Hamburg. Zwei Drittel der Unternehmen senken die Überschussbeteiligung für 2021. Wer Kunden noch am meisten bietet.

Noch steht bei der Überschussbeteiligung der 40 größten Lebensversicherer eine 2 vor dem Komma. Doch das Jahr 2021 dürfte das letzte sein, wo das noch so ist. Seit mehr als zehn Jahren sinken die Werte kontinuierlich (siehe Grafik). 2,06 Prozent beträgt die laufende Verzinsung im neuen Jahr für klassische Renten- und Lebensversicherungen, wie die Umfrage des Abendblatts bei 40 großen Versicherungen ergab.

Sie repräsentierten zusammen rund 80 Prozent des Marktes. Im Vorjahr waren es noch 2,23 Prozent. Diese laufende Verzinsung des Sparanteils der Versicherten wird jedes Jahr von den Versicherern neu festgelegt (siehe Beistück). Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu der noch immer am weitesten verbreiteten Altersvorsorge der Deutschen.

Welche Entwicklung gibt es 2021?

Die Kunden der Lebensversicherungen haben sich in den letzten Jahren an Kürzungen gewöhnt. Gut sind inzwischen jene Anbieter, die ihre Überschussbeteiligung zumindest stabil halten. Das sind in diesem Jahr 13 von 40 Anbietern, darunter die Versicherungen Alte Leipziger, Nürnberger, Württembergische, Provinzial Nordwest, Signal Iduna, Swiss Life und Hannoversche (siehe Tabelle).

„Aus Sicht der Kunden ist die Verzinsung unserer Lebensversicherungen im Vergleich mit anderen sicheren Anlageprodukten sehr attraktiv“, sagt Jürgen Bierbaum, Vorstand der Alten Leipziger, die 2,25 Prozent bietet. Doch 67 Prozent der Anbieter haben ihre laufende Verzinsung in diesem Jahr gesenkt. Bei 14 Anbietern beträgt die Überschussbeteiligung schon jetzt weniger als zwei Prozent. Den niedrigsten Wert hat mit 1,25 Prozent Proxalto, jene Gesellschaft, die den Bestand an Lebens- und Rentenversicherungen der Generali übernommen hat.

Knapp die Hälfte der Assekuranzen liegt über dem Durchschnittswert von 2,06 Prozent. Unter den zehn größten Anbietern, die auf einen Marktanteil von 56 Prozent kommen, gehören dazu Marktführer Allianz mit 2,30 Prozent, Alte Leipziger (2,25 Prozent), Axa (2,60 Prozent) und Nürnberger (2,25 Prozent).

Wer bietet den Kunden am meisten?

Das ist eine kleine Lebensversicherung aus Berlin mit einem Marktanteil von weniger als 0,5 Prozent, die Ideal. Sie verzinst die Sparguthaben ihrer Versicherten noch mit drei Prozent, das sind aber auch 0,30 Prozentpunkte weniger als noch 2020. „Unsere Zinsverpflichtungen und unsere Kapitalanlagen stehen auf einem sicheren Fundament, das eine solide Verzinsung auch für die Zukunft ermöglicht“, sagt Rainer M. Jacobus, Vorstandsvorsitzender der Ideal.

Das Unternehmen verfolgt seit vielen Jahren eine nonkonformistische Kapitalanlagepolitik und investiert vor allem in Unternehmen, in Immobilien und Infrastruktureinrichtungen. Mehr als 2,50 Prozent laufende Verzinsung haben lediglich noch Axa, Deutsche Ärzteversicherung und DEVK a. G.

Wer hat am stärksten gekürzt?

Enttäuscht hat in diesem Jahr die R+V, die die Überschussbeteiligung um 0,55 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gekürzt hat, gefolgt von der Debeka und der Barmenia mit jeweils minus 0,50 Prozentpunkten. Die Kürzung begründet die R+V mit der Notwendigkeit, auch im aktuellen Zinsumfeld langfristig alle eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.

„Es handelt sich hierbei um eine weitsichtige strategische Entscheidung, die die Zinsentwicklung der kommenden Jahre vorwegnimmt“, sagt R+V-Sprecher Karsten Eichner. Man kalkuliere im Sinne einer lebenslangen Sicherheit für die Kunden. Etwas geringer fällt die Kürzung bei der Tochtergesellschaft Condor mit 0,45 Prozentpunkten aus.

Warum sinkt die Verzinsung?

Die Versicherer sind stark von Anleihen abhängig, in denen im Schnitt fast 83 Prozent ihrer Kapitalanlagen stecken, doch das Zinsniveau hat durch die Pandemie neue Tiefststände erreicht. Es wird immer schwieriger, neu hereinkommendes Geld gewinnbringend anzulegen. „Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen lag im vergangenen Jahr im Schnitt bei minus 0,48 Prozent“, sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse (Haspa).

