Hamburg. Im Abendblatt-Interview spricht sich der Hamburger Unternehmer für eine Lockerung der Corona-Regelung ab dem 8. März aus.
Seit Mitte Dezember liegt ein Großteil des Einzelhandels im Zuge des Lockdowns brach. Auch die Einkaufscenter der Hamburger ECE-Gruppe sind davon massiv betroffen. ECE-Chef Alexander Otto schlägt nun im Abendblatt Alarm, warnt vor den Folgen einer Verlängerung der Zwangsschließungen für den Handel.
Wie ist die aktuelle Situation in den ECE-Einkaufscentern?
Alexander Otto: Die Center sind alle geöffnet, die Kundenfrequenzen liegen aber im Schnitt nur noch bei rund 20 Prozent des Normalbetriebs. Denn es haben selbstverständlich nur die Mieter ihre Läden geöffnet, denen das nicht verboten ist: also vor allem Lebensmittelgeschäfte, Drogerien sowie Apotheken.
Wie entgegenkommend zeigen Sie sich bei den Ladenmieten?
Im ersten Lockdown hatten wir noch auf individuelle Vereinbarungen gesetzt und mit den meisten Mietern auch eine Lösung gefunden. Dafür mussten wir rund 7000 Verträge anpassen. Nun haben wir das vereinfacht und allen unseren Mietern angeboten, dass wir im Lockdown auf 50 Prozent der Miete verzichten. Damit wollten wir auch einen Standard für den gesamten Einzelhandel setzen.
Wie hoch sind die Umsatzeinbußen in den Centern?
Im vergangenen Jahr lagen wir durchschnittlich 25 Prozent im Minus. Die Entwicklung ist aber je nach Branche sehr unterschiedlich. Der Lebensmittelhandel hat sich relativ stabil gezeigt, weil er durchgehend öffnen durfte. Die höchsten Einbußen hatten dagegen Reisebüros mit einem Minus von 75 Prozent. Der Textilhandel musste rund ein Drittel weniger Umsatz verkraften. Für die ersten Monate 2021 sieht die Umsatzentwicklung für den Textilhandel, Reisebüros und viele andere aufgrund des andauernden Lockdowns dagegen dramatisch aus – minus 100 Prozent.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Corona: "Händler müssen Waren vernichten"
Sie haben eine Umfrage unter Ihren Mietern gemacht. Danach denken 85 Prozent der Händler über Schließungen von einem beziehungsweise mehreren Standorten nach oder müssen langfristig Arbeitsplätze abbauen. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Das bereitet mir sehr große Sorgen. Die Politik unterschätzt, dass viele Händler ihre eingekauften Waren quasi vernichten müssen, wenn sie nicht zügig wieder öffnen dürfen. Denken Sie an die Osterartikel der Süßwarengeschäfte oder die Winterkollektionen der Textilhändler. Der Lockdown führt zu unermesslichen Verlusten.
Gibt es bereits Händler, die Mietverträge mit ECE gekündigt haben?
Rund zehn Prozent der vermieteten Flächen sind oder waren von Insolvenzverfahren betroffen. In diesen Fällen kommt es zu Schließungen oder Mietverträge müssen neu verhandelt werden, um die Geschäfte trotz Insolvenz zu erhalten. Das ist uns in vielen Fällen gelungen. Darüber hinaus gibt es aber auch wirtschaftlich gesunde Unternehmen wie Douglas, die mit Blick auf die unsichere Zukunft einige der eigentlich profitablen Filialen vorsorglich schließen.
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Am 3. März kommt die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten zusammen, um über eine Verlängerung des Lockdowns beziehungsweise Lockerungen zu beraten. Was erwarten Sie von diesem Treffen?
Unser dringender Wunsch ist es, dass der Einzelhandel am 8. März wieder komplett öffnen darf. Und bei dieser Forderung haben wir gute Argumente auf unserer Seite. Zahlreiche Studien belegen, dass der Einzelhandel kein Infektionstreiber ist. Auch das RKI bewertet das Infektionsrisiko im Einzelhandel ausdrücklich als niedrig. Denn die Kontaktzeiten in den Geschäften sind sehr kurz, die Räume groß und bestens gelüftet. Man darf auch nicht vergessen, dass im Lebensmitteleinzelhandel 80 Prozent aller Kontakte beim Einkaufen stattfinden. Es geht also um die Öffnung für die restlichen 20 Prozent, die aber für die Hälfte der Arbeitsplätze im Handel stehen. Dabei ist uns natürlich klar, dass so eine Öffnung nur unter Einhaltung der strengen Abstands- und Hygieneregeln stattfinden kann. Aktuell haben wir leider das Gefühl, dass der Einzelhandel einseitig benachteiligt wird.
