Hamburg. Erst Corona, nun der Krieg. Deutschlands Wirtschaft ist in Bedrängnis. Die Politik sieht Geld als Lösung – ein gefährlicher Plan.
Wer sich als Student der Wirtschaftswissenschaften mit Makroökonomik beschäftigt, lernt schnell: Es gibt Aufs und Abs in der Wirtschaft. Von einem Boom, einem Abschwung, einer Rezession, einem Aufschwung ist in den Vorlesungen an den Universitäten zu hören. Auf eine ökonomisch gute Phase folgen schlechtere Jahre – so will es die Marktwirtschaft.
Denn Unternehmen, die mit neuen Produkten und Dienstleistungen wachsen, stoßen nach einer gewissen Zeit an Grenzen, müssen sich neu erfinden: ein Vorgang, der Zeit braucht. Hinzu kommen sogenannte externe Ereignisse, die einer nationalen Wirtschaft zusetzen, zu einem Abschwung führen. Die weltweite Finanz- und Bankenkrise 2007 war so ein Ereignis in der Vergangenheit, die Corona-Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine sind es in der Gegenwart.
Blickt man allerdings auf den Wohlstand und die Wirtschaftskraft Deutschlands während dieser Krisenzeiten, so stellt man fest: Ein Abschwung mit größeren negativen Folgen für den Einzelnen ist seit mehr als einem Jahrzehnt ausgeblieben. Zwar ist das Bruttoinlandsprodukt in einzelnen Jahren zurückgegangen, doch weder die Zahl der Arbeitslosen ist gleichzeitig stark gestiegen noch das Vermögen des Durchschnittsbürgers gesunken.
Spareinlagen sind so hoch wie nie
Im Gegenteil. Noch nie in der Geschichte des Landes hatten die Deutschen so viel Geld auf der hohen Kante wie heute – trotz Corona und Ukraine-Krieg. Bei unglaublichen 1,73 Billionen Euro lagen die privaten Spareinlagen im vergangenen Jahr. Ein Plus von 182 Milliarden Euro gegenüber 2020. Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht – denn niemand kann ernsthaft etwas gegen Wohlstand haben. Allerdings ist dieser Wohlstand teuer erkauft – und zwar mit Steuergeld.
Kein anderes Land hat derart großzügige Corona-Hilfen an Unternehmen ausgeschüttet wie Deutschland. Dabei war zumeist nicht die tatsächliche Bedürftigkeit der Maßstab für staatliche Zahlungen, sondern die Regierenden wollten dafür sorgen, dass es keinem Unternehmen schlechter geht als vor der Pandemie. Eine teure und völlig überzogene Vorgabe. Und welche Folgen hatte dieses großzügige Handeln? Die Rufe nach zusätzlichen Hilfen wurden immer lauter und sogar erhört. So hielt der Staat viele Unternehmen künstlich am Leben, die eigentlich schon vor Corona keine ökonomische Existenzberechtigung hatten.
Corona ist noch nicht vorbei, da trifft Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine die Weltwirtschaft. Und wieder steht der Staat bereit, kündigt Energiepreispauschalen, Kindergeldboni, geringere Kraftstoffsteuern und großzügige Firmenhilfen an. Wie sagte der neue wissenschaftliche Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Berlemann, jüngst im Abendblatt: „Wir sollten uns nicht daran gewöhnen, dass bei jeder Unwucht der Wirtschaft der Staat als Geldgeber zu Hilfe eilt.“ Aber dieser Gewöhnungseffekt ist offenbar längst eingetreten.
Wie Deutschland die Inflation befeuert
Von allen Seiten wird mit Blick auf die Folgen des Krieges erneut nach dem Staat gerufen. Mit Erfolg. Die Bundesregierung schüttet das Füllhorn über ihre Bürger aus. Höhere Gaspreise werden kompensiert, Pendler sollen demnächst deutlich weniger für ihren Sprit an der Tankstelle zahlen, Familien werden entlastet, Firmen wird geholfen. Auf den ersten Blick eine gute Entscheidung, weil sie Normalität verspricht – in nicht normalen Zeiten. Das Leben bleibt weitgehend bequem, obwohl es eigentlich ungemütlich werden müsste. Das Gros der Pendler kann weiter ohne allzu große Mehrkosten ins Auto steigen und zur Arbeit fahren. Die Gasheizung muss nur ein wenig heruntergedreht werden, denn es gibt ja Ausgleichszahlungen.
Aber wohin führt diese staatliche Rundum-Fürsorge-Politik? Wenn der Wohlstand in wirtschaftlichen Abschwüngen mit der Hilfe hoher staatlicher Transferzahlungen gewahrt bleibt oder sogar steigt, steht eine immer höhere Geldmenge einem deutlich kleineren Angebot von Gütern und Dienstleistungen gegenüber. Die Konsequenz heißt Inflation. Schon jetzt steigen die Preise um mehr als sieben Prozent – Größenordnungen, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Und wenn der Staat seinen Pfad der übertriebenen Dauersubventionierung von Krisen nicht verlassen sollte, werden die Preise noch stärker und sehr, sehr lange zulegen.
