Hamburg. Anbieter leiden unter Umsatzeinbruch und Mitgliederschwund. Sie hoffen auf zügige Wiedereröffnung und sagen: Hygienekonzept ist sicher.

Auf ihrer Facebook-Seite haben Die Schrittmacher gepostet, wie es momentan bei ihnen aussieht. Auf einem Foto sind das Tanzparkett zu erkennen, die Spiegelfront, Lautsprecher und Scheinwerfer. Menschen fehlen. „Unsere Säle bleiben leider leer“, steht über dem Bild. Seit Anfang November haben die Tanzschulen in Hamburg wegen der Pandemie erneut geschlossen. Schrittmacher-Chef Rainer Abbé befürchtet, dass das bis Ende März so bleiben wird: „Dann wird das Geld knapp. Das muss man ganz klar sagen.“

Der 44-Jährige, der das Studio mit seiner Frau Britta betreibt, zog Konsequenzen. Bis zum Jahresende bauten die Mitarbeiter noch Überstunden sowie Urlaub ab und hielten die Kunden mit Onlinevideos bei der Stange. Beides ist nun vorbei. Seit Anfang Januar sind sie zu 100 Prozent in Kurzarbeit und erhalten 60 oder 67 Prozent des letzten Lohnes. Aus eigenen Mitteln draufsatteln könne er nicht mehr, sagt Abbé: „Es gibt einige Kunden, die uns Spenden zukommen lassen. Damit stocke ich die Gehälter der Mitarbeiter und Minijobber auf.“

Viele Beschäftigte in Kurzarbeit

Auch Isabel Edvardsson schickte mit Jahresbeginn die Mehrheit der Beschäftigten ihrer zwei Tanzschulen in Hammerbrook und Ahrensburg in Kurzarbeit, stockt aber auf 100 Prozent auf. In Hamburgs Norden bezahlt Peter Gade seinen acht Mitarbeitern noch den vollen Lohn. Er bietet den Mitgliedern seiner Tanzschule Ring 3 aus dem Saal gestreamten Liveunterricht an, der insbesondere von Kindern zwischen drei bis zehn Jahren gut angenommen werde. Doch Ende Januar könnte damit Schluss sein.

Denn die Pandemie schlägt bei den Firmen voll auf die Bücher durch. Zählten Die Schrittmacher vor der Krise 1900 Mitglieder, seien es nun noch knapp 800. Seit November werden keine Mitgliedsbeiträge mehr eingezogen. Die Folge: „Wir hatten im vergangenen Jahr ungefähr eine halbe Million Euro Umsatzausfall“, sagt Abbé. Dazu trug natürlich auch der erste Lockdown bei, in dem die Studios von Mitte März bis 2. Juni geschlossen waren. Und im November und Dezember fielen geplante Bälle sowie sich anschließende Fortschrittskurse für Jugendliche und Crashkurse für Eltern aus.

Bisher keine Insolvenzen unter Hamburger Tanzschulen

Auch Gade beziffert den Einbruch der Erlöse im Jahr 2020 mit rund 500.000 Euro. Bei ihm schrumpfte die Zahl der Mitglieder von 2200 auf 900. Sie würden weiterhin ihre Beiträge von 28 bis 65 Euro pro Monat zahlen und bekämen dafür Gutscheine, für die sie aus verschiedenen Leistungen wählen können. Gade und Abbé befürchten massive Langzeitschäden. Es werde Jahre dauern, bis man bei der Stammkundschaft das Vorkrisenniveau wieder erreicht habe.

Insolvenzen unter Hamburger Tanzschulen seien nicht bekannt, aber in Ahrensburg habe ein Anbieter geschlossen, heißt es. Abbé befürchtet vor allem das Aus für kleine Spezialanbieter wie Salsa- und Swing-Schulen, die nicht so gut gewirtschaftet hätten. „Ich höre von einigen Kollegen, die sich Sorgen machen, ob sie die nächsten ein, zwei, drei Monate überstehen“, sagt Edvardsson, die seit dem Sommer ein Drittel ihrer Mitglieder verlor. „Auch für uns wird es irgendwann eng werden“, sagt die Schwedin. Sie sieht die gesamte Kultur in der Krise, zu der sie den Tanzsport zählt.

