Hamburg. Herwig Eggerstedt will viel reisen. Das Elmshorner Unternehmen bleibt aber in Familienhand und soll weiter wachsen.

Herwig Eggerstedt geht mit schnellen Schritten durch den Markt. Zielstrebig steuert er auf eine Wand mit Leinen und Halsbändern für Hunde zu. „Als wir vor gut 30 Jahren angefangen haben, hatten wir gerade mal zwei Regalmeter dafür“, sagt der Gründer der Fachhandelskette Das Futterhaus. Jetzt sind es locker 25 Meter. Es gibt Halsbänder in diversen Farben, Stärken und Materialien, Leinen mit Seilrolle oder ohne, dazu Ballschleudern, faltbare Reisematten und, und, und. Ein paar Gänge weiter liegen Katzenstreu mit Babypuderduft, Kräcker für Hamster, Reiniger für Teichwasser und natürlich Futter in allen Geschmacksrichtungen – in Tüten, Schachteln und Dosen. Das Futterhaus ist ein Supermarkt, nur für Tiere.

Futterhaus: 15.000 Tierprodukte und eine Hundewaschanlage

„Bei dem einen oder anderen Artikel kann man sich durchaus fragen, ob dieser zwingend notwendig ist“, sagt Eggerstedt. Aber die Vielfalt sei notwendig. „Im Sortiment ist nichts, was nicht gekauft wird.“ Knapp 15.000 Produkte stehen in dem gut 1000 Quadratmeter großen Elmshorner Laden in den Regalen, gut ein Drittel des Gesamtsortiments. Im ersten Stock werden Kleintiere verkauft. Draußen ist eine Hunde-Waschanlage installiert, mit Föhn. Auch morgens um kurz nach 10 Uhr sind die Parkplätze schon gut gefüllt.

375 Futterhaus-Märkte in Deutschland und Österreich

Eggerstedts Geschäftsmodell läuft bestens. Zu der Fachhandelskette für Tiernahrung und -bedarf, deren Markenzeichen ein gelber Hund mit großer schwarzer Stupsnase ist, zählen heute 375 Märkte mit gut 800 Mitarbeitern in Deutschland und Österreich. „Wir wachsen kontinuierlich“, sagt der Unternehmer. 368 Millionen Euro erlösten die größtenteils von Franchisenehmern geführten Standorte im vergangenen Jahr – ein Plus von fast sieben Prozent zum Vorjahr und ein neuer Rekord. Nur der Krefelder Anbieter Fressnapf ist noch größer. Inzwischen drängen auch Online-Händler wie Zooplus und Supermarktketten in den lukrativen Tierbedarf-Markt. Eggerstedt sieht die Konkurrenz betont gelassen. „Der Erfolg ist schön, aber macht mich nicht süchtig“, sagt er mit freundlichem Augenzwinkern hinter runden Brillengläsern.

Eggerstedt hat den Generationswechsel lange vorbereitet

Für ihn ist es einer der letzten Arbeitstage als Geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe. Mit 61 Jahren zieht sich der Firmengründer Anfang Mai komplett aus dem operativen Geschäft zurück. Schon in den vergangenen Jahren hat er den Generationswechsel eingeleitet, Anfang des Jahres die Verantwortung für die Abteilungen Personal und Umwelt abgegeben.

Von drei neuen Chefs gehören zwei zur Familie

Künftig wird das von einer Dreierspitze geführt – und bleibt trotzdem ein Familienbetrieb: Neben seinem Sohn Andreas Schulz, der schon seit Jahren den Vertrieb leitet und für die Expansion zuständig ist, und dem Einkaufs- und Sortimentsexperten Klaus Meyer-Kortenbach gehört seit Oktober Schwiegersohn Kristof Eggerstedt für die Bereiche Geschäftsentwicklung und Marketing zur Geschäftsleitung. Anders als andere hanseatische Unternehmer will Eggerstedt wirklich einen Schlussstrich ziehen – und sich nicht mehr ins Geschäft einmischen. „Wie soll sich die Firma sonst weiterentwickeln?“

Futterhaus statt Bioladen

Seine ungewöhnliche Unternehmerkarriere hatte Eggerstedt 1987 begonnen. Nach zehn Jahren bei einem großen Tierfutterhersteller beschloss der Einzelhandelskaufmann, der beim Kaufhof an der Mönckebergstraße gelernt hatte, sich selbstständig zu machen und einen Bioladen zu eröffnen. Eigentlich. Bei genauer Betrachtung erschien ihm das Warenangebot im Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe aber zu klein. Bessere Chancen witterte Eggerstedt in der Tierbedarfsbranche, damals noch in der Hand von kleinen Zoofachgeschäften, und schwenkte kurzerhand um.

Er plünderte das Sparbuch, lieh sich Geld zusammen und kam auf insgesamt 120.000 Mark Startkapital. Im November 1987 eröffnete er mit Ehefrau Marion den ersten Futterhaus-Markt in Pinneberg, das mit 400 Quadratmetern größte Zoofachgeschäft Norddeutschlands und deutschlandweit das einzige, das Produkte aus dem Fach- und Einzelhandel vereinte. So fing es an. „Für die Lebensgeschichte wäre ein Bioladen vielleicht schöner gewesen“, sagt der Gründer. „Jetzt mache ich die Menschen mit Hundefutter glücklich.“

Der Gründer mag bunte Hemden und seinen roten Porsche

Das klingt ein bisschen schnoddrig, aber passt. Eggerstedt ist kein glatter Geschäftsmann. Eher der norddeutsche Typ, der klare Worte schätzt und gern mal einen Witz macht. Ein Macher. Er liebt es bunt, trägt hellrotes Hemd mit grünen Blättern zur gelben Hose — für den 1,86-Mann kein modischer Zwischenfall, sondern ein Statement. Tiere mag er, aber seit dem Tod des Familienhundes Gianna 2005 haben er und seine Frau kein Haustier mehr.