Vor allem Menschen mit kleinen Einkommen und ohne Sachvermögen wie Immobilien oder Aktien werden dann die Verlierer sein. Und wie will der Staat jemals wieder seinen Schuldenberg auf ein erträgliches Maß abbauen. Bereits zum Jahresende 2021 sind die öffentlichen Defizite von Bund, Ländern und Kommunen auf einen neuen Höchststand von rund 2,3 Billionen Euro angewachsen, das entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von fast 28.000 Euro. Eine schwere Bürde für künftige Generationen, die dieses Geld irgendwann zurückzahlen müssen.
Ist staatliches Geld sogar schädlich für die Wirtschaft?
Und die staatliche Dauerbezuschussung in Krisenzeiten hat noch einen anderen negativen Effekt: Wird sie – wie seit Jahren – zu pauschal und großzügig vorgenommen, behindert sie den notwendigen Wandel hin zu neuen Wirtschaftsstrukturen, die unsere Ökonomie erst zukunftsfähig machen. Das fängt beim kleinen Einzelhändler an, der eigentlich mit seinem antiquierten Geschäftsmodell nicht überlebensfähig wäre, aber durch Steuergelder künstlich am Leben gehalten wird. Und es zeigt sich auch bei der wohl größten Herausforderung der Menschheit, dem Kampf gegen den Klimawandel.
Gerade die aktuell hohen Energiepreise könnten dazu beitragen, den Abschied von fossilen Brennstoffen deutlich zu beschleunigen. Denn mit Blick auf hohe Benzin-, Gas- und Ölrechnungen würden die Deutschen von selbst weniger Auto fahren, die Heizung herunterdrehen und ihre Häuser klimagerecht umbauen. Der Staat sollte sich darauf besinnen, in Krisenzeiten soziale Notlagen zu verhindern, indem er den tatsächlich Bedürftigen hilft. Doch das ständig mit Schulden neu gestopfte staatliche Füllhorn über alle auszuschütten, ist gefährlich, fördert Inflation und behindert den notwendigen Umbau der Wirtschaft. Damit muss endlich Schluss sein!
EZB tut nichts gegen die Inflation
Als zusätzliches Problem erweist sich derweil die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer französischen Direktorin Christine Lagarde nicht wirklich das Signal aussendet, dass sie es mit der Bekämpfung der Inflation in der Eurozone ernst meint. Während die amerikanische Notenbank die Zinswende bereits eingeläutet hat und Kredite für die Amerikaner teurer werden, verweist die EZB gerne darauf, dass aus ihrer Sicht höhere Zinsen gegen die aktuellen Preissteigerungen kaum helfen würden.
Richtig ist: Europa leidet aktuell unter einer Angebotsinflation, die tatsächlich mit etablierten geldpolitischen Maßnahmen wie Zinserhöhungen nur bedingt eingedämmt werden kann. Denn Mehl, Sonnenblumenöl, Benzin und Gas sind nicht deshalb so viel teurer geworden, weil die Nachfrage explodiert, sondern weil als Folge des Ukraine-Krieges das Angebot derart knapp ist.
Dennoch wären höhere Zinsen als Signal wichtig, die EZB würde klarmachen, dass sie den Kampf gegen die Inflation ernst nimmt. Und eine Wirkung würden auch sie entfalten. Denn durch steigende Zinsen auf dem Sparbuch könnte Geld aus dem Markt abgesaugt, die Inflation nicht weiter angefacht werden. Und der mehr als heiß gelaufene Immobilienmarkt, auf dem es in vielen Regionen längst jährliche Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich gibt, würde sich ebenfalls beruhigen.
Höhere Zinsen würden Immobilienmarkt entlasten
Sobald die Hypothekenzinsen wieder auf ein gesundes Maß von drei bis vier Prozent gestiegen wären, würden immer mehr Bundesbürger davon Abstand nehmen, sich über alle Maßen für ein neues Eigenheim zu verschulden. Diese langsame Kurskorrektur der Preisentwicklung für Häuser und Wohnungen könnte zudem dem befürchteten abrupten Crash auf dem Immobilienmarkt verhindern.
EZB und Bundesregierung müssen gegen die Inflation gemeinsam vorgehen – Hand in Hand. Zurückhaltung bei den staatlichen Ausgaben und eine neue Strategie in der Geldpolitik – nur diese Kombination wird dazu führen, dass wir uns nicht längerfristig auf Inflationsraten nahe der Zehn-Prozent-Marke einstellen müssen. Denn eine solche Entwicklung würde für den Staat sehr, sehr teuer, weil er spätestens dann mit sehr viel Geld extreme soziale Schieflagen geraderücken müsste. Noch können Staat und EZB mit einem umsichtigen Verhalten alles dafür tun, um die Inflation zu bändigen. Noch.