Hamburg. Grund zur Freude beim Hamburger Online-Modehändler: Die Papiere lagen am Mittwoch deutlich über ihrem Ausgabepreis von 23 Euro.
Seinen ersten Computer hat Tarek Müller mit 13 Jahren bekommen. Quasi sein Startkapital. Zwei Jahre später gründete er seine erste Firma im Internet. Um einen Gewerbeschein zu bekommen, musste sein Vater noch mit aufs Amt in Harburg. Müller hatte Erfolg, machte weitere Onlineshops auf. Wenn es so etwas gibt wie ein Unternehmer-Gen, dann hat der Hamburger es.
Gerne erzählt er, wie er durch eingehende Analysen der einschlägigen Portale einen wachsenden Markt für Shisha-Pfeifen und das nötige Equipment ausgemacht hatte und in einem Jugendzimmer damit einen florierenden Handel startete. Seine Eltern waren nicht wirklich begeistert. Aber der Jungunternehmer ließ sich nicht abhalten. Kurz nach dem Abitur saß er zum ersten Mal im Büro des damaligen Digitalchefs der Otto Gruppe, der sein Talent früh erkannt hatte.
Rasante Erfolgsgeschichte
Das ist der Anfang einer rasanten Erfolgsgeschichte. Tarek Müller, Markenzeichen: zurückgebundene Dreads, genießt inzwischen Kultstatus in der Digitalszene. 2014 hatte er gemeinsam mit Hannes Wiese und Sebastian Betz unter dem Dach der Otto Gruppe ein digitales Start-up mit E-Commerce-Angeboten für jüngere Zielgruppen gegründet. Genau das, was dem Handelskonzern fehlte.
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Einer der Geburtshelfer damals: Benjamin Otto, der Enkel von Versandhausgründer Werner Otto. Inzwischen spielt About You in der ersten Liga, ist mit einer Bewertung in Höhe von 3,92 Milliarden Euro die am schnellsten wachsenden Online-Modeplattform Europas – und hat am Mittwoch erfolgreich sein Börsendebüt hingelegt. Gesamtvolumen: 842 Millionen Euro.
Geschäftsmodell hat sich enorm entwickelt
Richtig viel Geld für ein Unternehmen, das vor sieben Jahren nicht viel mehr war als eine Idee. Tarek Müller und seine Co-Gründer setzten von Anfang an auf ein Konzept, das über einen klassischen Onlineshop hinausgeht. „Wir sind keine klickbare Lagerhalle, sondern laden die Nutzer zum Online-Bummel ein“, beschreibt der heute 31-Jährige es.
Seit der Gründung hat sich das Geschäftsmodell aus Modehandel, Marketing und viel Technologie enorm entwickelt. Inzwischen läuft das Hauptgeschäft über eine App auf dem Smartphone, die mit stark personalisierten Inhalten passgenau auf die Kundinnen zugeschnitten ist. Geboten wird dabei jede Menge „Content“.
Insgesamt mehr als 400.000 Artikel
Ähnlich wie in einem Modemagazin werden aktuelle Trends präsentiert, insgesamt mehr als 400.000 Artikel von gut 2000 Marken sowie Secondhandkleidung. Interessierte können zudem quasi einen Blick in den Kleiderschrank von mehr oder weniger Prominenten werfen – und die Outfits per Klick direkt bestellen.
Schon früh hat About You angefangen, mit sogenannten Influencern zusammenzuarbeiten, inzwischen gibt es Verträge mit mehr als 10.000. Daraus entstehen teilweise exklusive Kollektionen, wie die Linie LeGer von Topmodel und Moderatorin Lena Gercke. Mit ihr hatte About You im vergangenen Winter erstmals ein stationäres Geschäft eröffnet – einen Pop-up-Weihnachtsshop am Neuen Wall.
