Hamburg. Wer jetzt den Anbieter wechselt, kann seine Kosten um bis zu 700 Euro im Jahr verringern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bei Temperaturen der vergangenen Wochen von um die 30 Grad denkt kaum einer an die Heizung. Doch für Verbraucher, die mit Gas heizen, lohnt es, jetzt einen Anbieterwechsel zu prüfen. Denn die Gas- und auch die Heizölpreise sind jetzt günstig wie selten. Erst ein Drittel der Haushalte hat bisher seinen Gasversorger gewechselt. Was ist bei einem Wechsel zu beachten? Wie hoch ist die Ersparnis? Welchen Vorteil hat es, jetzt Heizöl zu bunkern? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie entwickelt sich der Erdgaspreis?
Beim Großhandelspreis für Erdgas gibt es einen deutlichen Preisrutsch nach unten. Die Megawattstunde kostet weniger als 10 Euro (s. Grafik). Das war seit 2008 nicht mehr der Fall. „Die Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie führten zu einem Einbruch der globalen Wirtschaft und damit zu einem Rückgang der Energienachfrage. Zusätzlich waren die Erdgasspeicher Anfang des Jahres gut gefüllt, da die relativ warmen Temperaturen des vergangenen Winters eine geringe Nachfrage nach Heizenergie bewirkten“, sagt Claudia Wellenreuther vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Allerdings darf man die niedrigen Preise im Großhandel für Erdgas nicht mit den Tarifen in den Jahresverträgen der Verbraucher vergleichen.
Wie profitieren Verbraucher?
In den vergangenen zehn Jahren war es noch nie so günstig wie jetzt, einen neuen Vertrag abzuschließen. Nach aktuellen Berechnungen des Vergleichsportals Check24 kosten 20.000 Kilowattstunden (kWh) Erdgas im August durchschnittlich 1154 Euro. Das ist der niedrigste Wert der vergangenen zehn Jahre. Große Preisunterschiede gibt es zwischen den Anbietern in der Grundversorgung und Alternativtarifen. Nach den Berechnungen des Vergleichsportals kosten im Schnitt 20.000 kWh Gas in der Grundversorgung 1424 Euro, bei E.on sind es sogar 1452 Euro. Alternativanbieter verlangen nur 871 Euro – das sind 39 Prozent weniger. „Auf die niedrigen Großhandelspreise haben bisher nur die alternativen Gasanbieter ernsthaft reagiert und ihre Preise gesenkt“, sagt Lasse Schmid, Geschäftsführer Energie bei Check24. „Ein Wechsel aus der Grundversorgung ist darum so attraktiv wie nie.“
Was können Kunden konkret sparen?
Bei einem Verbrauch von 20.000 kWh Gas für ein Einfamilienhaus sind Einsparungen bis zu rund 700 Euro im Vergleich zur Grundversorgung bei E.on möglich. Der günstigste Tarif vom Versorger Mainova ist im ersten Jahr nach dem Wechsel knapp 50 Prozent günstiger als die Grundversorgung. Wer keine Tarife mit Bonus möchte, spart immerhin noch rund 600 Euro. Auch ist es möglich, beim bisherigen Anbieter E.on zu bleiben und nur in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Das Sparpotenzial beträgt dann 671 Euro (mit Bonus) oder 368 Euro (ohne Bonus).
Was sind die Unterschiede?
Bei den Bonus-Tarifen zahlt der Kunde im zweiten Jahr einen höheren Preis, selbst wenn der Energiepreis konstant bliebe. Bei Mainova müssten dann rund 270 Euro mehr bezahlt werden. Bei Vattenfall sind es sogar 400 Euro. Alle Preise im zweiten Jahr liegen noch deutlich unter der aktuellen Forderung von E.on. Aber es ist unwahrscheinlich, dass der Gaspreis im zweiten Jahr konstant bleibt. Die Anbieter wollen schließlich den Bonus an den Kunden wieder hereinholen. Wer sich also auf Bonus-Tarife einlässt, muss konsequent weiter wechseln, um die Einsparungen hoch zu halten. Vergisst man die rechtzeitige Kündigung, verlängert sich der Vertrag um ein weiteres Jahr. Die Tarife ohne Bonus verlängern sich dagegen maximal um einen Monat. Kunden können also – auch durch die kurze Kündigungsfrist – bei einer Preiserhöhung schnell reagieren. Außerdem sind die Preise für die Kilowattstunde Gas rund einen Cent günstiger als bei den Bonus-Tarifen.
