Hamburger Kunden müssen für Strom bis zu 250 Prozent mehr zahlen – ist das zulässig? Das rät die Verbraucherschutzzentrale.
- Immergrün kündigt saftige Preiserhöhung an
- Immer mehr Energieanbieter greifen in laufende Verträge ein
- Verbraucherzentrale hat Immergrün bereits abgemahnt.
Mit einem Kilowattstundenpreis von 29,14 Cent dachte Michael M., sich einen günstigen Stromtarif gesichert zu haben. Außerdem lockt nach zwölf Monaten noch ein Bonus von rund 350 Euro. Das war im Juli 2021. Rund drei Monate später will der Anbieter Immergrün allerdings eine saftige Preiserhöhung von 37 Prozent bei der monatlichen Abschlagszahlung durchsetzen, obwohl der Tarif Spar Smart Sofort 12 eine eingeschränkte Preisgarantie von zwölf Monaten bietet.
Das bedeutet, nur wenn sich staatlich festgelegte Entgelte wie Steuern ändern, kann der Preis erhöht werden. Rechnet man den Bonus mit ein, so liegt die Preiserhöhung von Immergrün, eine Marke der Rheinischen Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft in Köln, sogar bei rund 100 Prozent.
Stromanbieter erhöhen Kosten trotz Vertrags
Trotz Preisgarantie und fester Laufzeit beim Stromliefervertrag Tariferhöhungen: Davon berichten jetzt immer mehr Hamburger, wie zahlreiche Leserzuschriften belegen. Auch das Hamburger Unternehmen Fuxx Sparenergie will von Sabine S. trotz Preisgarantie 111 Euro statt wie vereinbart 86 Euro monatlichen Abschlag, was einer Preiserhöhung von 29 Prozent entspricht.
Immer mehr Energieanbieter greifen in laufende Verträge ein und fordern höhere Abschläge oder stellen die Belieferung ganz ein, wie das Internetportal Verbraucherhilfe Stromanbieter berichtet. Danach haben die Anbieter Immergrün, Wunderwerk AG, Elektrizitätswerke Düsseldorf, Strogon, Enstroga und Fuxx Sparenergie in den vergangenen Wochen die Abschlagszahlungen um 17 bis 253 Prozent erhöht. Weder Immergrün noch Fuxx Sparenergie verweisen in den Schreiben auf einen höheren Preis pro Kilowattstunde (kWh).
Strom-Firmen tragen das Risiko
So schreibt Immergrün an seine Kunden: „Ein analytischer Revisionslauf hat vor dem Hintergrund der gestiegenen Beschaffungskosten gezeigt, dass die von Ihnen in den vergangenen Monaten geleisteten monatlichen Zahlungen nicht ausreichend sind, um den für Ihren Zählpunkt benötigten Energieeinkauf sicherzustellen.“ Ein Argument, das der Betreiber der Internetseite Verbraucherhilfe Stromanbieter nicht gelten lässt.
Es sei Aufgabe des Unternehmens, vorausschauend Energie einzukaufen, sagt Matthias Moeschler dem Abendblatt. „Wenn das Unternehmen sich entschieden haben sollte, überwiegend am Spot-Markt Energie zu beziehen, dann geht das zulasten seines unternehmerischen Risikos.“ Eine Anfrage bei Immergrün blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Verbraucherschützer raten: Kündigen und widerrufen
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat Immergrün bereits abgemahnt. „Die Bundesnetzagentur hätte schon längst gegen die Praktiken des Unternehmens einschreiten müssen“, sagt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale. „Die Preise können während der Vertragslaufzeit nicht einfach erhöht werden. Die Preiserhöhungen sind völlig intransparent und unzureichend kommuniziert worden und damit unwirksam.“
Die Verbraucherschützer raten, die Einzugsermächtigung des Versorgers zu widerrufen oder Daueraufträge zu kündigen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Denn durch die Preiserhöhung gibt es ein Sonderkündigungsrecht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der höheren Preise. „Allerdings muss man darauf achten, dass man mit der bisherigen Rate nicht in Zahlungsverzug gerät“, sagt Moeschler.
Er rät, höheren Abschlägen zu widersprechen und ebenfalls die Einzugsermächtigung zu widerrufen. Sollten Anbieter von Strom und Gas die Belieferung stoppen oder insolvent gehen, übernimmt der örtliche Grundversorger die Lieferung. Eine Unterbrechung der Versorgung muss also keiner fürchten.