Hamburg. Geschäftsführer Christoph Wöhlke über neue Dienstleistungen, die Rolle von Edeka bei Budni und eine Kooperation mit dem FC St. Pauli.
Christoph Wöhlke trägt weiße Sneakers und grauen Sweater – mit Budni-Logo. Sein Büro im ersten Stock der Firmenzentrale in Wandsbek ist aufgeräumt. Hinter dem Schreibtisch hängt ein überdimensionaler Octopus, eines seiner Lieblingstiere. Daneben lehnt ein selbstgebautes Rennrad an der Wand. Für kurzfristige Termine zwischendurch.
In den vergangenen Jahren hat der 41-Jährige die Geschäfte der Familienfirma, der Ivan Budnikowsky GmbH & Co.KG, gemeinsam mit seinem Vater geführt. Zu Beginn des neuen Jahres will Cord Wöhlke nach 50 Jahren im Unternehmen endgültig aus der Leitung aussteigen.
Cord Wöhlke übergibt die Budni-Leitung an Sohn Christoph
Wirklich? „Sehen Sie ihn hier irgendwo?“, fragt der neue starke Mann bei Budni und lacht. Im Abendblatt-Interview spricht er über die enge Zusammenarbeit mit Edeka, über neue Filialen in Hamburg und Berlin und über ein neues Duschgel für den FC St. Pauli.
Vor zwei Jahren hat Budnikowsky mit Deutschlands größter Supermarktkette Edeka eine Tochter, die Budni Handels- und Servicegesellschaft (BHSG), gegründet, die auch den Einkauf steuert. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Edeka die Mehrheit an dem gemeinsamen Unternehmen übernehmen will. Wie viel Budnikowsky steckt künftig überhaupt noch in den Budni-Märkten?
Christoph Wöhlke Genauso viel wie vorher. Vielleicht sogar noch mehr, da wir jetzt eher die Mittel haben, unsere Vorstellungen und vor allem die unserer Kunden, umzusetzen. Die Kooperation war von vornherein so angelegt, dass die gemeinsame Tochter-Gesellschaft, die für Aufgaben wie Einkauf, Marketing, Logistik und IT zuständig ist, nach und nach stärker in die Edeka eingegliedert wird. Die IT war zuvor zum Beispiel unsere Achillesferse. Da hat Edeka mit einigen hundert Mitarbeitern ganz andere Möglichkeiten. Aber unser Stammsitz, die Iwan Budnikowsky GmbH Co. KG mit den Budni-Märkten in der Metropolregion Hamburg und auch in Berlin, bleibt zu hundert Prozent in der Hand der Familie und unter unserer Führung. Wir sind weiter selbstständige Kaufleute und entscheiden, welche Filialen wir aufmachen und wie wir sie einrichten, welche Mitarbeiter wir einstellen und welche Sortimente wir anbieten.
Aber die Waren, die bei Budni im Regal stehen, werden nun von der von Edeka dominierten Servicegesellschaft eingekauft.
Von der gemeinsamen Tochtergesellschaft, an der wir nach wie vor beteiligt sind – das war der ursprüngliche Zweck und ist ein großer Vorteil. Denn gerade Markenprodukte kommen heute generell zum Großteil von wenigen weltweit agierenden Konzernen. Hier hatten wir als deutlich kleineres Unternehmen vorher wenig Spielraum bei den Verhandlungen. Das galt auch für die Eigenmarken. Da haben wir mit der Edeka an unserer Seite jetzt ganz andere Möglichkeiten. Zudem bestimmen wir immer noch selbst, wie wir die Schwerpunkte im Sortiment setzen. Denn unsere Filialen sind sehr individuell auf die jeweiligen Wohnviertel und die Kunden vor Ort abgestimmt.
Sie profitieren von besseren Einkaufskonditionen, andererseits müssen sie auch Geld an die gemeinsame Gesellschaft mit Edeka überweisen. Rechnet sich das trotzdem?
Wir mussten vorher auch für Leistungen wie etwa Einkauf oder Marketing bezahlen. Jetzt teilen wir uns die Kosten. Das bringt einen nicht unerheblichen Vorteil mit sich.
Wie abhängig machen Sie sich von Edeka? Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Edeka irgendwann das Interesse an Budni verliert?
So eine Zusammenarbeit ist auf Dauer angelegt. Natürlich gibt es immer ein unternehmerisches Risiko, aber Edeka ist für uns der ideale Partner. Es handelt sich schließlich um eine Genossenschaft, die den Kaufleuten gehört.
Wie reagieren die Mitarbeiter auf die Veränderungen im Unternehmen?
Für die Filialmitarbeiter hat sich wenig geändert. Mit der Kooperation haben wir zudem dafür gesorgt, dass ihre Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. Auch in der Zentrale in Wandsbek hat sich nicht für alle etwas geändert. Bei den knapp 70 Mitarbeitern, die in die Edeka-Zentrale in der City Nord gewechselt sind, gibt es die ganze Bandbreite an Reaktionen – von denen, die nach der Phase der Unsicherheit nun froh über die neue Perspektive sind bis hin zu denen, die sagen: Früher war alles viel besser. Aber wir haben als Unternehmen gelernt, dass offene Kommunikation hilft. Menschen können am besten mit Dingen umgehen, wenn sie wissen, wohin die Reise geht.