Mehr als 30 Millionen aktive Kunden
Das Konzept funktioniert. Nach eigenen Angaben sind in 23 Ländern inzwischen mehr als 30 Millionen aktive Kunden im Monat auf der Plattform. Seit der Gründung verzeichnet das Unternehmen jährlich neue Umsatzrekorde. Im Jahr 2018 stieg About You zum ersten sogenannten Einhorn Hamburgs mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar auf, nachdem sich zuvor die dänische Investmentgesellschaft Heartland (Jack Jones, Vero Moda, Only) mit einem Betrag von 300 Millionen Euro beteiligt hatte.
Im Corona-Jahr 2020 hat About You von dem starken Zuwachs im Onlinehandel profitiert. Bei einem Plus von 57 Prozent kletterte der Umsatz auf 1,17 Milliarden Euro. Im vierten Quartal des Geschäftsjahrs war der Digitalhändler erstmals profitabel.
About You macht den nächsten großen Schritt
Mit dem Börsengang macht About You den nächsten großen Schritt – und schürt hohe Erwartungen. Insgesamt wurden gut 36 Millionen Papiere angeboten, die aus einer Kapitalerhöhung sowie Beständen von Alteigentümern – unter anderem auch vom dreiköpfigen Gründerteam und heutigem Vorstand sowie einer von Benjamin Otto geführten Beteiligungsgesellschaft – stammen. Die Otto Gruppe und Heartland geben keine Papiere ab.
Der Streubesitz liegt nun bei etwa 21 Prozent. Vor dem Handelsstart am Mittwoch hatte es zunächst einen Dämpfer gegeben, nachdem der Ausgabepreis pro Aktie auf 23 Euro festgelegt worden war – genau die Mitte der von der Firma anvisierten Spanne zwischen 21 und 26 Euro. Das ließ auf Zuspruch schließen, aber nicht auf eine Euphorie. Auf dem Parkett lief es dann für den Börsenneuling gut. Mit einem ersten Kurs von 25,60 Euro starteten die Papiere elf Prozent über ihrem Ausgabepreis in den Handel. Erstmals konnten Privatanleger Anteile zeichnen.
Fokus liegt voll und ganz auf der Zukunft
Anders als sonst bei einem Börsenstart üblich, waren die Vorstände Tarek Müller (Marketing), Hannes Wiese (Finanzen) und Sebastian Betz (Technik) wegen der Pandemie nicht nach Frankfurt gereist. Auch eine Feier in der Hamburger Zentrale fiel aus. Stattdessen hatten sich die Topmanager mit einer symbolischen Glocke vor einem großformatigen Foto des Börsensaals fotografieren lassen.
Interviews gab es keine. „Heute feiern wir das erfolgreiche Listing von About You, unser Fokus liegt aber schon jetzt voll und ganz auf der Zukunft“, ließ sich Tarek Müller schon vor Handelsbeginn auf der Webseite zitieren. „Gemeinsam schlagen wir ein neues, spannendes Kapitel in unserer Geschichte auf und werden weiter die digitale Transformation unserer Branche anführen.“
Investitionen in neue Technologien
Das Unternehmen selbst bekam mit 657 Millionen Euro aus der Platzierung von gut 28 Millionen neuen Aktien den Löwenanteil aus dem Börsengang. Mit dem Geld sollen die internationale Expansion vorangetrieben und Investitionen in neue Technologien beschleunigt werden. Knapp 4,8 Millionen Aktien kommen im Rahmen einer Mehrzuteilung von bisherigen Großaktionären, darunter auch von Benjamin Otto.
Auch das Vorstands-Trio verkauft einen Teil seiner Unternehmensbeteiligungen – insgesamt 3,26 Millionen Aktien für 75 Millionen Euro, die sich zu annähernd gleichen Teilen auf Müller, Wiese und Betz verteilen. Was die neuen Multimillionäre mit dem Geld vorhaben? Dazu gab es auf Nachfrage keine Antwort.