Hamburg. Während die Schiffbauer an Nord- und Ostsee vor massiven Arbeitsplatzeinschnitten stehen, schlägt sich vor allem Blohm+Voss wacker.

Der deutsche Schiffbau steckt in schweren Zeiten. Vielfach fehlen neue Aufträge oder Schiffe werden nicht weitergebaut, weil die Auftraggeber Zahlungen zurückhalten. Nicht so in Hamburg. Zwar hat auch Deutschlands älteste Werft Pella Sietas Probleme. Wegen coronabedingter Verzögerungen bei Zulieferungen ist die Schiffbauproduktion ins Stocken geraten.

Zudem kann der Großauftrag zum Bau eines Eisbrechers noch nicht in Angriff genommen werden, weil die Vorplanung vom russischen Auftraggeber wegen der Pandemie nur langsam vorankommt. Deshalb sind annähernd 80 Prozent der 340 Beschäftigten derzeit in Kurzarbeit. Dennoch ist der zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Hamburg, Emanuel Glass, nur bedingt in Sorge: „Schauen wir uns allein die Auftragslage an, dann ist die Pella Sietas Werft deutlich besser dran als andere Werftenstandorte.“

Düstere Lage der Werften an Nord- und Ostsee

Noch positiver sieht es bei der Werft Blohm+Voss aus, die in der deutschen Schiffbaulandschaft zu den bestausgelas­teten Betrieben gehört. Für die Bundesmarine läuft gerade der Bau von fünf Korvetten des Typs K130, von denen die letzte noch gar nicht in Angriff genommen wurde. Da deren Ausrüstung in Hamburg stattfindet, ist der Betrieb noch auf zwei Jahre gesichert. Ab 2024 soll dann die als Mehrzweckkampfschiff konzipierte neue Fregatte F126 gebaut werden. Hinzu kommen Reparaturaufträge für Yachten. „Hamburgs Werften stehen insgesamt ganz gut da“, so Glass.

Doch blickt man über die Stadt hinaus, ist die Lage der Werften an Nord- und Ostsee düster. Insbesondere der Kreuzfahrtschiffbau – die einstige Domäne der deutschen Werften – ist infolge der Pandemie fast zum Erliegen gekommen. Bei Meyer in Papenburg, dem einst stolzen größten deutschen Schiffbauer, stehen von 4500 Arbeitsplätzen mindestens 650 auf der Kippe. Das Unternehmen verzeichnete im Jahr 2020 einen Verlust von 70 Millionen Euro.

Not der Lloyd-Werft hängt mit Problemen ihres Eigners zusammen

Und auf der Lloyd-Werft in Bremerhaven war gerade eine neue Luxusyacht enthüllt worden, 139 Meter lang, da verkündete die Geschäftsführung: Einstellung des Betriebs zum Jahresende. Aufträge fehlen, 300 Beschäftigte bangen um ihre Arbeit. Die Not der Lloyd-Werft hängt mit Problemen ihres Eigners zusammen. Dem Tourismuskonzern Genting mit Sitz in Hongkong fehlen Einnahmen. Er warnte bereits vor einem Verlust von 1,5 Milliarden Dollar für 2020.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Genting betreibt auch die MV Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund. Mit der „Global-Klasse“ sollen hier für den asiatischen Markt die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt – zugelassen für 9500 Passagiere – entstehen. Zudem wurde die Werft in Stralsund für den Bau der Expeditionsschiffe der „Endeavor-Klasse“ reserviert. Doch dann kam Corona.

Wie das Kaninchen vor der Schlange

Die Arbeiten wurden angehalten, die ersten Schiffe können nur mit Krediten weitergebaut werden. Von den rund 3000 Beschäftigten ist ein Großteil in Kurzarbeit, zudem sollen 1200 Jobs abgebaut werden. Wenn der Erhalt der Standorte überhaupt möglich ist. Zur Fertigstellung der „Crystal Endeavor“ bewilligte der Bund bereits 193 Millionen Euro. Doch die MV Werften benötigen mehr, nämlich weitere 300 Millionen Euro aus dem Stabilisierungsfonds des Bundes, um das erste Schiff der Global-Klasse fertigzustellen.

Bis Ende März muss eine Lösung her. Aber derzeit stehen alle Beteiligten wie das Kaninchen vor der Schlange. Das Land Mecklenburg-Vorpommern, das für eine Fortsetzung des Werftenbetriebs eintritt, wartet auf die Entscheidung des Bundes. Der wiederum wartet darauf, wie der Genting-Konzern sich verhält, der zugleich Eigentümer der Werften und Besteller der Schiffe ist.

