Hamburg. Bundesregierung ruft zweite Gas-Alarmstufe aus. Industrieverbands-Chef warnt vor den Folgen einer Drosselung für Hamburg.

Gas ist nach Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) „von nun an ein knappes Gut in Deutschland“. Am Donnerstagvormittag hat der Grünen-Politiker die zweite Alarmstufe des Notfallplans ausgerufen. „Auch wenn aktuell noch Gasmengen am Markt beschafft werden können und noch eingespeichert wird: Die Lage ist ernst, und der Winter wird kommen“, so Habeck.

Er mahnte Unternehmen und Verbraucher, Gas zu sparen.Nötig sei eine „nationale Kraftanstrengung“. Zurzeit sei die Versorgungssicherheit aber gewährleistet. Er rief unter anderem dazu auf, Heizungsanlagen warten zu lassen. Dadurch seien Einsparungen von 15 Prozent möglich.

Notfallplan Gas: Zweite Alarmstufe ausgerufen

Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger, hält die nun ausgerufene nächste Stufe zwar für „unumgänglich“, wie er sagte. Schließlich müsse alles getan werden „um möglichen Versorgungsengpässen im Winter vorzubeugen“. Allerdings warnte Boxberger zugleich vor möglichen Folgen, sollte weniger Gas bei Hamburger Industriebetrieben ankommen.

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Schon jetzt würden die Unternehmen alle technisch schnell umsetzbaren Möglichkeiten ausschöpfen, um Gas zu sparen. „Weitere maßgebliche Einsparungen wären nur erreichbar, wenn die Produktion gedrosselt würde. Dies hätte gravierende negative Folgen für Lieferketten und den gesamten Wirtschaftskreislauf.

Unterbrechung der Gasversorgung hätte "katastrophale Auswirkungen"

Eine Unterbrechung der Gasversorgung für unsere Unternehmen hätte katastrophale Auswirkungen auf die produzierende Industrie und würde Deutschland unweigerlich in die Rezession schicken“, so der IVH-Chef.

Für den Industrie- und Wirtschafsstandort Hamburg brauche es jetzt mehr denn je „eine Initiative für Versorgungssicherheit und der Überprüfung aller Standortkosten.“ Im IVH sind mehr als 270 Unternehmen organisiert.

Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger, warnte vor möglichen Folgen, sollte weniger Gas bei Hamburger Industriebetrieben ankommen. (Archivbild).
Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger, warnte vor möglichen Folgen, sollte weniger Gas bei Hamburger Industriebetrieben ankommen. (Archivbild). © Klaus Bodig / HA | Unbekannt

Bürgermeister Peter Tschentscher hält Maßnahme für richtig

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) äußerte sich am Donnerstag nur indirekt: „Der Erste Bürgermeister hat schon zu Beginn der Ukrainekrise auf die erheblichen Folgen verringerter Gaslieferungen für die Wirtschaft und das Leben in Deutschland hingewiesen“, teilte die stellvertretende Senatssprecherin Julia Offen auf Abendblatt-Anfrage mit. „Er hält es für richtig, dass die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um das Füllen der Gasspeicher bis zum Herbst sicherzustellen.“

Auch Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) äußerte sich am Donnerstag  zur zweite Alarmstufe, die Habeck ausgerufen hat. Diese sei "kein Grund zur Panik", schrieb Fegebank auf Twitter. "Aber ein richtiger Schritt, um für den Winter vorzusorgen. Wir müssen jetzt schon Gas und Energie sparen, bei rund 30 Grad draußen surreal – aber alternativlos!"

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Umweltsenator Jens Kerstan spricht von ernster Situation

Hamburgs Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne) betonte, dass die Versorgung derzeit noch gesichert sei, es aber künftig auch zu Gas-Rationierungen kommen könne. „Die heute ausgerufene Alarmstufe des Notfallplans Gas weist auf eine Störung der Gasversorgung hin. Die Versorgungssicherheit ist jedoch weiterhin gewährleistet, für Hamburg ändert sich akut erst einmal nichts“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Dennoch befinden wir uns in einer ernsten Situation. Wir müssen jetzt handeln, um einer drohenden Gasknappheit im Winter so gut es geht vorzubeugen.“

Der Senat arbeite „mit den Kolleginnen und Kollegen aus Bund und Länder konstruktiv und mit Hochdruck an entsprechenden Maßnahmen wie Gasauktionen, dem Hochfahren von Reservekohlekraftwerken und der finanziellen Unterstützung von Unternehmen der Gasversorgungskette“, so Kerstan. „Auch Rationierungen sind bei der nächsten Stufe des Notfallplans kein Tabu.“

Die Bundesregierung habe im sogenannten Notfallszenario weitreichende Befugnisse, die Gasmengen zu verteilen. „Die Situation bleibt nach wie vor sehr dynamisch und einfache Antworten gibt es leider nicht“, sagte der Grünen-Politiker. „Klar ist: Hier ist nicht nur die Politik gefragt – auch jede und jeder Einzelne kann und sollte einen eigenen Beitrag leisten. Jetzt im Sommer geht das zum Beispiel, indem man auf Vollbäder, langes heißes Duschen oder nächtliches Heizen verzichtet. Es muss auch nicht immer gleich der Einbau einer neuen Wärmepumpe sein, selbst ein hydraulischer Abgleich der bestehenden Heizung kann enorm helfen."

Gas: CDU fordert Notfallplan für Hamburg

CDU-Wirtschaftsexperte Götz Wiese forderte den Hamburger Senat zum Handeln auf: „Wir brauchen einen Notfallplan für Hamburgs Versorgung mit Energie“, sagte der Bürgerschaftsabgeordnete dem Abendblatt. „Jede Produktions- und Lieferunterbrechung bei der Industrie in Hamburg würde das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Hamburg massiv beschädigen. Der Senat muss den Notfallplan daher umgehend liefern und mit den Kammern, Verbänden und Unternehmen abstimmen.“

Das müsse auch für Übergangslösungen wie Kohle und Flüssiggas (LNG) gelten, so Wiese: „Beim Thema LNG haben sich Umwelt- und Wirtschaftssenator völlig verhakt. Dadurch wird das Risiko einer Versorgungslücke noch vergrößert.“ Auf Antrag der CDU-Fraktion werde sich die Bürgerschaft kommende Woche mit der Energieversorgung befassen.