Hamburg. Das Herstellungsverfahren für das Getränk hat eine lange Tradition, die Kunden hingegen sind jung. Was dahinter steckt.

So wie vor Jahren das Craft Beer die Szene der Biertrinker aufgemischt und verjüngt hat, kommt nun auch in der tendenziell eher angejahrten Wein-Gemeinde frischer Wind auf: Begriffe wie „Orange Wine“ – das ist Weißwein, der wie ein Rotwein mit Traubenschalen vergoren wird – und vor allem Naturwein sind noch längst nicht jedem Liebhaber eines guten Tropfens vertraut.

Zuletzt haben in Hamburg aber mehrere Spezialgeschäfte für Naturwein eröffnet. Ihre Inhaber leisten täglich Aufklärungsarbeit. „Die meisten Menschen wissen gar nicht, was in Wein alles drin sein darf, ohne dass es auf dem Etikett stehen muss“, sagt Ralf Voigt, der seit August 2019 mit Geschäftspartner Christoph Cyll die Naturweinhandlung Vin Vin an der Schanzenstraße betreibt.

Wein kaufen in Hamburg – nachhaltig und regional

Zwar ist Naturwein kein geschützter Begriff, in Deutschland darf er offiziell nicht einmal auf der Flasche auftauchen. Es herrscht aber weitgehend Einigkeit, was damit gemeint ist: ein Wein, der außer den Trauben allenfalls noch eine kleine Menge Schwefel enthält und nach Verfahren hergestellt wurde, die einer jahrtausendealten Tradition entsprechen. Meist ist er unfiltriert und damit leicht trüb, manche Winzer lassen ihn gar in Amphoren aus Ton reifen.

„Ein immer größerer Teil der Verbraucher legt Wert auf Merkmale wie Nachhaltigkeit, Transparenz und Regionalität, die ein Naturwein leichter erfüllen kann als ein Massenprodukt“, sagt Andreas Politzer, Inhaber von „Die Weinbagaluten“ aus Eppendorf; auch diesen Laden gibt es erst seit 2019. Politzer muss Neukunden häufig erklären, warum einige Naturweine ein Biozertifikat tragen, viele jedoch nicht: „Zumindest beim europäischen Biosiegel ist der Unterschied zu konventionellem Wein sehr gering.

Weinladen: Naturwein ist fermentierter Traubensaft

Aber selbst nach Demeter-Regeln dürfen Kupfersulfat und sogar Zuckersaft zugesetzt sein. Naturwein dagegen ist fermentierter Traubensaft und nichts anderes.“ Politzer war zunächst lange Zeit als Einkäufer von konventionellen Weinen tätig, bis ihm das zu langweilig wurde. Als er auf Andreas Zühlke traf, der in Eimsbüttel ein Naturwein-bistro betrieb, stieg er um. „Wenn man Naturwein erst einmal kennengelernt hat, will man keinen anderen mehr trinken, weil er nicht so gleichförmig schmeckt“, findet Politzer.

Allerdings kommt die spezielle Note nicht bei jedem gut an. „Manche mögen den ‚Stallgeruch‘ von Naturwein nicht – das kommt vor“, sagt Benjamin Jürgens, der Mitte Dezember mit Andreas Zühlke den „Naturweinladen“ nahe der Rindermarkthalle auf St. Pauli eröffnet hat.

Neuer Wein-Trend Naturwein – junge Menschen besonders interessiert

Es ist ein eher junges, hippes und überdurchschnittlich gebildetes Publikum, häufig im Alter zwischen 25 und 40 Jahren, das sich für den neuen Wein-Trend interessiert. Als Hochburg der Szene gilt Kopenhagen. Der dortige Gourmettempel Noma, mehrfach zum besten Restaurant der Welt gekürt, setzte schon vor gut zehn Jahren ausschließlich auf Naturweine – sie wurden „salonfähig“. Ihr Ursprung liegt aber in Frankreich, wo kleine Winzerbetriebe schon in den 1980er-Jahren mit der puristischen Weinproduktion begannen.

Zwar hat Naturwein geschätzt in Deutschland bisher nur zwei bis drei Prozent Marktanteil und ist in Hamburg noch nicht so bekannt wie etwa in Berlin. „In diesem Jahr geht die Kurve hier steil nach oben“, glaubt Jürgens. Im Vergleich zu konventionellem Wein ist der Preis etwa doppelt so hoch. „Es beginnt bei rund 15 Euro, im Schnitt kostet die Flasche 19 bis 23 Euro“, sagt Jürgens. „Aber es geht hier um bewussten Konsum.“

Naturwein werde ein Nischenprodukt bleiben, glaubt Politzer: „Das beginnt schon bei der Lese von Hand und geht bei der strengen Sortierung der Trauben weiter. In industriellem Maßstab lässt sich das nicht machen.“