Hamburg. Bürgermeister Tschentscher will Schleswig-Holstein um Hilfe bitten. Unterwasserdeponie des Bundes soll Sedimente aufnehmen.
Endlich ist es so weit. Noch in der ersten Jahreshälfte 2021 sollen die Baggerarbeiten zur Elbvertiefung abgeschlossen und der Schifffahrt die verbesserten Tiefgänge zur Verfügung gestellt werden. So steht es in einem Fortschrittsbericht, den die zuständige Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) den Bundesbehörden vor wenigen Tagen übermittelte.
Im Hamburger Hafen, der derzeit den Anschluss an andere Häfen zu verlieren droht, sollte diese Nachricht für Jubelstürme sorgen. Doch findet sich in dem Bericht, der dem Abendblatt vorliegt, ein Punkt, der das Ganze schon wieder infrage stellt – und das ist der Schlick.
Elbvertiefung: Schlickmassen könnten zu Problem werden
Schon vor Jahren hat er Hamburgs Hafen an den Rand einer Krise gebracht, weil wegen fehlenden Tiefgangs mehrere Schiffe ihre Liegeplätze an den Kais nicht mehr anfahren konnten. Damals baggerte die HPA die Moddermassen mit Hochdruck aus, um das Problem zu lösen. Doch jetzt ist es wieder da. In größeren Massen als je zuvor.
So heißt es in dem Fortschrittsbericht zur Elbvertiefung einschränkend: „Aus der kontinuierlich starken Neusedimentation im Hamburger Hafen und der daher angespannten Lage für die Wassertiefeninstandhaltung ergeben sich für eine nachhaltig wirksame Verkehrsfreigabe der neuen Solltiefen nach Abschluss der Ausbaubaggerungen erhebliche Risiken.“
Anders gesagt: Fehlen in absehbarer Zeit Möglichkeiten, den Schlick wieder loszuwerden, besteht die Gefahr, dass die im Sommer aufgehobenen Tiefgangbeschränkungen bald wieder gelten.
Hamburg will mehr Sedimente in Schleswig-Holstein verklappen
Offiziell spielt die HPA die Gefahr herunter. So antwortete die Behörde auf Anfrage des Abendblatts: „Nach Abschluss der Baggerarbeiten werden die verbesserten Sollwassertiefen in jedem Fall für die Schifffahrt freigegeben. Das Oberhafenamt der HPA und die nautischen Dienststellen arbeiten derzeit die diesbezüglichen Details aus.“
Gleichzeitig räumt die Behörde aber ein, dass sie „mit Hochdruck“ damit beschäftigt ist, neue Möglichkeiten zur Verklappung von Hafenschlick zu finden. Das Problem ist so drängend, dass Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) seinen Amtskollegen, Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU), während eines Spitzengesprächs in der kommenden Woche um Hilfe bitten will.
Hamburg muss große Mengen Schlick loswerden
Günther hat die Hoheit über die Verklappungsstelle beim Seezeichen Tonne E3 auf schleswig-holsteinischem Gebiet in der Nordsee. Hamburg darf dort laut eines Vertrages jährlich 1,5 Millionen Tonnen Baggergut verklappen. Insgesamt sind es fünf Millionen Tonnen.
Doch Hamburg muss dringend größere Mengen loswerden. Bisher sperrt sich der nördliche Nachbar, weil die ökologischen Folgen nicht feststehen. Wie die HPA einräumte, gibt es bisher keine seriöse Prognose zu möglichen Auswirkungen. Die Verklappung zusätzlicher Mengen ist notwendig, weil die Schlickablagerungen im Hafen täglich wachsen.
Das liegt daran, dass die ausgebaggerten Sedimente vom Hauptablagerungsplatz an der Hamburger Landesgrenze bei Neßsand innerhalb weniger Wochen wieder zurückgeschwemmt werden. Grund ist, dass der Flutstrom oberhalb von Brunsbüttel stärker ist als der Ebbstrom. Hinzu kommt, dass möglicherweise infolge des Klimawandels immer weniger Wasser die Elbe hinunterfließt.
Bedenken gegen Schlickdeponie bei Scharhörn
Die Not, einen neuen Abladeplatz für den Schlick zu finden, ist offenbar so groß, dass Hamburg jetzt auch auf eine andere Unterwasserdeponie zurückgreifen möchte – und zwar eine, die dem Bund gehört. Da die Elbe eine Bundeswasserstraße ist und nur ein geringer Teil auf Hamburger Gebiet entfällt, ist vor allem die Wasserstraßenverwaltung des Bundes für die Tiefgänge verantwortlich. Sie deponiert ihren Schlick in der Elbmündung beim Neuen Lüchtergrund.
Derzeit prüft die Bundesanstalt für Gewässerkunde, ob auch Hamburg dort anteilig etwa 0,6 Millionen Tonnen Hafenschlick pro Jahr unterbringen darf. „Die HPA steht hierzu im Kontakt mit dem Bund und den Ländern. Über eine Verbringung kann jedoch erst nach Vorliegen der Auswirkungsprognose entschieden werden“, sagte eine Sprecherin.
Nicht zuletzt will Hamburg auch noch auf eigenem Grund in der Außenelbe bei der Insel Scharhörn Schlick abladen. Da die Stelle nahe des Nationalparks Wattenmeer liegt, haben Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhebliche Bedenken. Darum untersucht Hamburg etwaige Auswirkungen.
„Die fachlichen Unterlagen werden derzeit erstellt. Mit belastbaren Ergebnissen ist bis zur Jahresmitte 2021 zu rechnen“, so die HPA-Sprecherin. Es gibt viel Gesprächsstoff für Tschentscher und Günther.