Hamburg. Seit zwölf Jahren verkauft Matthias Riedel Spezialitäten wie Olivenöl, Essig und Pesto. Jetzt sagt er: „Es lohnt sich nicht mehr“.

Noch sind die Regale gut gefüllt: Bei Olivicio gibt es behutsam gepresstes Olivenöl mit Zitrone, Mango-Balsamico, Pesto in verschiedenen Geschmacksrichtungen und feines Trüffelsalz. Das kleine Geschäft in der Europa Passage ist seit zwölf Jahren eine Adresse für Liebhaber von gutem Öl und Essig sowie ausgewählten Feinkostprodukten.

Doch damit ist demnächst Schluss. Der einzige inhabergeführte Lebensmittelladen in dem innerstädtischen Einkaufszentrum schließt in wenigen Wochen. „Es lohnt sich nicht mehr“, sagt Matthias Riedel zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie. Nur den Online-Shop will der 52-Jährige weiterhin betreiben.

Olivicio: „Es steckt viel Herzblut in dem Geschäft"

„Es steckt viel Herzblut in dem Geschäft. Der Abschied ist mit Wehmut verbunden“, sagt Riedel. Aber dem Einzelhändler bleibt keine Wahl. Er hat fast die gesamten Ersparnisse in seinen Laden gesteckt, bei den staatlichen Hilfen ist er durchs Raster gefallen und sitzt jetzt auf einem Berg Schulden. „Es gab Tage, an denen kein Kunde gekommen ist und ich abends buchstäblich Null-Umsatz hatte.“

Seine Erlöse sind seit März 2020 im Schnitt auf die Hälfte eingebrochen, obwohl der kleine Feinkosthändler im ersten Stock der Europa Passage auch während der harten Lockdown-Monate geöffnet hatte. Das Shopping-Center, in dem früher täglich 68.000 Besucher unterwegs waren, leidet massiv unter den Corona-Einschränkungen. Und auch nachdem die Zugangsbeschränkungen gelockert wurden, sind die Kundenfrequenzen immer noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Dazu kommt, dass viele Beschäftige im Homeoffice sind und die Touristen weiter fehlen. Einige Verkaufsflächen stehen schon seit Monate leer. „Es wird nicht mehr, wie es mal war“, sagt Riedel.

Produkte aus Manufakturen

Im Dezember vergangenen Jahres hat der Olivicio-Inhaber beschlossen, den Laden dicht zu machen. Für den Groß-und Einzelhandelskaufmann, der lange für ein Medizintechnikunternehmen in der Welt unterwegs war, geht ein Lebensabschnitt zu Ende. 2010 hatte er das Geschäft zunächst als Franchise-Nehmer einer französischen Kette eröffnet und sich 2015 selbstständig gemacht. „Der Hauptteil unseres Sortiments wird in unserem Auftrag in kleinen Manufakturen produziert“, sagt der Händler, der lange auch Vorsitzender der Werbegemeinschaft in der Europa Passage war.

Kurz vor Ausbruch der Pandemie hatte er kräftig in den Aufbau eines neuen Online-Shops investiert. Ein Segen, weil ihn das durch die Krise gebracht hat. Die Einkünfte hätten aber auch dazu geführt, dass er keinen Anspruch auf Überbrückungshilfen habe, sagt er. „Fakt ist: Was ich bekommen habe, muss ich zurückzahlen.“

Olivicio: Kunden sind bestürzt über die Schließung

Das meint er nicht als Anklage oder Beschwerde. Matthias Riedel versucht nüchtern zu bleiben. Das kleine Ladenlokal ist gekündigt. „Ich hatte eigentlich noch einen Mietvertrag für zehn Jahre, aber der Betreiber ECE hat schnell einen Nachmieter gefunden“, sagt Riedel. Seine Mitarbeiterin ist im Mutterschutz, Aushilfskräfte hat er schon lange nicht mehr. Inzwischen hat er die Stammkunden über das Aus des Ladens informiert. „Viele haben reagiert und sind richtig bestürzt“, sagt er.

Das Kapitel Olivicio wird seinen Chef wohl noch lange beschäftigen. Die nicht gezahlte Miete, die seit 2020 immer wieder gestundet worden war, summiert sich inzwischen zu einem Schuldenberg im niedrigen sechsstelligen Bereich. „Die Endabrechnung kommt noch“, sagt er – und setzt jetzt darauf, dass der Online-Handel mit seinen Produkten läuft. In die Verkaufsfläche zieht ein Hamburger Duft-Hersteller.