Hamburg. DHL, Hermes und DPD wollen in Hamburg verstärkt alternative Antriebe einsetzen. Bisher lief die Umstellung aber schleppend.

Wenn seine Tour durch die HafenCity sich dem Ende nähert, er die meisten Pakete bei den Empfängern abgeliefert hat und die Ladestandsanzeige signalisiert, dass der Akku ausreichend gefüllt ist, gönnt sich Serdar Aydin bisweilen spürbar mehr Fahrvergnügen – und schaltet sein Tripl in den Boost-Modus. „Das macht richtig viel Spaß“, sagt der beim Paketdienst DPD angestellte Zusteller. Denn dann haben beim Ampelstart selbst schnittige Sportwagen Mühe, mit Aydins von einem Elek­tromotor angetriebenen und eher klobig wirkenden Dreirad mitzuhalten.

Dessen über der Vorderachse montierter Laderaum hat 800 Liter Volumen, gut 50 kleinere Pakete passen hinein. Aydin und seine Kollegen, die seit dem Sommer mit Spitzentempo 45 auf zwei Tripls des dänischen Herstellers Ewii durch den Stadtteil kurven, sind eine Attraktion. „Man wird häufig angesprochen, die Leute wollen wissen, was das für ein Fahrzeug ist“, sagt er. Neulich im Alten Elbtunnel sei er sogar von Touristen gestoppt worden, die unbedingt Fotos mit ihm und dem als Moped zugelassenen Dreirad machen wollten.

Mit dem Dreirad bis vor die Tür

Das ist nur einer der Gründe, warum das Tripl den Arbeitsalltag des Paketzustellers entscheidend verändert hat: Statt lange nach einem Parkplatz für seinen Transporter zu suchen und mit Paketen unter dem Arm weite Wege zum Empfänger laufen zu müssen, fährt er jetzt zumeist direkt bis vor die Tür. „Du kannst mit dem Tripl stehen, wo du möchtest“, sagt Aydin. Solange Fußgänger noch durchkommen, auch auf dem Bürgersteig.

Für Aydins Arbeitgeber DPD ist es ein Test. Er erprobt bundesweit derzeit acht der gut 12.000 Euro teuren Dreiräder. Zwei in der HafenCity, eines in Norderstedt, die anderen in Berlin und Köln. Im Kern geht es um die Frage, ob das Tripl ein Teil der Zukunft der Paketzustellung in der Stadt sein kann.

250.000 Pakete pro Tag

Dass die sich grundlegend verändern muss und wird, ist seit Langem klar: Die Paketmengen – und damit die Zahl der Zustellfahrzeuge – wachsen jedes Jahr im hohen einstelligen Prozentbereich. Laut Schätzungen und Hochrechnungen dürften es allein in Hamburg mittlerweile mindestens 1500 Transporter sein, die an einem normalen Werktag um die 250.000 Pakete zu Empfängern und Abholshops transportieren – und dabei besonders in der Innenstadt oft ein nerviges Verkehrshindernis sind. Zudem werden die Transporter ganz überwiegend von Dieselmotoren angetrieben – und könnten deshalb von Fahrverboten in besonders von Stickoxiden belasteten Städten gestoppt werden.

Ankündigungen und Absichtserklärungen der Zustellunternehmen, ihre Fahrzeugflotten in Städten auf Elektroantrieb umzustellen, gibt es seit Jahren. Doch eine Umfrage des Abendblatts bei den fünf größten Paketdiensten in Deutschland – DHL, Hermes, DPD, GLS und UPS – zeigt: Bislang ist die Mehrzahl von ihnen über Pilottests und den Einsatz von Vorserienmodellen nicht hinausgekommen. Der Anteil der Fahrzeuge, die keine gesundheits- und umweltschädlichen Abgase in die Hamburger Luft pusten, ist weiter gering (siehe Beistück). In den vergangenen Jahren, heißt es in einer Mitteilung der Hamburger Wirtschaftsbehörde, sei „noch kein nennenswerter Fahrzeughochlauf mit E-Transportern möglich“ gewesen. Nun aber kommt Bewegung in die Umstellung auf den Antrieb aus dem Akku.