Infektionsrisiko: Großraumbüros schlimmer als Läden
Gegenüber wem?
Es gibt nach wie vor kein verpflichtendes Homeoffice in Unternehmen. Die Folge ist, dass Beschäftigte weiter über Stunden gemeinsam in Großraumbüros sitzen, obwohl sie auch zu Hause arbeiten könnten. Dort ist das Infektionsrisiko viel größer als im Handel. Und auch in den Schulen, die ja nun wieder in vielen Bundesländern geöffnet haben, ist das Risiko, sich mit Covid-19 anzustecken, deutlich höher als im Handel.
Müsste mit Blick auf die Infektionen der Einzelhandel eher öffnen als die Schulen?
Natürlich verstehe ich die Bedeutung und die Priorität der Öffnung der Schulen. Aber Studien zeigen, dass die Ansteckungsgefahr in Schulen aufgrund der Vielzahl der Kontakte über einen langen Zeitraum dreimal so hoch ist wie im Handel. Daher brauchen wir für die Schulen verbindliche Konzepte, wie wir die Ansteckungsgefahr wirksam reduzieren können. Ob dafür Österreich mit seinen regelmäßigen Schnelltests ein Vorbild sein kann, möchte ich aber den Experten überlassen.
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Welche Folgen hätte eine weitere Verlängerung des Lockdowns für den Einzelhandel?
Das hätte gravierende wirtschaftliche Folgen. Das wichtige Ostergeschäft steht kurz bevor – und der Textilhandel könnte bei einer Öffnung Anfang März wenigstens noch einen Teil seiner Winterware verkaufen. Für den Handel ist eine baldige Öffnung existenziell.
Wie stellen Sie sich das mögliche Öffnungsszenario am 8. März konkret vor?
Man sollte genauso vorgehen wie nach der Öffnung im Frühjahr 2020. Denn die Präventionsmaßnahmen und das Konzept einer begrenzten Zahl an Kunden auf der zur Verfügung stehenden Fläche haben sich bewährt. Darüber hinaus müssten selbstverständlich FFP2-Masken oder medizinische Masken getragen werden. Zudem könnten Schnelltests beim Zugang in Einkaufscenter eine Rolle spielen, aber die Verlässlichkeit dieser Tests müsste zuvor gesichert sein. Hier prüfen wir bereits mögliche Konzepte für die Center.
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Laut Ihrer Umfrage in den ECE-Centern haben 77 Prozent der Geschäftsinhaber noch keine staatlichen Hilfsgelder bekommen. Die Kritik an den ausbleibenden Hilfen wird deshalb immer lauter. Zu Recht?
Ja, auf jeden Fall. Die Zahlungen kommen zu spät, die Anträge sind zum Teil zu bürokratisch; und die Höhe der Zahlungen ist zu gering. Pro Monat gibt es maximal 1,5 Millionen Euro, insgesamt nicht mehr als zwölf Millionen Euro. Das reicht für die meisten Mittelständler nicht aus. Dieses Geld ist für sie oft nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.
Was wird sich für den Einkaufscenter-Betreiber ECE nach Corona verändern?
Wir sind als ECE ja viel breiter aufgestellt …
Blicken wir nur auf Ihre Einkaufscenter.
Wir werden mit den Einzelhändlern noch deutlich enger zusammenrücken und partnerschaftlicher arbeiten müssen. So dürfte es in Zukunft verstärkt auch umsatzorientierte Mieten geben. Denn wir wollen die Läden ja langfristig halten. Leider dürfte es in Folge der Pandemie aber auch Geschäfte geben, die nicht überleben werden. Die Gefahr, dass der Leerstand größer wird, ist real. Wir waren in Deutschland bisher – auch bei ECE – Vermietungsquoten von 99 Prozent und mehr gewohnt, Diese Quoten werden wir kaum halten können, gewisse Leerstände wird es vorübergehend geben. Dabei schaue ich aber vor allem mit Sorge auf die Fußgängerzonen. In den attraktiven Citylagen wie der Mönckebergstraße oder Spitalerstraße wird man wohl immer wieder neue Mieter finden, aber die Randlagen dürften es deutlich schwieriger haben. Auch um diesen Prozess aufzuhalten, muss der Lockdown schnellstens enden.
Zum Schluss noch eine Prognose von Ihnen: Wann werden wir wieder in den ECE-Centern ohne Maske, eng zusammenstehend einkaufen und essen können?
Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, geht davon aus, dass wir auch 2022 noch mit der Maske werden leben müssen. Und ich muss ihm diesbezüglich leider recht geben.