Hamburg. In Hamburg gibt es noch fünf inhabergeführte Geldhäuser. Berenberg und M.M. Warburg haben Ertragsprobleme und Stellen abgebaut .
Echte Privatbankhäuser, die nicht längst zu einem großen Finanzkonzern gehören, sind in Deutschland sehr selten geworden. Von den mehr als 1400 Instituten, die noch in den 1920er- Jahren gezählt wurden, waren 30 Jahre später nur gut 200 übrig geblieben – und heute führt der Bundesverband deutscher Banken (BdB) gerade noch 22 Privatbankiers auf, fünf davon mit Hauptsitz in Hamburg. Hinzu kommen bundesweit rund ein Dutzend Geldhäuser, die inzwischen Teil einer Versicherungs- oder Bankengruppe sind, so wie etwa Donner & Reuschel (Signal-Iduna), Bethmann (ABN Amro) oder Hauck & Aufhäuser (Fosun aus China).
Einige Banken aus dieser kleinen Gruppe florieren in einer speziellen Nische. So hat sich Otto M. Schröder neben der Vermögensverwaltung auf Zwischenfinanzierungen für Immobilienprojekte spezialisiert und damit zuletzt steigende Gewinne erwirtschaftet. Die Sutor Bank kooperiert unter anderem mit einer Internetplattform für Tages- und Festgeldanlagen im Ausland und hat die Mitarbeiterzahl über die vergangenen Jahre ausgebaut.
Aber etliche andere Institute verspüren derzeit heftigen Gegenwind. Dazu gehören zwei Anbieter aus Hamburg: Bei Berenberg ist der Nettogewinn im Jahr 2018 von 90 Millionen Euro auf 23 Millionen Euro zurückgegangen, außerdem wurde im November bekannt, dass rund 150 Stellen wegfallen.
Anlageroboter erhöhen den Margendruck
Der Wettbewerber M.M. Warburg & CO musste erstmals seit Jahrzehnten auf Konzernebene sogar einen Verlust ausweisen. Beide Geldhäuser erklärten die Ergebnisverschlechterung unter anderem mit Belastungen durch die neue EU-Finanzmarktrichtlinie, wobei Berenberg angesichts der starken Ausrichtung auf das Investmentbanking nicht zuletzt unter dem Börseneinbruch gegen Ende 2018 litt. Und beide Hamburger Banken sind zudem im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in die Schlagzeilen geraten: Berenberg-Co-Chef Hendrik Riehmer steht im Verdacht, Insiderinformationen an Personen aus seinem privaten Umfeld weitergeben zu haben, gegen Führungskräfte von M.M. Warburg wird wegen angeblicher Steuerhinterziehung im Rahmen sogenannter Cum-Ex-Aktiengeschäfte ermittelt. Die Bank teilte dazu mit, man habe bei den Geschäften alle Vorschriften eingehalten.
Schlechte Nachrichten kamen aber auch von anderen Privatbanken. Bei Bethmann in Frankfurt läuft ein umfangreiches Stellenabbauprogramm, beim Bankhaus Lampe (Düsseldorf, gehört zur Oetker-Gruppe) ist die Mitarbeiterzahl 2018 gesunken, und es gelang nur durch Auflösung von Rücklagen, den Gewinn nahezu auf dem Vorjahresniveau zu halten. Darüber hinaus hat das einstmals größte europäische Privatbankhaus, Sal. Oppenheim aus Köln, das seit 2009 zur Deutschen Bank gehörte, im Sommer 2018 nach 229 Jahren den Geschäftsbetrieb eingestellt.
Steigende Ansprüche
„Die meisten der verbliebenen Privatbanken haben sich auf die Anlage von Kundengeldern konzentriert – und gerade dieses Geschäft wird heute durch die Finanzmarktregulierung massiv belastet“, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. „Die Vorschriften, die eigentlich dem Anlegerschutz dienen sollten, machen die Kundenberatung sehr viel aufwendiger.“ Tendenziell würden kleinere Häuser dadurch benachteiligt: „Wenn die Deutsche Bank eine Software für die Erfüllung der neuen Dokumentationsvorgaben erstellt, können Tausende von Beratern damit arbeiten.“ Eine Privatbank mit nur wenigen Beschäftigten muss aber die gleichen Vorschriften einhalten.