Aggressiv auftretende Wettbewerber aus Asien

In Hongkong wartet man aber noch auf ein Gutachten zur Zukunft des Unternehmens, in Deutschland auf eines zur Fortführungsperspektive. „Ich bin sicher, dass der Kreuzfahrtschiffbau irgendwann wieder anspringen wird. Nur werden unsere Werften dann wohl nicht mehr da sein“, mahnt Stefan Schad von der IG Metall Rostock, Schwerin.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Aus der Ferne droht dem deutschen Kreuzfahrtschiffbau eine weitere Gefahr, unabhängig von Corona: Vor allem chinesische und koreanische Werften, die mit staatlichen Mitteln subventioniert werden, schnappen deutschen Anbietern mit Dumpingpreisen die Aufträge weg.

 So steht im jüngsten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland auf Seite 14: „Aggressiv auftretende Wettbewerber aus Asien bedrohen nicht nur den maritimen Standort Deutschland, sondern Europa insgesamt. Insbesondere durch die chinesische Strategie der Spitzensubventionierung drohen im Marktsegment Kreuzfahrtschiffbau – ähnlich wie in der Vergangenheit bei Fracht-, Container- oder Tankerschiffen – Überkapazitäten.“

IG Metall Küste schlägt Alarm

Die IG Metall Küste schlägt Alarm, sie sieht Werftenindustrie und Zulieferer aktuell in einem kritischen Zustand. „Die Substanz bröckelt und geht verloren“, sagt Bezirksleiter Daniel Friedrich. „Wir laufen Gefahr, dass wir unter die kritische Grenze kommen, wenn wir zu viele Betriebe und Beschäftigte verlieren. Das würde dazu führen, dass die Branche nicht mehr so unterstützt wird, wie es der Schiffbau verdient hätte.“

Für die Bundesregierung sei eine starke maritime Wirtschaft mit breiter Wertschöpfung in Deutschland ein zen­trales Anliegen, sagt der Koordinator für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann (CDU). Er ist überzeugt, dass die maritime Wirtschaft schon in diesem Jahr vom Wiederaufbau der Weltwirtschaft profitieren kann. „Die Schifffahrt trägt wesentlich zur Sicherung des Welthandels bei und damit auch der Schiffbau.“ Globale Warenströme ließen sich nur über die Meere organisieren.

Bund unterstützt die maritime Wirtschaft mit einer Milliarde Euro

Der Bund unterstützt die maritime Wirtschaft mit einer Milliarde Euro und der Vergabe von Marineaufträgen. Beschaffungen werden vorgezogen. Seit 2020 gilt außerdem der Bau von Über-wasserschiffen der Marine als nationale Schlüsseltechnologie. Aufträge müssen nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden. Auslöser der Entscheidung war, dass der größte Auftrag, den die Deutsche Marine je erteilt hat, ausgerechnet ins europäische Ausland ging.

Damen Shipyards aus den Niederlanden hat die Federführung beim Bau von vier Fregatten für sechs Milliarden Euro. Die Marinewerft German Naval Yards in Kiel hatte sich auch beworben, ging aber leer aus. Sie bekommt jetzt als Juniorpartner kleinere Bauanteile. Dennoch trennt sich die Werft wegen der Wirtschaftslage von 134 ihrer rund 500 Mitarbeiter.

Sanierungstarifvertrag bei Blohm+Voss ist ausgelaufen

Besser sieht es hier für den zur Werftengruppe Lürssen aus Bremen gehörenden Schiffbaubetrieb Blohm+Voss in Hamburg aus. Dieser hatte sich mit Damen um den Auftrag beworben. Die Arbeitsteilung sieht vor, dass das Design von Damen kommt. In Hamburg freut man sich über den Auftrag.

Da die Kapazitäten der Werft aber nicht ausreichen, ist davon auszugehen, dass der Mutterkonzern Lürssen den Bau einzelner Sektionen neben German Naval Yards auch an andere Standorte vergibt. In Hamburg werden die Sektionen dann zusammengebaut. Im Ergebnis bedeutet das für Blohm+Voss eine Rückkehr zu alter Stärke.

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Der Ergänzungstarifvertrag, der zur Sanierung eingeführt worden war, ist ausgelaufen. Die unbezahlten zehn Stunden Mehrarbeit für die Beschäftigten fallen weg. Zudem wird der Überstundenzuschlag nicht erst ab der 40., sondern wie früher ab der 36. Stunde gezahlt. Hamburgs Schiffbauer blicken nach vorne – im Gegensatz zu vielen Kollegen.