Hamburg. Hamburger Unternehmen müssen den Impfstart verschieben - ergab eine Abendblatt-Umfrage. Kritik an der Politik wird deshalb lauter.

Sie gelten neben den Impfzentren und den Hausärzten als dritte große Säule der deutschen Impfkampagne gegen das Coronavirus: die Betriebsärzte in den Unternehmen. Und eigentlich sollten die Betriebsärzte am Montag in Hamburg im großen Stil mit dem schützenden Piks gegen die Corona-Pandemie beginnen.

Das Problem: Es gibt so gut wie keinen Impfstoff für die impfbereiten Unternehmen. So eröffnete die Handelskammer zwar am Montag in ihrem alten Börsensaal ein überbetriebliches Imfpzentrum. Aber mit dem Impfen kann frühestens am Donnerstag begonnen werden – und das auch nur mit vergleichsweise wenigen Dosen.

Hamburger Betriebsärzte erhalten sehr wenig oder gar keinen Corona-Impfstoff

Das Abendblatt begleitete den Impfstart der Handelskammer am Montag - wo früher Aktien gehandelt wurden, soll jetzt Corona bekämpft werden.

Zwei Impfstraßen mit Anmeldung, Arztgesprächszimmern, Impfkabinen und einem großzügigen Ruheraum hat die Kammer hier mit fachkundiger Unterstützung des Ambulanzzentrums des Universitätsklinikums Eppendorf eingerichtet.

Rund 100 Impfwillige aus den verschiedensten Hamburger Betrieben können täglich geimpft werden, wie Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD), die extra vorbeigekommen war, bei einem Eröffnungsrundgang erfuhr.

Doch dann folgte die Ernüchterung. „Hier wird heute niemand geimpft“, sagte ein Kammermitarbeiter. „Am Donnerstag soll es losgehen.“ Die Infrastruktur steht, und auch das Personal des UKE steht bereit, doch das Wesentliche fehlt: der Impfstoff.

802 Impfdosen hatte die Kammer für diese Woche bestellt. Erhalten hat sie etwas mehr als 100. In der nächsten Woche soll es dann 300 Impfdosen geben – wenn es klappt. Dabei soll das Impfzentrum der Handelskammer einen wesentlichen Beitrag zur Corona-Immunisierung von Hamburgs Wirtschaft leisten. Es handelt sich um das einzige Impfzentrum einer deutschen Kammer.

Mehr als 200 Hamburger Unternehmen meldeten ihre Mitarbeiter zum Impfen an

Es wurde eingerichtet, um gerade kleinen und mittleren Unternehmen ohne eigene Betriebsärzte das Impfen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ermöglichen. Mehr als 200 Hamburger Unternehmen haben bereits ihre Mitarbeiter angemeldet.

„Allerdings wird das Engagement der Wirtschaft und unseres Impfzentrums nur erfolgreich sein, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung gestellt wird und bei den Betriebsärztinnen und -ärzten nicht nur vereinzelte Impfdosen ankommen. Nach wie vor ist dieser Mangel leider die größte Bremse der Impfkampagne“, sagte Kammerpräses Norbert Aust. „Ich bin sehr verwundert darüber, wie man die Impfpriorisierung aufheben kann, ohne ausreichend Impfstoff bereitzustellen.“

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Auch Gesundheitssenatorin Leonhard schien darüber nicht glücklich: „Ich hätte mir gewünscht, dass man die Priorisierung noch ein bis zwei Wochen beibehält. Wir haben noch viele Menschen mit Vorerkrankungen in der Metropolregion, die auf eine Impfung warten." Die Impfstoffbeschaffung solle sich aber in den kommenden Wochen „ Schritt für Schritt“ verbessern.

Nicht nur der Handelskammer, sondern auch vielen Betrieben, die in Eigenregie ihre Mitarbeiter impfen wollen, fehlt das Vakzin. Das Abendblatt zeigt auf, wie die betriebliche Impfung in Hamburgs Wirtschaft läuft:

Eppendorf AG

Der Hamburger Laborgeräte-Hersteller will die Impfungen der annähernd 1000 Beschäftigten in Hamburg von einem Vertragsbetriebsarzt ausführen lassen. Wann die Impfungen beginnen können, sei bislang aber nicht bekannt, sagte ein Unternehmenssprecher. „Wir sind bei der Zuteilung von Impfstoff bisher leider leer ausgegangen.“ Das Unternehmen rechne derzeit nicht damit, vor Ablauf von zwei bis drei Wochen mit dem Impfen beginnen zu können. Das sei „ unbefriedigend“, sagte Unternehmenssprecher Ralph Esper.

Jungheinrich

Beim Gabelstaplerhersteller sind in den Werken Norderstedt und Lüneburg, im Logistiklager Kaltenkirchen sowie in der Hamburger Konzernzentrale Impfstationen bereits eingerichtet oder in Vorbereitung. Für die etwa 3500 Beschäftigten an den Standorten in der Metropolregion stünden in der ersten Woche insgesamt 120 Dosen Vakzine zur Verfügung, sagte Unternehmenssprecher Martin Wielgus.

