Hamburg. Neunter Teil der Serie: Mit Zinspilot und Savedo hat Tim Sievers bereits viel Geld von 175.000 Kunden vermittelt.

Mehr als ein Jahr hat Tim Sievers an der Idee gefeilt: Eine Art Supermarkt für Zinsanlagen, ohne dass die Kunden immer wieder neue Bankverbindungen eingehen müssen. Die Internetplattform Zinspilot des Hamburger Unternehmens Deposit Solutions bietet 91 Zinsangebote für Tages- und Festgeld von 18 Banken aus neun Ländern.

In den virtuellen Regalen des Zinsportals stehen Tages- und Festgeldangebote der Hamburg Commercial Bank (früher HSH Nordbank), der französischen Money Bank oder der BNF Bank aus Malta. In einer historischen Niedrigzinsphase, in der in Deutschland mehr als 800 Banken keine Zinsen mehr für Tagesgeld zahlen, werden von vielen Sparern Alternativen gesucht. Bis zu 1,85 Prozent Zinsen können Anleger für eine Festgeldanlage bei Zinspilot und dem Portal Savedo, das 2017 übernommen wurde, noch kassieren. Beim Tagesgeld liegt die höchste Verzinsung bei 0,51 Prozent.

Nach einigen Jahren Berufstätigkeit hatte der Volkswirt Sievers eine größere Summe angespart, die er sicher und verzinst anlegen wollte. Doch die Hausbank macht kaum die besten Zinsangebote. „Wer aber andere Angebote nutzen will, der hatte viel Aufwand und Schriftkram“, sagt Sievers. Mit jeder neuen Bankverbindung muss sich der Kunde erneut identifizieren und Online-Zugänge anlegen. „Das Thema Spareinlagen fand ich spannend“, sagt Sievers. Es geht um große Beträge, und jeder ist damit konfrontiert, weil er diese Anlageform schon einmal genutzt hat. Auf Tages- und Festgeldkonten horten die Deutschen 2,5 Billionen Euro. In Europa hat der Markt eine Größe von zehn Billionen Euro.

Mit 23 Jahren sein erstes Unternehmen

In unmittelbarer Hafennähe in einem Backsteinbau mit einem spektakulären Ausblick über St. Pauli hat Sievers abseits der Bankenmetropole Frankfurt das Fundament für ein digitales Finanzhaus gelegt. Ein Jahr nach der Unternehmensgründung vor acht Jahren hatte er nur fünf Beschäftigte, inzwischen beschäftigt das Unternehmen 300 Mitarbeiter aus 40 Nationen. Firmensprache ist Englisch. Die Firma bietet Deutschkurse für die ausländischen Mitarbeiter und Englischkurse für Deutsche an. Das schnelle Wachstum erfordert jetzt den Umzug in ein neues Quartier am Gänsemarkt.

Inzwischen haben 175.000 Kunden rund zwölf Milliarden Euro bei Zinspilot und Savedo angelegt. Jetzt wird die Internationalisierung des Geschäfts vorangetrieben. Finanzinvestoren wie die Londoner Private-Equity-Gesellschaft Vitruvian Partners und die schwedische Investmentgesellschaft Kinnevik stellten zuletzt dafür knapp 90 Millionen Euro zur Verfügung. Mehr als 20 Prozent der Anteile hält Sievers noch selbst an dem Unternehmen, das nach der letzten Finanzierungsrunde im August 2018 mit 440 Millionen Euro bewertet wird. Sievers bleibt bei allem Erfolg bescheiden.

Schon mit 23 Jahren, gleich nach dem Bachelor-Studium in Oxford, gründete er mit einem Freund sein erstes Unternehmen in Hamburg. In der Erfolgsphase der New Economy stellte die Firma für viele junge Unternehmen In­tranet-Lösungen für die firmeninterne Kommunikation zur Verfügung. Nach zwei Jahren verkaufte er die Firma und widmete sich wieder dem Studium, um in London den Master in Volkswirtschaftslehre zu machen und anschließend zu promovieren. „Ich hatte mich damals für eine akademische Karriere interessiert“, sagt Sievers. Doch dann kamen ihm Zweifel. Statt des Elfenbeinturms wählte er die Praxis, heuerte bei einer Private-Equity-Firma an, um so Einblick in viele andere Unternehmen zu bekommen. „Das war wie eine nachgeholte kaufmännische Ausbildung für mich“, sagt Sievers.

