Hamburg. Unternehmer Dietmar Poszwa übernimmt das Schachcafé in Barmbek. Was die Gäste in dem außergewöhnlichen Lokal künftig erwartet.

Die künftige Küche lässt sich noch nicht erahnen. Der Fußboden ist offen, es ist staubig und dreckig. Typisch Baustelle halt. In Kürze sollen neue Leitungen gezogen und der Estrich verlegt werden. „Da wurde lange nichts gemacht“, sagt Dietmar Poszwa über den Zustand der Gebäudetechnik. Der 48-Jährige steht in dem im Jahr 1913 erbauten, denkmalgeschützten Bahnhof am Rübenkamp in Barmbek. Das in dem Rotklinkerbau beheimatete Schachcafé wird sein neues Lokal werden.

„Das ist etwas Besonderes, in diesen Zeiten so ein Projekt anzugehen“, sagt Poszwa, der zusammen mit seinem Schwiegervater Klaus-Peter Kohl einst als Boxpromoter agierte und nun seit vielen Jahren als Unternehmer in der Gastronomie tätig ist. 2010 stieg das Duo in die Geschäftsführung der beiden Hamburger Hofbräu-Wirtshäuser ein.

Lockdown traf das Unternehmen hart

Seit dem Ausstieg ihres langjährigen Geschäftspartners Frank Blin 2018 leiten sie die beiden Restaurants und das bis zu 4000 Gäste fassende Hofbräu in Berlin am Alexanderplatz allein. Auch die Gaststätte Quartier 21 in Barmbek und mehrere Läden von der Cafébar bis zum Imbiss in der Wandelhalle im Hauptbahnhof gehören zur Firmengruppe.

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Der Lockdown mit den monatelangen Schließungen traf das Unternehmen hart. „Das ist für uns eine sehr, sehr schwierige Zeit gewesen. Wir haben einen zweistelligen Millionenbetrag beim Umsatz verloren“, sagt Poszwa. Um etwa 80 Prozent seien die Erlöse im Gesamtjahr 2020 geschrumpft. Dabei liefen Januar und Februar noch normal und ohne Corona-Einbußen.

Übernahme trotz Einbußen in Pandemie

Sie gehören allerdings traditionell zu den schwachen Monaten in der Branche. Auch alle staatlichen Hilfsgelder seien noch nicht da. Es sei sehr erfrischend nach diesen tristen Zeiten so ein Projekt anzugehen, bei dem man aus Rücklagen eine hohe sechsstellige Summe investiere, sagt Poszwa und stellt klar: „Wir setzen weiterhin voll auf Gastronomie. Das ist auch ein Signal an die Mitarbeiter.“

Von den rund 450 Beschäftigten war der Großteil in Kurzarbeit. Manche spürten Existenzängste, weil die Beschäftigten in der Branche stark vom Trinkgeld leben. Generell aufgestockt wurde das Kurzarbeitergeld, dessen Auszahlung gut geklappt habe, zwar nicht, sagt Poszwa. Aber bei Härtefällen habe man geholfen und „individuelle Lösungen gefunden“. Ein Teil der Mitarbeiter habe sich allerdings neuen Aufgaben zugewandt.

Servicekräfte verzweifelt gesucht

Nun brauchen Poszwa und Schachcafé-Geschäftsführer Caspar Schmidt neue Leute – nicht nur für das Barmbeker Lokal. Ob Kellner oder Köche, gesucht werde im Prinzip alles. Gut 40 Leute werde das Team inklusive Aushilfen wohl haben. Auf den 380 Quadratmetern drinnen können in normalen Zeiten 160 Gäste untergebracht werden.

Auf dem Vorplatz des Restaurants – auf dem die Menschen mitunter angelaufen kommen, um noch schnell die Treppen zur direkt nebenan abfahrenden S-Bahn hinunterzuhasten – sollen von März bis Oktober Tische und Bänke zum Sitzen einladen und nochmals 160 Gästen Platz bieten. „Ich habe grünes Licht von den Behörden bekommen, dass die Außengastronomie auf dem Vorplatz wieder möglich sein wird“, sagt Schmidt.

Im März 2020 rutschte der damalige Betreiber in die Insolvenz

Zuletzt geöffnet war das Lokal im März 2020. Dann rutschte der damalige Betreiber in die Insolvenz. „Als wir von der Möglichkeit gehört haben, das Schachcafé zu bekommen, haben wir schnell Nägel mit Köpfen gemacht“, sagt Poszwa.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Er glaubt an den Standort. Der Mietvertrag mit dem Verein „Unser Bahnhof als Träger des Denkmals“ läuft zehn Jahre mit Option auf die Verdoppelung der Laufzeit. Viele Familien hätten sich in dem einstigen Arbeiterviertel in den großen Neubaugebieten ihren Traum vom Eigenheim erfüllt. „Der Stadtteil ist enorm im Aufschwung“, sagt Poszwa. „Der Kiezcharakter Barmbeks wird sich hier wiederfinden.“

Bierstube und Restaurant zugleich

Stammkunden dürften beim Eintritt in das Lokal den Baum vermissen, der dort im Inneren stand. Der habe viel Licht geschluckt, daher habe man ihn weggenommen. Künftig soll das Lokal heller sein und drei Zonen haben. Wenn man reinkomme, solle man sich wie in einer Bierstube fühlen.