Vollständige Umstellung bei DPD bis Sommer 2019

„Wir werden die Zustellung in der Hamburger Innenstadt bis spätestens Sommer 2019 vollständig auf Elektromobilität umstellen“, sagte DPD-Chef Boris Winkelmann dem Abendblatt. Die täglich etwa zehn Zustelltouren des Paketdienstes in Alt- und Neustadt, HafenCity, St. Georg, Hammerbrook, Steinwerder und auf dem Kleinen Grasbrook sollen ausschließlich von eCrafter-Transportern von VW, Tripls und Lastenrädern mit E-Motor gefahren werden. Und auch GLS kündigt an: „Im kommenden Frühjahr plant GLS die emissionsfreie Belieferung der Hamburger Innenstadt.“ Voraussichtlich in der Altstadt, in St. Georg und Hammerbrook sollen die Boten auf Elektrorädern und in E-Transportern vorfahren.

Marktführer DHL will von 2019 an die motorisierte Paketzustellung in der City komplett auf Elektroantrieb umstellen, kann aber für die Hansestadt keinen Termin nennen, bis wann das geschehen sein soll. UPS – neben DHL der Dienst mit dem höchsten Anteil von Elektrotransportern in der Hamburger Zustellflotte – ist in der City fast nur noch mit E-Antrieb unterwegs. Dass nun mehr Tempo in die Umstellung der Flotten kommen soll, liegt vor allem daran, dass erst jetzt – und später als erwartet – für das Paketgeschäft geeignete Transporter mit E-Antrieb auf den Markt kommen.

Hermes hinkt bei E-Auto-Plänen hinterher

Bei DHL soll der neue und bislang größte Streetscooter namens Work XL, der mehr als 200 Pakete fasst und dessen Serienproduktion Anfang Oktober begonnen hat, einen Sprung nach vorn ermöglichen. Die Otto-Tochter Hermes, die bereits vor geraumer Zeit ambitionierte Umstellungspläne und eine strategische Partnerschaft mit Daimler bekannt gegeben hat, erwartet, dass noch 2018 die ersten Kleintransporter des Modells eVito aus der Serienproduktion in Dienst gestellt werden können. Im ersten Halbjahr 2019 sollen Vorserienmodelle des größeren eSprinter folgen. Es ist die Fahrzeugklasse, die für viele Zustelltouren am besten geeignet ist. Ursprünglich sollte das alles aber schneller gehen. Vor gut einem Jahr hatte der damalige Hermes-Chef Frank Rausch im Abendblatt angekündigt, das Unternehmen werde bereits 2019 ganz Hamburg mit emissionsfreien Fahrzeugen beliefern. Mittlerweile wird bei Hermes das Jahr 2020 genannt.

Die Hersteller können bald mittelgroße E-Fahrzeuge liefern, die vier DHL-Konkurrenten profitieren zudem von einem Förderprogramm. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) startete im Oktober das Projekt Zukunft.de, bei dem Hamburg federführend ist. Eines der Ziele: Bis 2020 sollen – unter anderem für den Einsatz in der Hansestadt – bundesweit bis zu 500 Elektrotransporter für die innerstädtische Paketzustellung beschafft werden. Scheuers Ministerium ist bei Zukunft.de mit 9,9 Millionen Euro dabei.

Trotz allem dürfte es noch Jahre dauern, bis das letzte dieselgetriebene Paketauto in Hamburg außer Dienst gestellt wird. Die für die Zustellung vieler Pakete an einen Adressaten – etwa Geschäfte in der City – am besten geeigneten 7,5-Tonner fehlen weiterhin. Zudem sind wesentliche Fragen der Umstellung auf Elektroantrieb unbeantwortet. Vor allem: Sie löst nicht jedes Problem.

Mikrodepots von UPS

Wenn massenweise Pakettransporter den Verkehr auf Innenstadtstraßen behindern, spielt es keine Rolle, ob die Wagen von einem Diesel- oder einem Elektromotor angetrieben werden. Kleine, wendige Fahrzeuge wie das Tripl oder Lastenräder mit Elektromotor gelten daher als wichtiger Baustein in der Citylogistik. Alle großen Zustelldienste setzen sie ein. Doch wirklich sinnvoll ist das nur, wenn der knappe Transportraum in einem Zwischenlager in der Nähe des Zustellgebiets aufgefüllt werden kann. UPS betreibt seit 2012 mehrere Mikrodepots in der City und hat das Konzept auf andere Städte übertragen, doch bei den anderen Diensten fehlen sie noch.