Eine Siegprämie von 50.000 Euro

Schon bei seiner ersten Firmengründung lernt er, wie wichtig es ist, an einer Idee festzuhalten, auch wenn es schwierig wird. Die Firmen der New Economy bekamen finanzielle Probleme. Doch Sievers fand mit Anwaltskanzleien und Versicherungen neue Kunden. Als er 2010 die ersten Überlegungen zu Deposit Solutions macht, ist er Mitte 30, verheiratet und hat zwei Kinder. „Das war schon eine andere Situation als bei der ersten Firmengründung, aber ich war mir doch ziemlich sicher, nachdem ich den Markt erforscht hatte“, sagt Sievers.

2011 gründet er die Firma ganz allein. 50.000 Euro Siegprämie für den Prototyp seiner Plattform aus einem Ideenwettbewerb geben den letzten Ausschlag. Nur bis zum Erfolg dauert es viel länger als gedacht. Und jeder Monat kostet Cash. „Die Gespräche mit den Banken zogen sich hin, bei der Finanzaufsicht BaFin gab es kaum einen Ansprechpartner für Start-ups. Das ist heute anders“, sagt Sievers. Er nutzt seine Plattform zunächst für die Verwaltung von Mietkautionskonten in der Wohnungswirtschaft und holt Mitte 2011 den ersten Business Angel an Bord: Stefan Wiskemann, der das Online-Auktionshaus Ricardo gegründet hatte. Er war von dem Konzept schnell überzeugt.

Ein halbes Jahr später steigt mit e.ventures ein Finanzinvestor ein. „Es geht darum, die Infrastruktur des Einlagengeschäfts neu aufzubauen und an das digitale Zeitalter anzupassen“, sagt Sievers. Mit nur einem Konto können die Sparer bei Zinspilot die Angebote mehrere Banken nutzen, und das auch im europäischen Ausland. Dazu müssen sich die Sparer auf der Vermittlungsplattform anmelden und ein Konto bei der Hamburger Sutor Bank eröffnen. Sie fungiert als eine Art Depotbank und Treuhänder. Das Kreditinstitut leitet das Geld der Kunden an die vom Kunden ausgewählte Bank weiter. Alle Einlagen sind bis zu 100.000 Euro pro Person abgesichert.

Nun ist die Expansion in die USA geplant

Auch aus Sicht der Banken läuft der Markt bei Spareinlagen nicht optimal. „Institute, die Spargelder einwerben wollen, müssen eine umfangreiche Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg aufbauen“, sagt Sievers. „All das entfällt mit unserer Plattform.“ Gleichzeitig können über diese Technologie Banken ihren Kunden Zinsangebote von anderen Instituten offerieren, ohne den Kundenkontakt zu verlieren. So hat die Deutsche Bank die Plattform in ihr Angebot inte­griert. Ihre Kunden können innerhalb ihrer eigenen Kontoverbindung von den höheren Zinsen einiger Deposit-Solutions-Partner profitieren. Auch viele Volksbanken kooperieren mit den Hamburgern. „Insgesamt arbeiten wir mit 90 Banken zusammen“, sagt Sievers. Das Geschäft läuft schon profitabel.

Deposit Solutions bekommt eine Vergütung von den Banken, bei denen die Kunden ihr Geld anlegen. Zahlen nennt Sievers nicht. „Das frische Kapital benötigen wir für die internationale Expansion“, sagt Sievers. Dazu hat er sich mit Andreas Dombret einen ehemaligen Bundesbank-Vorstand als Berater geholt. Seit Februar gibt es das Zinsportal Savedo, das bevorzugt für die internationale Expansion genutzt wird, in der Schweiz. Auch in den Niederlanden und Österreich ist Savedo schon aktiv. Das nächste Ziel ist Großbritannien. Nach Europa ist die Expansion in die USA geplant. Ein Büro in New York gibt es schon, und erste Partnerbanken dort sind bereits gewonnen.

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