Ähnliches gilt für die im Zuge der Digitalisierung steigenden Ansprüche der Kunden. „Alle Banken haben tendenziell immer häufiger mit technologieaffinen Kunden zu tun, die einen bequemen Zugriff auf Funktionen und Informationen über elektronische Medien erwarten“, sagt Stefan Lamprecht, Branchenexperte und Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting in Hamburg. Solche Kunden möchten unter anderem „heute möglichst auf ihrem Smartphone sehen können, wie sich ihr Wertpapierportfolio gerade entwickelt“, erläutert Faust.
Es gibt ein Problem
Um die Kosten für die Digitalisierung und die Umsetzung der Regulierungsvorgaben auf mehr Kunden zu verteilen, könnten die Privatbanken anstreben, aus eigener Kraft zu wachsen, zumal sich der Kreis der vermögenden Anleger von Jahr zu Jahr vergrößert.
Doch da gibt es ein Problem, wie Faust sagt: „Qualifizierte Berater sind ein Engpassfaktor, daher wirbt man sich in der Branche komplette Teams gegenseitig ab.“ Ein breit aufgestellter Anbieter wie die Haspa könne zwar Personal für das gehobene „Private Banking“ aus dem eigenen Haus heranziehen, Spezialinstitute wie etwa Berenberg hätten diese Möglichkeit aber nicht. Natürlich sei Wachstum auch über Zukäufe realisierbar – „das hat zum Beispiel M.M. Warburg in den vergangenen Jahren exzessiv getan“, so Faust. Seit 1997 wurden nicht weniger als fünf kleinere Privatbanken übernommen. Vier von ihnen wurden inzwischen organisatorisch in die Muttergesellschaft eingegliedert, was 2018 zum Abbau von bundesweit rund 40 Arbeitsplätzen führte.
Regulatorische Hürden
Einen ähnlichen Kurs steuerte Bethmann; aufgrund mehrerer Übernahmen sind die Frankfurter nach eigenen Angaben mit einem verwalteten Vermögen von 36 Milliarden Euro nun der drittgrößte Private-Banking-Anbieter in der Bundesrepublik hinter der Deutschen Bank (86 Milliarden Euro) und der Commerzbank. Zum Vergleich: Die Haspa hat das Anlagevolumen in diesem Geschäftssegment im Jahr 2018 leicht auf 9,6 Milliarden Euro gesteigert. Sie gilt damit als die Nummer zwei in der Metropolregion hinter der Deutschen Bank.
Manche Privatbanken sahen sich durch die zunehmenden regulatorischen Hürden aber auch veranlasst, die klassische Vermögensberatung zurückzufahren: Anstatt in engem Dialog mit dem Kunden und in ständiger Absprache mit ihm auf Marktveränderungen zu reagieren, agiert die Bank innerhalb eines einmal festgelegten Rahmens selbstständig. Das Problem dabei: „Dafür nimmt dann auch das Ertragspotenzial für die Bank ab“, sagt Faust: „Früher berechnete man dem Kunden einen jährlichen Kostensatz von 1,4 oder 1,5 Prozent vom verwalteten Vermögen, heute gehen einige schon mit 0,7 Prozent in den Markt.“ Die sogenannten Anlageroboter haben diesen Margendruck noch verschärft.
Beratung bleibt wichtig
Lamprecht hält jedoch einen anderen Weg der Aufwandssenkung für sinnvoller: „Kleinere Häuser müssen sich überlegen, die Kosten für reine Abwicklungs- und Verwaltungsfunktionen, durch die man sich nicht im Wettbewerb von anderen abhebt, durch Kooperationen mit anderen Banken oder Bankengruppen zu senken.“ Eines steht für den Hamburger Experten aber fest: „Die Beratung muss und wird die Kernkompetenz einer Privatbank bleiben.“ Denn gerade bei vermögenden Kunden gehe es in der Regel um komplexe Fragestellungen, etwa um Nachfolgeregelungen oder um das Management von privaten Unternehmensbeteiligungen: „Wenn der Kunde die Kompetenz dafür bei Privatbanken nicht findet, wo findet er sie dann?“
Deren Ertragslage wird angesichts der Rahmenbedingungen zwar nach Auffassung von Faust „auch in den nächsten Jahren angespannt bleiben“. Es gebe aber einen Wettbewerbsvorteil, auf den diese Geldhäuser bauen können, glaubt Lamprecht: „Privatbankiers genießen bei Unternehmern als Kunden eine hohe Akzeptanz, weil man sich vom Selbstverständnis her nahe ist. Das schafft gute Voraussetzungen auch für das zukünftige Geschäft.“