit sind es erst weniger als 100. Errichtet werden nach Angaben des Unternehmens Säulen mit Leistungen „von 150 kW und mehr“, mit denen sich 100 Kilometer Reichweite in sechs bis acht Minuten aufladen lasse.
Tatsächlich ist in Deutschland noch gar kein E-Auto auf dem Markt, das die bei Aral gebotene Ladeleistung von 350 kW aufnehmen kann. Die Spitze bildet aktuell der mehr als 83.000 Euro teure Porsche Taycan: Er kann mit bis zu 270 kW geladen werden. Das gestattet laut Porsche „unter optimalen Bedingungen“ die Zuladung von 100 Kilometer Reichweite in lediglich fünf Minuten. Zum Vergleich: Der Volkswagen ID.3 erlaubt bis zu 100 kW Ladeleistung, beim Renault Zoe sind es nach Firmenangaben 50 kW.
Derzeit müssen die E-Auto-Fahrer noch die Kreditkartennummer eingeben
Doch das wird sich nach Einschätzung von Aral-Sprecher Brandenburg bei neuen Modellen in den nächsten Jahren ändern: „Fahrer eines E-Autos erwarten, dass sie für das Laden künftig nicht mehr Zeit benötigen, als bisher ein klassischer Tankvorgang dauert, also sechs bis zehn Minuten einschließlich der Wartezeit und dem Bezahlen.“
Offensichtlich ist man bei Aral überzeugt davon, dass sich diese Erwartung in den nächsten Jahren auch erfüllen lässt, denn die Ultra-Schnellladepunkte sollen in der Regel nicht irgendwo am Rand des Tankstellengeländes ihren Platz finden, sondern wie die bisherigen Zapfsäulen unter dem Dach der Station. Zum Bezahlen geht man aber nicht an die Kasse. Stattdessen scannt der Nutzer mit seinem Smartphone den sogenannten QR-Code an der Ladesäule.
Lesen Sie auch
- Regierung macht Tempo bei Schnellladenetz für E-Autos
- Umweltprämie: Händler bieten hohe Rabatte für Elektro-Autos
Derzeit müssen die E-Auto-Fahrer noch die Kreditkartennummer eingeben, in den nächsten Wochen will Aral aber auch eine Bezahlung über ein Konto bei dem Onlinezahlungsdienstleister PayPal ermöglichen, und im zweiten Quartal sollen Kreditkartenterminals direkt an den Ladesäulen eingerichtet werden.
Wie schon bei den fossilen Treibstoffen positioniert sich Aral auch beim Ladestrom – es handelt sich den Angaben zufolge um 100 Prozent Ökostrom –eher in den oberen Regionen der Preisskala. Nach eigenen Angaben kostet eine Kilowattstunde (kWh) 69 Cent, während etwa der Energieversorger EnBW, mit dessen App an mehr als 100.000 Ladepunkten in Europa Strom getankt werden kann, fürs Schnellladen 49 Cent je kWh verlangt.
Finanzminister Scholz droht sogar mit Ladesäulen-Pflicht
Offenbar wird die neue ultraschnelle Stromtankstelle von Aral in Allermöhe aber schon relativ rege genutzt. Als künftige Nutzer hat man unter anderem Außendienstler, die darauf angewiesen sind, möglichst schnell zu laden, im Auge. Zudem gebe es gerade in einer Großstadt wie Hamburg zahlreiche „Laternenparker“, die ein E-Auto nicht über Nacht an einen eigenen Ladepunkt anschließen könnten und es auch nicht stundenlang an eine öffentliche Ladesäule stellen wollten, sagt Brandenburg.
Schon bald dürfte Aral eine Ausweitung des Ausbauprogramms ankündigen – und Siemens hofft, wieder als Partner dabei zu sein. „Natürlich würden wir uns freuen, wenn wir auch weitere Aral-Tankstellen ausstatten könnten – nicht nur in Deutschland übrigens“, so Mohr. Im Hinblick auf Ladeinfrastrukturen hatte der Konzern in den vergangenen Jahren schon mit ganz anderen Leistungsklassen zu tun: Die Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe in Altona schafft etwa elf Megawatt.
Die Ladestationen für Batteriebusse des HVV am ZOB und in Alsterdorf stammen ebenfalls von Siemens. Aber auch aus der Sicht des Münchner Konzerns wird die Stromversorgungstechnik privater Elektroautos zu einem kommerziell immer interessanteren Geschäft. „Nach den Schiffen und den Bussen geht es jetzt vermehrt um Ladeinfrastruktur für die individuelle Elektromobilität“, sagt Mohr: „Das entwickelt sich gerade zu einem stark wachsenden Markt.“
Tankstellen werden wohl in den nächsten Jahren ein interessantes Betätigungsfeld bleiben
Man sei darüber bereits in Gesprächen mit mehreren weiteren Unternehmen. Potenzielle Kunden müssten dann die eigentlichen Ladesäulen nicht mehr von Drittanbietern zukaufen: „Mittlerweile bieten wir nicht nur die für das Ultraschnellladen notwendige intelligente Netzanschlusstechnik an, sondern haben auch eigene Ultraschnellladesäulen in unserem Portfolio.“
Tankstellen werden wohl in den nächsten Jahren ein interessantes Betätigungsfeld bleiben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) drohte kürzlich sogar damit, Tankstellenbetreiber zum Bau von Schnellladesäulen zu verpflichten, wenn sie das nicht von selbst tun sollten.