So musste Serdar Aydin bis vor Kurzem nach jeder Tripl-Tour bis nach Wilhelmsburg fahren, um im DPD-Paketzentrum nachzuladen. Erst seit wenigen Tagen kann er das in der HafenCity tun. Sein Arbeitgeber hat zwei Tiefgaragenstellplätze zum Mikrodepot umgerüstet. Standorte für einen Container oder einen Lkw-Auflieger als Mikrodepot sind in der City allerdings kaum zu finden. Neidvoll blicken die Paketlogistiker auf Carsharing-Dienste, denen Parkplätze frei gehalten werden. Da und dort heißt es hinter vorgehaltener Hand, die Behörden der Hansestadt seien nicht gerade hilfreich bei der Schaffung von Mikrodepots.

Subunternehmen scheuen die hohen Kosten

Weithin unklar ist: Wo eigentlich sollen so viele Elektrotransporter – am besten mit Ökostrom – aufgeladen werden? In Hamburg gibt es zwar fast 800 öffentliche Ladepunkte – doch die Stromtankstellen sind nicht dazu gedacht und geeignet, große Fahrzeugflotten privater Unternehmen mit Starkstrom aufzuladen. Hermes baut im neuen Hamburger Paketzentrum, das im Februar 2019 in Billbrook in Betrieb gehen soll, 50 Ladestationen, für das Unternehmen sind aber mehr als 200 Fahrzeuge in der Stadt unterwegs. Die Infrastruktur zu schaffen, ist teuer. So investiert DPD in seinem Paketzentrum deutlich mehr als 100.000 Euro in die Ladevorrichtungen allein für das knappe Dutzend E-Fahrzeuge, die ab Sommer die City beliefern sollen. Fast alle Dienste haben Preiserhöhungen angekündigt oder bereits umgesetzt. Eine der Begründungen: Die hohen Investitionen bei der Umstellung auf Elektromobilität.

„Alleine können wir das nicht stemmen“, erklärte unlängst Oliver Lanka, der bei Hermes für das Flottenmanagement zuständig ist. Er forderte einen massiven Ausbau des Ladenetzes durch die öffentliche Hand und sprach sich für neue Stromtankstellen auf nachts ungenutzten Parkplätzen von Supermärkten aus. „Die fehlende Ladeinfrastruktur ist das größte noch ungelöste Problem bei der Umstellung auf Elektromobilität“, sagt der Hamburger Paketlogistikexperte und Geschäftsführer der Unternehmensberatung MRU, Horst Manner-Romberg. Eine Prognose, wann sie in Hamburg vollzogen sein könnte, will er deshalb nicht wagen.

Flotten in fremder Hand

Eine weitere Hürde: Nicht alle Paketdienste haben ihre Flotten selbst in der Hand. Mit DHL und UPS besitzen nur zwei der fünf größten Anbieter in Hamburg zumindest die meisten Fahrzeuge, die die Pakete transportieren. Für Hermes, DPD und GLS dagegen erledigen fast ausschließlich kleinere Transportunternehmen die Zustellung. Sie stellen die Boten und die Fahrzeuge – und können nicht gezwungen werden, deutlich teurere Elektrotransporter anzuschaffen.

Vielen Transportpartnern seien die Anschaffungskosten noch zu hoch, heißt es etwa bei GLS. DPD arbeitet nach eigenen Angaben bei der Erprobung von alternativen Fahrzeugen mit seinen Systempartnern zusammen – etwa, indem DPD einen Teil der Leasingkosten übernimmt. Etwas Ähnliches schwebt Hermes für die ab 2019 in Billbrook stationierten eVitos und eSprinter vor. Gefahren werden sollen sie von Angestellten der Servicepartner. Für diese werde es voraussichtlich günstigere Leasingkonditionen geben, sagte ein Unternehmenssprecher.

Wie auch immer: In den nächsten Wochen geht es für die Zustelldienste ohnehin vor allem darum, die vor Weihnachten sprunghaft steigenden Paketmengen zu bewältigen. Dafür werden die Zustellflotten massiv mit Miet-Transportern aufgerüstet, und angeheuert wird alles, was zur Teilnahme am Straßenverkehr noch geeignet ist. Selbst, wenn aus dem Auspuff schwarze Dieselwolken quellen.