Gibt es Nachteile für die Mitarbeiter?
Nein, alle behalten ihre Verträge. Die, die gewechselt sind, haben sogar Vorteile – eine Kantine zum Beispiel.
Welche Rolle spielt die Familie Wöhlke künftig bei Budnikowsky?
Die Iwan Budnikowsky GmbH Co. KG mit ihren Filialen in der Hamburger Metropolregion und Berlin bleibt als Familienunternehmen zu 100 Prozent in der Hand der Familie. Wir haben familiär die ersten Schritte der neuen Tochter-Gesellschaft sehr intensiv begleitet. Nun steht für uns die Frage im Fokus, wie wir als Familie maximal erfolgreich unsere Filialen in der Metropolregion Hamburg und Berlin weiterentwickeln können. Mein Vater hat ja bereits angekündigt, dass er nach seinem 70. Geburtstag die Geschäftsführung verlassen wird. Er wird dann voraussichtlich in den Beirat unseres Unternehmens wechseln. Als weiteren Geschäftsführer haben wir Carsten Neumann gewinnen können, mit dem ich mir jetzt die Geschäftsführung teile. Er bringt eine große Erfahrung aus unterschiedlichen Bereichen mit und ist auch schon im Edeka-Verbund tätig gewesen. Ich freue mich sehr, dass wir mit ihm die Geschäftsführung verstärken konnten.
Wie sind die Zuständigkeiten aufgeteilt?
Ich verantwortete die Filialen sowie die Expansion. Carsten Neumann die Finanzen, IT und Mitarbeiter.
Gibt es einen Primus inter Pares?
Nein, bewusst nicht. Es ist ja immer so, dass man mit dem Familiennamen gerne eine Sonderrolle übergestülpt bekommt. Aber mein Interesse ist es, dass wir die Führung haben, die diese Unternehmensgröße benötigt. Da kann es keine unterschiedlichen Hierarchien in der Geschäftsführung geben. Heute sind Entscheidungen so komplex, dass man sie im Dialog treffen muss. Wir sind gleichberechtigte Geschäftsführer.
Damit geben Sie ja noch mehr Macht ab?
Ich sehe darin keine Machtfrage, letztlich geht es um die beste Lösung für unser Unternehmen. Und: Carsten Neumann ist zwar ein Edeka-Gewächs, heute aber nicht mehr für die Edeka tätig. Sondern für die Iwan Budnikowsky GmbH Co. KG. Für mich ist es eine absolute Wunschkonstellation.
Welche Rolle hat ihr Vater zukünftig?
Er ist und bleibt Gesellschafter, wechselt von der Geschäftsführung in den Beirat und bleibt dem Unternehmen eng verbunden.
Wer sitzt außerdem im Beirat?
Ein Vertreter von Ruth Wöhlke, der Hauptgesellschafterin. Der Finanzvorstand von Gebrüder Heinemann sowie ein Edeka-Kaufmann. Ein sehr kompetentes und eingespieltes Gremium.
Und was macht nun Ihre Schwester Julia, die überraschend aus dem operativen Geschäft ausgeschieden ist?
Sie verantwortet künftig ihr und unser aller Herzensprojekt: die Budnianer Hilfe. Diese wird schon immer von der Familie geprägt und hat mit Julia Wöhlke nun die ideale Nachfolgerin. Gabriele Wöhlke, unsere Mutter, die bis dato die Verantwortung inne hatte, kann sich kein besseres Set-up für die Zukunft der Budnianer Hilfe vorstellen. Auch mein Bruder Nicolas wird das Unternehmen übrigens weiter im Vertrieb unterstützen.
Wie sieht es bei den Filialen aus? Was haben sie in Hamburg und Berlin vor?
Wir beschäftigen uns in Hamburg intensiv mit der Profitabilität unseres Filial-netzes. Aktuell haben wir in der Metropolregion rund 180 Filialen, die wir intensiv auf Kundenfrequenz, Modernisierungsgrad, Sortimente, Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit überprüfen. In Berlin suchen wir dagegen die nächsten richtigen Standorte für uns.
Wird es auch Neueröffnungen geben?
Natürlich. Im laufenden Jahre haben wir bereits sechs neue Standorte eröffnet. Zuletzt gerade in Geesthacht. Wir werden Anfang nächsten Jahres zudem eine zweite Filiale am Schulterblatt eröffnen. Bislang sind für 2020 drei neue Budnis in der Metropolregion fest eingeplant. Da wird dann sicher noch die eine oder andere Filiale dazu kommen.
Wie steht es um die Rentabilität?
Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2018/19 werden zwar erst im nächsten Jahr veröffentlicht. Aber wir können sagen, dass wir die Verluste seit 2016 insgesamt verringert haben. Im Vergleich zu 2018/19 läuft es vor allem bei den Filialumsätzen und beim Wachstum deutlich besser. Wir wachsen stärker als der Markt und gewinnen an Marktanteilen wieder hinzu. Auf Grund der Investitionen in IT und Strukturveränderungen erwarten wir auch für 2018/19 und 2020 noch einen Verlust. 2021 wollen wir dann zurück in der Gewinnzone sein.
Wie laufen die beiden Budni-Standorte in Berlin?
Wir sind sehr zufrieden, wachsen am Markt und an uns. Mitunter durch stete Anpassungen des Sortiments. Das Ergebnis: Adäquates Umsatzwachstum und eine Grundlage, sich nach weiteren Standorten im innerstädtischen Bereich umzusehen.
Gibt es Unterschiede zwischen den Kunden in Hamburg und Berlin?
Unterschiede gibt es viele. Das aber nicht nur zwischen Hamburg und Berlin, sondern zwischen den Kunden in allen unseren Filialen. Und darauf gehen wir mit unterschiedlichen Sortimenten je nach Standort und Anforderungen der Nachbarn ein. Was man aber dennoch festhalten kann: In Berlin, Prenzlauer Berg, hat man einen noch konsequenteren Anspruch an Nachhaltigkeit als in Hamburg. So wird in allen Sortimenten ein wesentlich größerer Anteil an nachhaltigen Produkten erwartet.
Wie ist der Empfang von der Konkurrenz in Berlin gewesen? Haben Rossmann oder dm versucht, sie mit niedrigen Preisen aus dem Markt zu drängen?
Ja klar, das gehört dazu. Die Konkurrenz vor Ort hat mit Preissenkungen, Werbeaktionen und der Renovierung von Nachbarfilialen gekontert. Aber das ist ganz normal.
In Hamburg expandieren die mächtigen Konkurrenten dm und Müller. Spüren Sie das?
Selbstverständlich, in Hamburg ist der Drogeriemarkt heiß umkämpft, hier gibt es die höchste Dichte an Drogeriemärkten in ganz Deutschland. Aber auf der anderen Seite merkt man auch, dass der Wettbewerb nicht mehr so schnell expandiert wie früher sowie auch seine Preisstrategie verändert hat. Eine Zeit lang waren wir für manchen Mitbewerber sicher auch ein Übernahmekandidat. Aber nun machen wir sehr konsequent unsere ökonomischen Hausaufgaben. Ein Ergebnis ist, dass wir viele Preise quer durch das Sortiment senken konnten und auch bei den Sonderpreisen viel wettbewerbsfähiger geworden sind.
Gibt es Pläne für den Online-Handel?
(lacht) Nein, immer noch nicht. Die Frage ist doch, ob wir mit dem Online-Handel einen echten Kunden-Mehrwert schaffen können. Das sehe ich im Moment nicht. Wenn Sie einen Online-Handel haben, der defizitär ist, dann zahlt das letztlich der Kunde in der Filiale. Es geht eher darum, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die eine intelligente und rentable Verbindung von Online und Offline, die dem Kunden sinnvoll das Leben erleichtern.
Was meinen Sie damit konkret?
Wir haben zum Beispiel gerade ein Pilotprojekt mit dem Paketdienstleister DPD gestartet. In einigen Filialen bieten wir bereits in einer Testphase – ähnlich wie in einem Paketshop – Dienstleistungen wie Abholung und Annahme von Paketen an. Denn ich bin mir sicher: Wenn man als Händler ein ausreichend gutes Angebot an Waren und Dienstleistungen hat, wird man auch die nachbarschaftliche Bedeutung erhalten können.
In wie vielen Filialen gibt es das DPD-Angebot bereits?
Bisher in 20 Filialen. Läuft es gut, dann kann ich mir sehr gut eine Ausweitung vorstellen. Allerdings muss man ganz genau schauen, in welchen Filialen das räumlich und personell sinnvoll ist.
Mit dem FC St. Pauli gibt es eine schon länger eine Kooperation. Die so genannten „Antifa“-Duschgels, die Sie im vergangenen Jahr vertrieben haben, haben Ihnen viel Ärger eingebracht – sowohl aus der rechten Szene als auch vom Lieferanten Henkel, der das Produkt als Anspielung auf seine Marke Fa verstanden hatte.
Die „Antifa“-Produkte haben mir durchaus die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet. Es ist doch erstaunlich, womit man welche Reaktionen hervorrufen kann. Sprungbrett für viele neue Gefühle ist unser neuestes Unisex-Pflegeserie „Lieb doch wenn du willst“.
Zum Schluss eine Frage an den bekennenden St.Pauli-Fan und -Dauerkarten-Inhaber Christoph Wöhlke: Macht Ihnen der aktuelle sportliche Zustand Ihres Lieblingsvereins in der Zweiten Bundesliga Sorgen?
Fußball ist nichts, was mir Sorgen bereitet. Mehr Tore würden aber sicher nicht schaden – für den Klassenerhalt und die Emotionen im Stadion.