Die erste Spritzen sollen am heutigen Dienstag gesetzt werden. Jungheinrich hatte bereits erklärt, dass zunächst die Beschäftigten in Produktion und Service immunisiert werden sollen, erst danach die Beschäftigten in Verwaltung und Management, die überwiegend im Homeoffice tätig sind. Zudem haben ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vorrang vor jüngeren. Ob und wie viel Impfstoff in den kommenden Wochen zur Verfügung stehe, „können wir derzeit nicht einschätzen“, so Wielgus.

Aurubis

Im Hamburger Stammwerk des Kupferkonzerns beginnen am Dienstag um 11 Uhr die Impfungen von Beschäftigten. Das sind insgesamt 2500. Für sie stehe voraussichtlich eine Zahl von Impfdosen „im niedrigen dreistelligen Bereich“ bereit, sagte Aurubis-Sprecherin Daniela Kalmbach. Als Impfwillige registriert hätten sich bislang etwa 1000 Beschäftigte. Würde ausreichend viel Impfstoff zur Verfügung stehen „hätten alle Aurubis-Mitarbeiter ihre erste Impfung innerhalb von zwei Wochen erhalten können“, sagte Kalmbach. Bei einer gleichbleibend niedrigen Liefermenge werde dies nun voraussichtlich vier bis acht Wochen dauern.

Otto Gruppe

Die Otto Gruppe mit gut 5000 Beschäftigten am Hamburger Standort hat im Laufe des Montags den ersten Impfstoff erhalten. Deshalb wurde der Start der betrieblichen Impfungen auf den heutigen Dienstag verschoben. Geliefert wurden 200 Dosen. „Mehr wurde uns nicht zur Verfügung gestellt. Bestellt hatten wir eine weitaus höhere Zahl, da wir allein am Campus in Hamburg pro Woche bis zu 2000 Mitarbeitende impfen könnten“, sagte ein Sprecher.

Nach Umfragen sei die Impfbereitschaft unter den Mitarbeitern sehr hoch. Otto hofft für die nächste Woche auf mehr Impfdosen.

Tchibo

Mit 54 Impfdosen startet Tchibo am heutigen Dienstag die Impfungen seiner 2400 Beschäftigten in Hamburg im betriebsärztlichen Zentrum in der Zentrale in der City Nord. Vorbereitet hatte sich das Unternehmen auf 1700 Impfungen pro Woche. „Jede Impfung zählt“, kommentierte ein Firmensprecher die Situation. Seit vergangener Woche konnten sich die Beschäftigten beim Kaffeeröster für den Piks in den Arm registrieren lassen.

Vorrang haben zunächst die Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice arbeiten können, wie etwa in der Rösterei oder im Hausdienst. Danach geht es in der Reihenfolge des Alters weiter.

Beiersdorf

Sechs Betriebsärzte stehen im Impfzen­trum in der Beiersdorf-Zentrale bereit, um die Beschäftigen zu impfen. Los geht es am Dienstag, nachdem die erste Lieferung von 200 Impfdosen am Montag bei dem Hautpflegekonzern eingetroffen war. Beiersdorf könnte 250 Impfungen pro Tag durchführen und hatte mit deutlich größeren Mengen gerechnet. Zunächst sollen die Mitarbeiter an die Reihe kommen, deren Anwesenheit am Arbeitsplatz notwendig ist.

Nach Angaben einer Sprecherin ist die Terminvergabe besonders für die Beschäftigten in der Produktion kompliziert, weil die Impfreaktionen und mögliche Ausfälle nicht absehbar seien.

New Work SE

Bei der New Work SE, die das Business-Netzwerk Xing betreibt, gibt es aktuell noch keine Details oder einen Zeitplan, wann das Unternehmen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Impfangebot machen kann, teilte Sprecher Christoph Stanek mit.

Die Firma beschäftigt vornehmlich junge Leute, die während der Pandemie im Homeoffice arbeiten. Daher habe das Thema dort nicht so eine Dringlichkeit wie in anderen Unternehmen, hieß es.

Philips

Bei Philips startet am Dienstag die Impfaktion mit Biontech. Bei dem Medizintechnikkonzern mit 3000 Mitarbeitern in Hamburg stehen jetzt täglich 50 Dosen des Vakzins zur Verfügung. Zuerst werden die Beschäftigten in der Produktion geimpft, sagt Sprecher Sebastian Lindemann.

Lufthansa Technik

Der Mutterkonzern Lufthansa hat an den drei Standorten Frankfurt, Hamburg und München jeweils ein Impfzentrum eingerichtet. Sie nehmen am Dienstag den Betrieb auf. „An den drei Impfzentren können täglich – abhängig von der Impfstoffverfügbarkeit – zusammen insgesamt bis zu 400 Dosen verabreicht werden“, sagte ein Sprecher von Lufthansa Technik. Aktuell erhalten die Betriebsärzte den Impfstoff von Biontech/Pfizer.