Gade missfällt die Verteilung der Hilfsgelder

Das aktuelle Problem in der Branche ist eines, das sie mit vielen anderen Unternehmern teilt: Aus den November- und Dezemberhilfen sollten Abbé und Gade jeweils rund 150.000 Euro bekommen. „Das ist für uns viel Geld“, sagt Gade. Aber außer dem Bewilligungsbescheid, der für den November gleich dreimal gekommen sei, habe er noch keine Anzahlung bekommen. Fließe das Geld nicht bis Ende des Monats, drohe auch seinen Beschäftigten Kurzarbeit.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Auch Abbé sagt, er habe bisher nur rund 10.000 Euro erhalten. Die Hürden für die Beantragung seien sehr hoch, kleine Firmen würden nicht ausreichend unterstützt. Gade missfällt die Verteilung der Hilfsgelder. „Ich finde die Politik der Regierung absolut daneben, dass Firmen unterstützt werden, die keine Steuern in Deutschland zahlen oder hohe Summen ohne Auflagen kriegen.“ Aus Steuergeldern würden dann Abfindungsprogramme zum Stellenabbau bezahlt. Dabei müsse man die Leute in Lohn und Brot halten. Kleine Unternehmen warteten hingegen lange auf Geld. Er habe bereits im Juni einen KfW-Kredit über knapp 300.000 Euro beantragt. Die Bewilligung stehe weiterhin aus.

Liquiditätsengpass und Zukunftssorgen

Der aktuelle Liquiditätsengpass ist das eine, die Zukunftssorgen das andere. Man brauche klare Vorgaben der Politik, wie es wann weitergeht. „Wir wollen so schnell wie möglich starten“, sagt Abbé und ergänzt, dass man natürlich Infektionen und die weitere Ausbreitung der Pandemie verhindern wolle. Man sei aber gut aufgestellt. Nach dem ersten Lockdown hätten sich die im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) zusammengeschlossenen Studios an das entwickelte Hygienekonzept gehalten.

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„Alle Tanzschulen in Hamburg erfassen digital ihre Kunden, können genau nachvollziehen, wann wer wie viele Minuten mit wem zusammen in einem Raum war“, sagt Gade. „Ich glaube wirklich, dass sich da keiner anstecken kann“, sagt Edvardsson. Und Abbé ergänzt: „Wir hatten in keiner ADTV-Tanzschule in Hamburg einen positiven Corona-Fall.“ Durch getrennte Ein- und Ausgänge würden die Tänzer nicht aufeinandertreffen. Die Zahl der Teilnehmer wurde reduziert, um die Abstände in den ohnehin großen Sälen einzuhalten. Als im August die Kurse wieder begannen, hätten alle Jugendlichen in seiner Tanzschule mit Maske getanzt. Es habe feste Zehner-Gruppen gegeben, ein Partnerwechsel während der Kursdauer wurde untersagt. Die Jugendlichen hätten viel Verständnis dafür gehabt. Nur vier von 600 Tänzern hätten den Kurs abgebrochen, sagt Abbé. 

Inhaber schlägt Schnelltests für Veranstaltungen vor

Die Hoffnung der Branche auf einen Re-Start ruht nun auf dem Frühjahr. „Wir brauchen das zweite Quartal“, sagt Abbé. Gade hofft, ab April wieder Kurse für Schulklassen – die dann wahrscheinlich ohnehin wieder in einem Raum säßen – und die Stammkunden anbieten zu können. Die Behörde solle sich vor Ort sehen lassen und das Konzept absegnen. Er wäre auch bereit dafür, eine Gebühr zu zahlen. Veranstaltungen sollten wieder ermöglicht werden. Wer zum Ball komme, müsse sich einem Schnelltest unterziehen oder ein aktuelles Testergebnis vorweisen. Beim Tanzen würden Masken getragen werden. „Es muss eine Vision geben, wie wir da rauskommen“, sagt Gade. Seine steht fest: Am 12. Dezember möchte er einen Ball im CCH feiern.