Hamburg. Warnstreik darf zu Ende geführt werden, dann kein Arbeitskampf mehr bis zum 26. August. Umschlag an Containerterminals lahmgelegt.

Überraschende Wendung bei den Warnstreiks der Hafenarbeiter: Nachdem die Beschäftigten den Umschlag in  allen wichtigen norddeutschen Seehäfen weitgehend zum Stillstand gebracht haben, verordnete das Arbeitsgericht Hamburg am Donnerstagnachmittag eine vorläufige Friedenspflicht. Das ist das Ergebnis eines Vergleichs, den die Arbeitgeber und die Gewerkschaft Ver.di geschlossen haben. Dieser Vergleich sieht vor, dass die Hafenarbeiter den begonnenen zweitägigen Warnstreik wie geplant zu Ende führen dürfen. Danach sind weitere Streiks bis zum 26. August verboten.

Zuvor hatten zahlreiche deutsche Hafenunternehmen gegen die Arbeitsniederlegungen geklagt. Bei den Arbeitsgerichten in Hamburg, Oldenburg Bremen und Bremerhaven waren Anträge auf eine einstweilige Verfügung zum Stopp des Arbeitskampfes eingegangen. In Bremen und Niedersachsen lehnten die Arbeits­gerichte eine Verfügung zum sofortigen Stopp der Streiks ab.

Das Hamburger Arbeitsgericht entschied anders. Zwar hatte es keine inhaltlichen Zweifel an der Streikberechtigung. Das Gericht störte  sich aber an einer Formalie: Es bezweifelte die Rechtmäßigkeit des Streikbeschlusses. Dieser muss eine Reihe von formalen Voraussetzungen erfüllen, die Ver.di offenbar nicht präsentieren konnte. Das Gericht riet daraufhin den Streitparteien, sich zu vergleichen.

Hafen Hamburg: Streik darf zu Ende geführt werden

Demnach darf der aktuelle Streik zu Ende geführt werden, danach ist für sechs Wochen Schluss. Das Gericht verband die Frist mit der Hoffnung, dass beide Seiten in dieser Zeit den Tarifkonflikt beilegen können, der in sieben Verhandlungsrunden bisher zu keinem Ergebnis geführt hat.

Bereits am frühen Donnerstagmorgen hatte der Arbeitskampf begonnen. Allein in Hamburg legten zwischen 3000 und 4000 Hafenarbeiter die Arbeit nieder. In Niedersachsen und Bremen waren es weitere rund 1600 Beschäftigte. Die Warnstreiks sollen bis zum Sonnabendmorgen um 6 Uhr dauern.

Im Hamburger Hafen besetzten Streikposten ab 6 Uhr die Zugänge zu den Terminals. Seitdem ruht die Arbeit. „Bei uns stehen alle Umschlaganlagen still“, sagte eine Sprecherin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). „Wir haben auf den Terminals nur einen Notbetrieb, der für die Sicherheit sorgt.“

Wie berichtet fordert Ver.di eine Lohnerhöhung um 1,20 Euro pro Stunde sowie einen „tatsächlichen Inflationsausgleich“ in Höhe von 7,4 Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Zudem solle die jährliche Zulage für sogenannte Vollcontainerbetriebe um 1200 Euro angehoben werden. Das „finale“ Angebot des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) beläuft sich eigenen Angaben zufolge hingegen auf bis zu 12,5 Prozent für Containerbetriebe und zwischen 5,5 und 9,6 Prozent für alle anderen Betriebe bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Die dauerhafte Einkommensverbesserung beträgt laut Verband acht Prozent.

Ulrike Riedel macht Ver.di Vorwürfe

Angesichts des bisherigen Scheiterns aller Gespräche warf die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Ulrike Riedel, der Gewerkschaft vor, nicht kompromissbereit zu sein. „Zu Tarifverhandlungen gehören, dass beide Partner sich aufeinander zubewegen. Das haben wir nachvollziehbar mit unseren insgesamt vier Angeboten getan. Ver.di hat in den Gesprächen keinerlei belastbare Schritte auf uns zu gemacht, sondern ist am Ende jeder Verhandlungsrunde auf seine Ursprungsforderung zurückgekehrt. So kommt man nicht zu Ergebnissen“, sagte Riedel dem Abendblatt. Der ZDS erwarte, dass die Gewerkschaft sich mit belastbaren Angeboten auf ihn zubewege, sonst ergäben Verhandlungen keinen Sinn.

Der Schaden durch diese Streiks sei für die Volkswirtschaft enorm. Das werde von Ver.di nicht ausreichend berücksichtigt, kritisierte Riedel zudem. „Wir haben erlebt, dass sich Reedereien schnell umorientieren und andere Häfen anlaufen. Wenn dieser Trend anhält und unsere Seehäfen aufgrund der Arbeitsniederlegungen nicht mehr als schnelle und verläss­liche Umschlagspartner gelten, steht zu befürchten, dass die deutschen Seehäfen bedeutungslos werden.“

Sechs große Containerschiffe angemeldet

Das sei typische Arbeitgebersicht, sagte hingegen Jana Kamischke, Sprecherin der Vertrauensleute und Betriebsrätin bei der HHLA. „Wenn unsere Streiks tatsächlich so existenzgefährdend sein sollen, warum kommt die Arbeitgeberseite nicht unseren Forderungen entgegen?“ Es sei nicht hinnehmbar, dass die Arbeitgeber die Auswirkungen der Inflation nicht ausreichend berücksichtigten.

Laut Segelliste der HHLA waren für den Streikzeitraum sechs große Containerschiffe bei den verschiedenen Terminals angemeldet. Mit den kleinen Feederschiffen und Transportkähnen waren bis Freitagabend rund 50 Schiffsbewegungen an den drei großen Containerterminals der HHLA vorgesehen. In der Deutschen Bucht warten zudem noch zehn Containerschiffe auf ihre Einfahrt in den Hamburger Hafen.

Hafen Hamburg: Senat forderte sofortige Schlichtung

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) forderte die Tarifparteien dazu auf, sofort in die Schlichtung einzutreten. „Arbeitsniederlegungen sind in dieser für den Hafen hochsensiblen Phase schädigend. So etwas schwächt die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.“ Westhagemann verwies darauf, dass in den Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen die Automatisierung des Umschlags voranschreite. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren und brauchen jetzt eine Schlichtung im Tarifstreit“, sagte der Senator dem Abendblatt.

Für Freitag ist ab 10 Uhr eine Kundgebung der Hafenarbeiter in der Hamburger Innenstadt angemeldet. Dort wird der Gerichtsvergleich sicher noch einmal thematisiert. Viele Beschäftigte sind mit der verhängten Friedenspflicht nämlich nicht einverstanden.