Airbus

„Wir starten in Hamburg am Dienstagvormittag mit den Impfungen“, sagt ein Airbus-Sprecher. An allen großen Standorten des Unternehmens in Deutschland stehen Impfstellen bereit, die am Dienstag oder in den darauffolgenden Tagen in Aktion treten sollen. Anfangs werden die Betriebsärzte mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna versorgt.

In Hamburg können in der ersten Woche voraussichtlich mehr als 600 Beschäftigte geimpft werden, hieß es.

Haspa

„Wir freuen uns, dass wir endlich starten können“, sagte Haspa-Chef Harald Vogelsang, „ denn wir haben nennenswerte Mengen an Impfstoff zugesagt bekommen.“ Auch bei der Haspa geht es am Dienstag los. Anders als zunächst vorgesehen gibt es wegen der „herausfordernden Handhabung“ des Impfstoffs von Biontech/Pfizer nur eine zentrale „Impfstraße“ im Bankgebäude am Wikingerweg und keine dezentralen Stationen.

Eine „ schnelle Durchimpfung aller Mitarbeitenden“ sei wichtig, um einen größtmöglichen Schutz der Beschäftigten sicherzustellen und damit „ auch weiterhin die Funktionsfähigkeit der Haspa zu gewährleisten“, so Vogelsang.

Olympus

Für die etwa 2650 Beschäftigten des Medizingeräte-Herstellers Olympus in Hamburg stehen von heute an zunächst 150 Impfdosen zur Verfügung, die am Montagnachmittag geliefert werden sollten. Das Impfzentrum für Hamburg ist im Werk in Jenfeld eingerichtet worden.

„Die Betriebsärzte von Olympus können an drei Tagen pro Woche jeweils etwa 100 Beschäftigte impfen“ , sagte eine Sprecherin – vorausgesetzt, es stünden genügend Vakzine bereit. Das Unternehmen rechnet damit, dass sich etwa 1500 Beschäftigte registrieren werden, sodass insgesamt 3000 Dosen benötigt würden.

Für die Durchführung der Erstimpfungen seien fünf bis sechs Wochen eingeplant. Man hoffe auf die notwendige Verfügbarkeit, hieß es.

Edeka

Impfstart beim Edeka-Verbund war am Montag um 20 Uhr. Erste Station der Betriebsärzte in Hamburg ist das Logistikzentrum der Budnikowsky Handels- und Service GmbH in Allermöhe, an der der Handelskonzern die Mehrheit hält.

Am Dienstag geht es im Fruchtkontor Nord sowie in der Import Logistik im Hafen weiter. Die Impfungen in der Verwaltung am Standort City Nord, wo etwa 1000 Beschäftigte arbeiten, sollen am Mittwoch beginnen. Nach Angaben eines Sprechers hatte der Lebensmittelhändler in der ersten Woche 1000 Impfdosen erhalten, mehr als die Hälfte davon soll in Hamburg verimpft werden.

ECE

Deutschlands größer Betreiber von Einkaufscentern, die ECE-Gruppe, hat in dieser Woche noch keinen Impfstoff erhalten. Jetzt ist die Hoffnung groß, dass es nächste Woche losgeht. „Wir gehen davon aus, dass wir vor dem Start der Sommerferien in Hamburg allen ECE-Mitarbeitern ein erstes Impfangebot unterbreiten können“, hieß es.

Für die Abwicklung hat das Unternehmen mit 1300 Beschäftigten in der Zentrale in Poppenbüttel einen externen Dienstleister aus München beauftragt. Zunächst hatte ECE angekündigt, dass es auch für Familienangehörige die Möglichkeit geben solle, sich impfen zu lassen. Das sei nun wahrscheinlich obsolet, sagte eine Sprecherin, denn der Impfstoff fehlt.

Hapag-Lloyd

Hamburgs Traditionsreederei beginnt am 11. Juni an den deutschen Standorten mit Impfungen für ihr Personal. Für die Impfungen hat das Unternehmen einen arbeitsmedizinischen Dienstleister beauftragt. Termine können durch die Mitarbeiter ab sofort reserviert werden.

HHLA

Die HHLA bereitet sich seit Wochen mit großem Aufwand auf den Impfstart der Betriebsärzte vor. Diese Woche soll es losgehen. Die mehr als 3000 Beschäftigten hatten jüngst die Möglichkeit, online Termine zu vereinbaren. Allerdings kann die HHLA nun nur deutlich weniger Termine anbieten als geplant.

Denn es wird nur ein Bruchteil der Impfstoffmenge geliefert, die bestellt und zugesichert wurde. Das sei nicht nachvollziehbar, sagte eine Sprecherin. „Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, wie der große organisatorische und auch bürokratische Aufwand zu rechtfertigen ist, der hier auch auf ausdrücklichen Wunsch der Behörden betrieben wird.“