Wie schnell kann ich meinen alten Vertrag kündigen?
Wer noch in der Grundversorgung steckt, kann jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen kündigen. Bei neuen Verträgen hängen Laufzeit und Kündigungsfrist vom Tarif ab – so wie beschrieben.
Wie finde ich einen neuen Anbieter?
„Der Wechsel des Gasanbieters geht einfach“, sagt Ines Rutschmann vom Verbraucherportal Finanztip. Dabei helfen Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox. Diese Daten werden für einen Wechsel benötigt: Name, Anschrift, Gasverbrauch und Zählernummer sowie der gewünschte Lieferstart. „Der neue Versorger kündigt für Sie Ihren alten Vertrag. Es gibt kein Risiko, dass Ihnen das Gas abgestellt wird oder dass Sie gleichzeitig beim alten und neuen Anbieter einen Vertrag haben“, sagt Energieexpertin Rutschmann. Wenn alles mit dem bisherigen Lieferanten geregelt ist, schickt der neue Anbieter eine Vertragsbestätigung zu.
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Kann ich meinen Vermieter auf einen günstigeren Anbieter verpflichten?
Im Gegensatz zum Strompreis können längst nicht alle Haushalte in Hamburg Einfluss auf den Gaspreis nehmen. „Der Großteil der Mieter ist darauf angewiesen, welchen Gasversorger sein Vermieter auswählt“, sagt Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Nur 15 Prozent der Mieter, die direkt mit einem Gasversorger abrechnen, weil sie in der Wohnung eine Gastherme haben, können den Anbieter selbst wählen.
Wie hat sich der Rohölpreis entwickelt?
„Seit Mai sind wieder steigende Rohölpreise zu beobachten“, sagt Rohstoffexpertin Wellenreuther. Dies liege zum einen an einer langsamen Zunahme der Nachfrage nach Rohöl, begründet durch die Erholung der chinesischen Wirtschaft und der sukzessiven Lockerung der Lockdown-Maßnahmen in vielen Ländern. „Zum anderen hat die Opec+ ihr Angebot an Rohöl in den letzten Monaten drastisch gekürzt, um den Ölpreis zu stabilisieren.“
Soll man sich jetzt schon mit Heizöl bevorraten?
In den vergangenen zehn Jahren war der Heizölpreis nur einmal günstiger als aktuell und zwar im Januar 2016. Der Unterschied fällt aber mit knapp einem Euro je 100 Liter kaum ins Gewicht. 100 Liter Heizöl kosten in Hamburg rund 40 Euro. Die günstigsten Anbieter verlangen für eine Lieferung über 3000 Liter zwischen 1202 und 1215 Euro. „Im Vergleich zum Vorjahr sparen Heizölkunden derzeit durchschnittlich 720 Euro bei einer 3000-Liter-Standardbestellung“, sagt Claudia Lohse vom Vergleichsportal Esyoil. Dennoch bleibe es verhältnismäßig ruhig auf dem Heizölmarkt. „Viele Tanks sind bereits im Frühjahr gefüllt worden“, so die Expertin. Die Kaufbereitschaft unter den Kunden, die aktuell über eine Bestellung nachdenken, sei allerdings sehr hoch. „Heizölkunden, die noch Platz in ihrem Tank haben, sollten ihn möglichst bald auffüllen lassen“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. „Unabhängig von der weiteren Entwicklung des Nettopreises können sie so die geringere Mehrwertsteuer nutzen und den kommenden CO2-Preis zumindest hinauszögern.“
Wie verteuern sich Gas und Heizöl im nächsten Jahr?
Die Preisentwicklung von Öl und Gas an den Weltmärkten ist nach Einschätzung von Rohstoffexpertin Wellenreuther kaum vorauszusagen. Aber für Verbraucher wird Heizöl und Erdgas ab 1. Januar definitiv teurer. Die Mehrwertsteuer steigt wieder von 16 auf 19 Prozent und erstmals greift die CO2-Steuer. 20.000 kWh Erdgas verteuern sich so um 108 Euro im Jahr 2021 und 2000 Liter Heizöl kosten 158 Euro mehr. Bis zum Jahr 2025 hat dann eine Familie, die mit Öl heizt durch die jährlich steigenden Abgaben rund 1200 Euro mehr fürs Heizen ausgegeben. Erdgasnutzer haben eine Zusatzbelastung von rund 820 Euro nach fünf Jahren – steigende Rohstoffpreise noch nicht mit berücksichtigt.