Hamburg. Claus Dubberke macht sein überregional bekanntes Geschäft im Grindelviertel nach mehr als 30 Jahren zu. Der Onlineshop läuft weiter.

In den letzten Tagen ist noch mal richtig viel los. Vor der Wand mit den Jongliersachen probiert eine Frau verschiedene Bälle aus. Es gibt welche aus Velours und Kunststoff, mit Sternen drauf und solche, die im Schwarzlicht leuchten. Bei anderen Kunden sammeln sich Vampirschminke, Seifenblasen und Zauberutensilien im Einkaufskorb. Claus Dubberke lässt den Blick durch sein Geschäft wandern. Mittendrin steht das, was er Kiosk nennt. Ein langer Tisch mit 160 sorgfältig gestalteten Pappschachteln, voll mit Würfeln, Hasenzähnen zum Aufkleben, Mini-Fernsehern mit Märchenbildern und anderem witzigen Kleinkram. Ein Eldorado für Spielkinder und Scherzartikelfans. Seit mehr als 30 Jahren ist Pappnase & Co. mit seinem bunten, fröhlichen Angebot eine Institution in Hamburg. Damit ist jetzt Schluss. Der Kultladen im Uni-Viertel macht dicht. „Eigentlich sollte der Räumungsverkauf noch bis Jahresende laufen“, sagt Inhaber Dubberke. Aber der Corona-Lockdown ab dem heutigen Mittwoch hat das Ende von Pappnase & Co. quasi in den Turbogang versetzt. Von einem Regal winkt eine chinesische Glückskatze bye-bye.

Schon in den vergangenen Jahren war das Geschäft mit dem Gauklerbedarf nicht mehr so gut gelaufen. Immer mehr Kunden bestellten Keulen, Bälle, Hula-Hoop-Reifen und Kostüme im Internet, statt sie im Fachgeschäft an der Grindelallee zu kaufen. Dann kam Corona und die Zwangsschließung im Frühjahr. „Die Umsatzausfälle haben wir nicht wieder eingeholt“, sagt Dubberke, der in der Pappnase-Zentrale in Eilbek auch einen Großhandel betreibt. Das klingt sachlich und abgeklärt, aber man merkt, wie schwer es ihm fällt, den Laden aufzugeben.

Schon Ende Juni schien mit dem Auslaufen des Mietvertrags das Ende besiegelt. Die Mitarbeiter waren gekündigt, einen Monat war Pappnase & Co. geschlossen. Im August startete der 64-Jährige noch mal einen neuen Anlauf. Eine Wette auf die Zukunft in einem schwierigen Jahr. Der Mietvertrag wurde zunächst bis Ende Dezember verlängert, mit der Option für weitere zwei Jahre. „Eine Chance“, sagt er. Der Laden ist auch sein Lebenswerk.

Fünf Pappnase-Läden in Deutschland

1983 hatte Claus Dubberke zusammen mit vier Mitgründern den ersten Pappnase-Laden in Altona eröffnet. Alle teilen die Leidenschaft für Straßentheater, Jonglieren und Artistik. Schon vorher hatte der Sportstudent aus Hamburg angefangen, selbst Jonglierbedarf zu produzieren. „Damals gab es keinen einzigen Hersteller in Europa“, sagt er. Dubberke drechselte Holzringe, baute Kistchen und Stöcke, mit denen er auftrat. „Die Zirkusszene, die sich damals entwickelte, war noch etwas Neues.“ Die fünf Gründer erkannten das Potenzial, gemeinsam mit einem Partnerbetrieb in Heidelberg starteten sie eine eigene Produktion von Jonglierkeulen.

Der Laden lief, Kunden aus ganz Deutschland kauften bei Pappnase & Co. 1988 zog der Laden an die Grindelallee, parallel starteten sie den Großhandel. „Das war der große Sprung“, sagt Claus Dubberke. In den besten Zeiten rund um 2010 hatte Pappnase fünf Läden. Einen zweiten in Hamburg, weitere in München, Frankfurt und Stuttgart. Mehr als 60 Beschäftigte erwirtschafteten mit beiden Geschäftszweigen Jahresumsätze knapp unter der Fünf-Millionen-Euro-Grenze.

