Hamburg. Preise für Heizöl und Erdgas steigen stark. Wer in Hamburg mit einem Preisschock rechnen muss – und warum die Saga Entwarnung gibt.
Wer sich in diesen Tagen einen neuen Gasanbieter sucht, erlebt eine böse Überraschung: Eine Verdoppelung des Preises gegenüber dem Stand von vor zwölf Monaten ist keine Seltenheit. Die für den Großhandel maßgeblichen Erdgas-Notierungen an der Börse haben sich seit dem November 2020 mehr als versechsfacht. Auch andere Energiepreise explodieren geradezu.
Bei vielen Hamburgern, die schon jetzt die Hälfte ihres Nettoeinkommens für das Wohnen ausgeben müssen, weckt dies mit Blick auf die Nebenkosten große Befürchtungen.
Nebenkosten: Wann kommt der Preisschock?
Doch Mieter, die sich um die Versorgung mit Heizenergie nicht selber kümmern müssen, bleiben noch auf absehbare Zeit von Heizkostenschocks verschont. „Bei der Vielzahl der Hamburger, die in den Wohnungen größerer Vermieter leben, kommt das böse Erwachen erst im Jahr 2023“, sagt Siegmund Chychla, Vorstandsvorsitzender des Mietervereins zu Hamburg.
Denn ab Januar 2022 würden die Energieversorgungskonzerne die Preise für ihre Firmenkunden wie etwa Wärmeversorger anpassen, die solche Erhöhungen dann wiederum an ihre eigenen Kunden, zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, weitergeben. „Weil die Abrechnungsperiode für Heizkosten meist von Januar bis Dezember läuft, wird man in den Abrechnungen für 2021, die ungefähr zur Jahresmitte 2022 verschickt werden, noch nicht viel von den Kostensteigerungen spüren“, erwartet Chychla: „Aktuell kommen ja erst noch die letzten Abrechnungen für 2020 an.“
Allerdings könne sich bei manchen Mietern der Verbrauch aufgrund von Homeoffice-Perioden erhöht haben. Zur Sicherheit empfiehlt Chychla, zehn bis 15 Prozent der diesjährigen Heizkosten als Rücklage für Verteuerungen einzuplanen.
Saga: Hamburgs größter Vermieter gibt Entwarnung
Hamburgs mit Abstand größter Vermieter, das städtische Unternehmen Saga mit rund 137.000 Wohnungen, gibt zumindest für die nächste Abrechnung ebenfalls Entwarnung: „Aufgrund der in den letzten Jahren vergleichsweise niedrigen Energiepreise – insbesondere im Bereich der Gasversorgung – hatte die Saga Unternehmensgruppe zur Risikominimierung künftiger hoher Nachzahlungen Sicherheiten in den monatlichen Vorauszahlungen der Mieterinnen und Mieter für die Heizkosten gebildet“, erklärt Firmensprecher Gunnar Gläser.
Diese Vorauszahlungen würden die zuletzt gestiegenen Energiekosten „weitestgehend auffangen“, so dass die Mieter „in der Regel keine gravierenden Nachzahlungen für das Jahr 2021“ erwarten müssten. Künftig werde die Saga die Vorauszahlungen voraussichtlich aber anpassen müssen, um Nachzahlungen in der Abrechnung für 2022 zu vermeiden.
Die Hälfte der Saga-Wohnungen beziehen Fernwärme
Rund 40 Prozent aller Saga-Haushalte werden nach Angaben von Gläser derzeit mit Gas versorgt, rund die Hälfte sei an Fernwärmenetze angeschlossen. Weitere rund zehn Prozent würden durch dezentrale Blockheizkraftwerke versorgt. Dabei schlagen die aktuell kräftigen Energiepreisanstiege nicht unbedingt direkt auf die Saga durch. Denn man habe „mit den Versorgern unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten und Preisbindungen abgeschlossen“, so Gläser.
Zwar muss sich ein Teil der Saga-Mieter ohnehin keine Gedanken um die Heizkosten machen, denn gut 30.000 der Wohnungen sind öffentlich gefördert, Nachzahlungen übernimmt das Sozialamt. Doch rund rund 100.000 der Wohnungen sind frei finanziert.
Genossenschaften: Langfristige Verträge sichern stabile Preise
Daneben stellen 30 Hamburger Genossenschaften mit zusammen mehr als 133.000 Wohnungen einen bedeutenden Anteil des Wohnraums in der Hansestadt. Bei einer der größten von ihnen, die nicht genannt werden möchte, ist die Einkaufssituation ähnlich wie bei der Saga: „Der notwendige Gaseinkauf zur Wärmeerzeugung erfolgt in mehreren Tranchen als eine gebündelte Ausschreibung gemeinsam mit anderen Genossenschaften“, heißt es.
„Auch die Versorgung über die Hamburger Fernwärme ist mit entsprechenden Rahmenverträgen hinterlegt. Durch diese langfristige und vorausschauende Planung können wir hoffentlich Überraschungen für unsere Mitglieder verhindern.“
Auf dem Hamburger Wohnungsmarkt spielt die Versorgung mit Fernwärme eine vergleichsweise große Rolle. Zwar können sich auch die Fernwärmepreise „der aktuellen Marktentwicklung nicht entziehen“, sagt Karen Kristina Hillmer, Sprecherin des städtischen Unternehmens Wärme Hamburg. Aber die Formel für den Abgabepreis bestehe aus mehreren Variablen inklusive einer fixen Preiskomponente: „Diese Tatsache wirkt sich aktuell preisdämpfend aus“.
Heizkosten in Deutschland sind schon um 30 Prozent gestiegen
Insgesamt sind die Heizkosten in Deutschland zuletzt nach Berechnungen der Vergleichsportale Check24 und Verivox aber schon um rund 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres gestiegen. In einigen anderen EU-Ländern haben die Regierungen bereits Maßnahmen eingeleitet oder in Aussicht gestellt, um Verbraucher zu schützen.
So hat Frankreich eine Tarifbremse für Strom und Gas angekündigt und will bedürftigen Haushalten je 100 Euro zahlen. Italien will drei Milliarden Euro ausgeben, um Haushalten einen Teil ihrer Strom- und Gasrechnungen zu erlassen. Und Spanien hat Maßnahmen auf EU-Ebene gefordert, etwa eine gemeinsame Plattform für Gaseinkäufe.
Steigen Preise 2022 weiter so stark?
Wie stark die steigenden Energiepreise tatsächlich auf Hamburgs Mieter durchschlagen, hängt auch davon ab, ob die zuletzt rasante Verteuerung 2022 anhält. Viele Fachleute bezweifeln das – und an der Leipziger Energiebörse EEX kostet Erdgas zur Lieferung im zweiten Quartal 2022 aktuell sogar rund 40 Prozent weniger als Gas, das schon im nächsten Monat geliefert werden soll.
Allerdings erscheint der jüngste Anstieg der Heizkosten derzeit auch deshalb so dramatisch, weil diese zuvor mehrere Jahre lang eher niedrig waren. Laut Verivox lag der durchschnittliche Haushaltskundenpreis für Gas bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) im Oktober in Deutschland bei 7,01 Cent pro kWh. Um den Jahreswechsel 2008/2009 war er jedoch durchgängig höher, in der Spitze waren es damals 8,09 Cent je kWh.
Und selbst wenn man sich der Preisentwicklung nicht entziehen kann, gibt es immer noch eine Möglichkeit, die Kosten zu dämpfen: Wer die Heizung um ein Grad herunterregelt, spart sechs Prozent der Heizkosten.