Passend dazu sollen dort die Barmbeker Biere ausgeschenkt werden, die die Brauerei Warsteiner exklusiv für das Quartier 21 braut. Auf der Empore soll ein Wohnzimmercharakter erzeugt werden. Dafür werden alte Holzstühle aufgearbeitet und neu gepolstert, auf dem neuen Teppichboden werden gediegene Lampen stehen. Im rechten hinteren Teil des Erdgeschosses ist der Restaurantbereich vorgesehen.

„Das war ein wunderschönes Traditionscafé mit gutbürgerlicher Küche. Diesen roten Faden werden wir gern wieder aufnehmen“, sagt Poszwa. Auf der Speisekarte wird auch künftig deutsche Küche mit Bratkartoffeln, Pommes, Schnitzel und Matjes stehen. Beliebt war das Restaurant auch bei Partygängern. Wer nachts nach Hause kam, stillte dort noch schnell Hunger und Durst. So werde man sich bei den Öffnungszeiten an den S-Bahnzeiten orientieren. Auf jeden Fall soll ausprobiert werden, ob das Frühstücksangebot ab 8 Uhr morgens angenommen wird.

Halb so viele Gäste trotz Fußball-EM

Allerdings ist momentan noch offen, wie die Menschen künftig wieder feiern werden. Eine gewisse Zurückhaltung spürt Poszwa auch in seinen anderen Gaststätten. Im seit dem 22. Mai geöffneten Hofbräu zogen Fußballturniere wie die Europameisterschaft stets das Publikum an. Weit vor dem Anpfiff des Auftaktspiels der deutschen Nationalelf waren die 850 Plätze drinnen im Restaurant am Speersort ausgebucht. In diesem Jahr traf diese Meldung erst einen Tag vorher ein. Dabei dürfen wegen der Hygiene- und Abstandsregeln nur 360 Sitzplätze belegt werden.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Auf der Terrasse kommen noch einmal so viele Gäste hinzu – das Spiel wird dort allerdings aus Lärmschutzgründen ohne Ton gezeigt. Maximal wird das Hofbräu-Team also 720 Besucher empfangen können. Im Vergleich zur Konkurrenz sind das zwar wegen der Größe der Räume viele Gäste, aber in der Vor-Corona-Zeit waren es bei solchen Spielen 1350 Besucher. Richtig Geld verdienen lasse sich angesichts der nahezu halbierten Kapazität nicht.

Hofbräu-Wirtshaus an Esplanade noch dicht

Das zweite Hofbräu an der Esplanade hat sogar noch ganz geschlossen. Mit der Baustelle direkt vor der Tür, fehlenden Parkplätzen und dem Fernbleiben von Messegästen und Touristen in der Stadt gebe es dafür eine Reihe von Gründen. Zudem fehlt dem Standort nahe der Binnenalster ein Außenbereich. Dort können die Gäste auch ohne Corona-Test sitzen, was für viele wichtig sei.

 „Die Innengastronomie läuft noch mäßig an“, sagt Poszwa. Seine Hoffnungen ruhen vor allem auf September, wenn das Oktoberfest gefeiert wird. Für den Rest des Jahres sei wichtig, dass auch die Firmen wieder Weihnachtsfeiern veranstalten und die Touristen zurück in die Stadt kommen. Derzeit bevorzugen die Gäste noch klar den Aufenthalt im Freien. „Die Terrassen werden bei gutem Wetter sehr gut angenommen“, sagt Poszwa. „Den Leuten hat es gefehlt, sich zu treffen und gemeinsam zu feiern.“

Poszwa bleibt optimistisch

Wann Gäste das im Schachcafé tun können, ist noch offen. „Wir wollten eigentlich im Juli eröffnen, voraussichtlich wird es aber erst August“, sagt Poszwa. Die Küchenbauer müssen noch anrücken und kräftig Hand an die Inneneinrichtung legen. Der Fettabscheider muss erneuert werden. Ein neuer Fußboden im Untergeschoss steht ebenfalls auf der noch abzuarbeitenden Aufgabenliste.

Er hoffe, dass es weder bei Handwerkern noch beim Material zu Engpässen kommen wird, sagt Poszwa und bleibt optimistisch für das Projekt und die Gastronomie insgesamt: „Wir hätten so ein Investment nicht gemacht, wenn wir nicht glauben würden, die Pandemie erfolgreich zu überstehen.“