Comics total zog Anfang 2020 aus

Irgendwann danach hat Pappnase den Anschluss verpasst. Vor allem das wachsende Online-Angebot machte den Hamburgern zu schaffen. Das Sortiment im Laden wurde breiter und auswechselbarer, mehr Spiele, Spielsachen und Geschenkartikel kamen dazu – insgesamt 2000 Artikel. Die Teilhaber, darunter auch lange der Hamburger Schauspieler Rolf Claussen, der zuletzt in der Combo Söhne Hamburgs erfolgreich war, stiegen aus. 2017 übernahm Dubberke Großhandel und Einzelhandel allein.

Als Anfang 2020 Comics total, über Jahrzehnte fester Untermieter bei Pappnase & Co., in einen eigenen Laden ein paar Häuser weiter zog, war das eine weitere Zäsur. Statt der beliebten Hefte für Comic-Fans gab es auf einmal viel Platz auf der Fläche mit 160 Quadratmetern – ohne richtiges Konzept. „Es war ein Test, ob wir den Laden alleine bespielen können“, sagt der Pappnase-Inhaber.

Umsatzeinbruch durch Corona zwischen 30 und 40 Prozent

Das war die Situation nach der Wiedereröffnung im Anschluss an den Corona-Lockdown im Frühjahr. Mit Umsatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent kam Pappnase in den Sommer. „Wir hatten kein Geschäft zum Fasching und zu Ostern, wenigstens das Weihnachtsgeschäft wollte ich noch mitnehmen“, erklärt Dubberke, warum er nach der Schließung im Juli noch mal einen Versuch mit dem Laden startete. Er heuerte Aushilfen an, stand anfangs selbst viel im Laden. Der Warennachschub war durch den Großhandel, der nach wie vor gut läuft, abgesichert. „Ich hatte die Hoffnung, dass wir den Laden wieder zum Laufen bekommen“, sagt er. Spätestens seit Oktober war klar, dass die Umsätze nicht reichen. „Wenn es wirtschaftlich keinen Sinn macht, dann ist es eben so.“

Es gibt je einen Onlineshop für Endkunden und Wiederverkäufer

Inzwischen hat der Unternehmer unter dem Dach Pappnase zwei Onlineshops, einen für Endkunden und einen für Wiederverkäufer, aufgebaut. Zirkus- und Artistikbedarf wird heute vor allem von Schulen, Kitas, Kirchengemeinden, Zirkusschulen und anderen Jugendorganisationen gekauft. Außerdem betreibt der Pappnase-Chef mit einem Partner einen Handel für Schreibwaren und Geschenkartikel. Aber Pappnase im Univiertel war stets mehr als ein Laden. „Es gibt viele Kunden, die sehr traurig sind, dass wir schließen“, so Dubberke. Nicht wenige haben schon als Kind hier ihren Cowboy-Hut bekommen, später Jonglierbälle gekauft oder Dracula-Zähne. Manche kommen immer wieder, obwohl sie lange nicht mehr in Hamburg wohnen. „Man hätte fast ein Kondolenzbuch auslegen können, so viele Geschichten haben die Kunden zu erzählen.“

Grindelviertel verliert Fachgeschäfte

Mit dem Ende von Pappnase verliert das Grindelviertel ein weiteres Fachgeschäft. Zuletzt hatte Andere Welten nach 37 Jahren geschlossen. Mit einer riesigen Auswahl zu „Star Wars“, „Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ war der Händler für Fantasy- und Science-Fiction-Fanartikel so etwas wie ein Paralleluniversum, konnte aber den Kampf gegen Konzerne wie Amazon nicht gewinnen. Der Laden wird gerade renoviert, demnächst soll ein Reformhaus einziehen.

Auch Dubberke wird in den nächsten Tagen anfangen, sein Geschäft auszuräumen. „Corona kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt“, sagt er. „Jetzt hatten wir durch den Lockdown nicht mal ein richtiges Ende.“ Aber wer weiß, so ganz hat der Fan magischer Welten die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es doch noch ein weiteres Leben für Pappnase an einem neuen Standort gibt.