Er fährt einen alten Porsche in knalligem Rot und für den Alltagsgebrauch einen Wagen mit Hybridantrieb. Zum Gespräch mit dem Abendblatt hat er in die Futterhaus-Zentrale einige Kilometer von der Elmshorner Filiale entfernt gebeten. In seinem Büro hängt ein Bild, das eine Szene in Havanna zeigt und das Konterfei von Che Guevara. Einen seiner Jugendhelden.

Am Anfang kamen nicht genug Kunden

Die ersten Jahre als Unternehmer waren nicht einfach. „Alle fanden unseren Laden eine interessante Idee, aber richtig funktioniert hat erst mal nichts: zu wenige Kunden, zu wenig Umsatz, zu wenig Ertrag“, sagt Eggerstedt. Das Geld war immer knapp. Er und seine Frau wechselten sich im Laden und zu Hause bei der Betreuung der drei Kinder ab. Erst nach und nach bekamen sie ein Gefühl dafür, was die Kunden wollten.

Und das waren nicht nur Futter und andere „vernünftige“ Tierbedarfsartikel, so Eggerstedt, sondern auch eine wachsende Auswahl an Hundeleinen oder Meisenknödel im Hochsommer. Innerhalb von fünf Jahren eröffneten drei weitere Futterhaus-Filialen in der Region. 1993 kam der erste Franchise-Partner in Wedel dazu. Seit 2003 hat Futterhaus eigene Handelsmarken im Sortiment. Alles, was verdient wurde, steckte Eggerstedt wieder ins Unternehmen – die Familie lebte eher bescheiden. „Zweimal waren wir in einer gefährlichen Schieflage, seitdem habe ich einen Sicherheitsfimmel“, sagt der Unternehmer.

Schon früh bot die Firma wieder Futter unverpackt an

Auch deshalb ist es ihm wichtig, dass das Futterhaus ein Familienunternehmen bleibt. „So ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es mit den Werten weitergeführt wird, mit denen ich es aufgebaut habe“, sagt Herwig Eggerstedt. Ihm sei immer wichtig gewesen, dass es „sozial“ abläuft. „Wir haben unsere Mitarbeiter immer ordentlich bezahlt und sind gut mit ihnen umgegangen.“ Auch Aspekte wie Umweltverträglichkeit, biologisch produzierte und regionale Produkte hätten früh eine Rolle bei Futterhaus gespielt. „Wir waren die Ersten, die wieder unverpacktes Futter angeboten haben“, sagt der Firmengründer.

Seit diesem Jahr gibt es im Futterhaus einen Manager für Umwelt- und Energiemanagement. Für die nächsten Jahren steht der weitere Ausbau des Filialnetzes auf der Agenda. Im vergangenen Jahr hat Futterhaus 30 neue Standorte eröffnet, in diesem Jahr sind 30 weitere Neueröffnungen vor allem in Ost- und Süddeutschland sowie in Österreich geplant.

34 Millionen Hunde, Katzen und Co. gibt es bundesweit

Es geht um einen Milliardenmarkt. Nach einer Erhebung des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands gibt es 34 Millionen Hunde, Katzen, Nagetiere, Fische und Vögel im Land. In jedem zweiten Haushalt wird demnach inzwischen ein Haustier gehalten. Insgesamt setzen der Fachhandel und der Lebensmitteleinzelhandel in der Bundesrepublik nach Angaben des Industrieverbands Heimtierbedarf im Jahr 4,8 Milliarden Euro mit Hundefutter, Katzenstreu und sonstigem Tierbedarf um.

Bis jetzt kaufen die Halter Tierfutter vor allem im Fachhandel oder im Supermarkt ein, aber das Internet gewinnt auch für Heimtierprodukte zunehmend an Bedeutung. 2017 betrug das geschätzte Umsatzvolumen im Netz etwa 580 Millionen Euro – ein deutliches Plus im Vergleich zum Vorjahr. Das Futterhaus hat keinen Onlineshop. „Im Moment sehen wir keine Möglichkeit, damit Geld zu verdienen“, sagt Eggerstedt. Aber er weiß auch, dass sich das ändern wird. Wie das Onlineangebot der Elmshorner aussehen wird, müssen in Zukunft seine Nachfolger entscheiden.

Eggerstedt plant mit seiner Frau eine Wohnmobil-Tour

Herwig Eggerstedt ist raus. Er will viel auf Reisen sein. Gerade war er mit seiner Frau auf einer Kreuzfahrt, als nächstes geht es mit dem elf Jahre alten Familien-Wohnmobil nach Korsika und Sardinien. Im Herbst steht ein Familienurlaub mit allen Kindern und den drei Enkeln auf Bali auf dem Programm, wo seine jüngste Tochter lebt. Gute Familienverhältnisse sind Eggerstedt sehr wichtig. „Wenn wir zusammen sind, reden wir kaum über die Firma“, sagt der Gründer mit großer Leidenschaft für und Oldtimer-Autos. Am 4. Mai wird noch mal groß gefeiert. „Ich weiß noch nicht, ob mir der Abschied schwer fällt“, sagt Herwig Eggerstedt. Aber es gibt Anzeichen, dass er schon angefangen hat, locker zu lassen. Wenn er heute durch einen Futterhaus-Markt geht, dreht er nicht mehr reflexhaft die Dosen im Regal so um, dass die Etiketten richtig zu sehen sind. „Das konnte ich früher nicht.“

Der Erfolg ist schön,aber macht mich nicht süchtigHerwig Eggerstedt,