Auch in diesem Jahr werde sich am Zinsniveau kaum etwas ändern. Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt für eine extrem lockere Geldpolitik. Bis März 2022 will die EZB über Anleihekäufe 1,85 Billionen Euro an frischem Geld in die europäische Wirtschaft pumpen. In diesem Umfeld werden Staats- und Firmenanleihen keine höheren Zinsen bringen.

Die Verzinsung
Die Überschussbeteiligung ist vergleichbar mit einem Festgeldzins, der für ein ganzes Jahr gilt. Die auch „laufende Verzinsung“ genannte Größe setzt sich zusammen aus dem Garantiezins und Überschüssen, die die Versicherungen mit den Kundengeldern erwirtschaften. Ist der Garantiezins höher als die laufende Verzinsung, erhält der Kunde den Garantiezins gutgeschrieben.Jeder Kunde bekommt von seiner Versicherung bei Vertragsabschluss einen Garantiezins zugesagt, der für die gesamte Laufzeit gilt. Seit 1. Januar 2017 beträgt er nur noch 0,90 Prozent. In der Spitze lag er bei vier Prozent.
Die Überschussbeteiligung gibt es nur auf den Sparanteil der Versicherung. Das sind 75 bis 90 Prozent der Beiträge. Der Rest wird für Verwaltungs-, Risiko- und Abschlusskosten benötigt.

Für wen gelten die ­Tabellenwerte?

Die Überschussbeteiligungen gelten vor allem für Kunden, die eine Kapitallebens- oder Rentenversicherung mit einem Garantiezins von 1,25 oder 0,90 Prozent abgeschlossen haben, also ab Januar 2015 (siehe Grafik). Die Werte gelten in der Regel auch für Kunden mit einem staatlich geförderten Riester-Vertrag – bei gleichem Garantiezins. Wenn eine Gesellschaft in der Tabelle nicht auftaucht, kann es daran liegen, dass sie keine Angaben gemacht hat, wie etwa HDI oder Neue Leben.

Erhalten manche Kunden höhere Zinsen?

Ja. Denn in jedem Fall erhalten Kunden ihren Garantiezins, dessen Höhe sich nach dem Jahr des Abschlusses richtet. Bis zu vier Prozent Verzinsung sind so möglich. „Der Garantiezins ist den Kunden zugesichert“, sagt Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata. „Man kann davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Kunden eine höhere Überschussbeteiligung bekommt.“ Weil sie in ihren vor Jahren abgeschlossenen Verträgen einen höheren Garantiezins zugesichert bekamen.

Wie sicher ist der ­Garantiezins?

Es ist bisher keine Versicherungsgesellschaft bekannt, die den Garantiezins nicht mehr bezahlen kann. „Um die Garantien der Kunden auch in einem langfristigen Niedrigzinsumfeld zu sichern, wurde bereits 2011 die Zinszusatzreserve eingeführt“, sagt Heermann. Das ist für die Versicherungen eine Art Kapitalpuffer, den sie mit eigenen Mitteln auffüllen müssen.

Die Branche hat dafür bisher 85 Milliarden Euro zurückgelegt, „davon etwa elf Milliarden Euro auf das Jahr 2020“, schätzt Heermann. Das Geld, um Altverträge mit hohem Garantiezins abzusichern, fehlt aber dann für die eigentliche Überschussbeteiligung der Kunden. Besserung ist nicht in Sicht: „Geht man von anhaltenden Nullzinsen aus, muss die Zinszusatzreserve bis 2030 auf 170 Milliarden Euro ansteigen“, sagt Heermann.

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Was bedeutet die sinkende Verzinsung für die Kunden?

Die Kunden müssen sich darauf einstellen, dass die Ablaufleistung oder die monatliche prognostizierte Rente weiter sinkt. Die einst bei Abschluss prognostizierten Werte werden bei Weitem nicht erreicht. „Sicher sind zunächst nur die garantierten Renten oder Kapitalabfindungen“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Gefährlich kann es bei sogenannten Kombiverträgen im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung werden: „Dann steht für die Tilgung weniger Geld zur Verfügung als einst kalkuliert.“

Lohnt der Abschluss einer Rentenversicherung noch?

Viele Versicherungen bieten klassische Tarife mit Garantiezins nicht mehr an. Das eingezahlte Geld wird nur noch zu einem bestimmten Prozentsatz garantiert. „Das ist der endgültige Bruch mit Produkten, die wenigstens Verluste verhindern“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten. Die Verbraucherzentrale Hamburg rät von Neuabschlüssen ab. „Zu teuer, zu intransparent und nicht für die Altersvorsorge geeignet“, sagt Verbraucherschützerin Becker-Eiselen.