Hamburg. Budnikowsky-Geschäftsführer Christoph Wöhlke erzählt, wie die Hamburger Drogeriemarktkette die Krise überwunden hat.

Christoph Wöhlke hat für das Gespräch mit dem Abendblatt seinen Urlaub unterbrochen. Mit viel Abstand und bei geöffneten Fenstern spricht der 42 Jahre alte Geschäftsführer der Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky im Konferenzraum der Firmenzen­trale in Wandsbek über Pläne für neue Filialen in Hamburg und Berlin, die Zusammenarbeit mit Edeka und über Corona-Tests vor Budni-Filialen.

In Hamburg sind Frühjahrsferien. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Christoph Wöhlke Das ist die große Herausforderung (lacht). Wir haben noch lange gehofft, dass wir mit den Kindern irgendwo Ski fahren können. Aber aufgrund der aktuellen Corona-Situation fällt das leider in diesem Jahr aus. Es geht uns wie allen anderen auch. Wir bleiben zu Hause.

Wie hat sich Ihr Alltag durch die Corona-Pandemie geändert?

Der Kontakt zu anderen Menschen, zufällig oder geplant, ist viel weniger geworden. Teilweise habe ich Bekannte ein ganzes Jahr nicht gesehen. Auch Homeschooling und nicht stattfindende Kita-Betreuung bringen ganz neue Herausforderungen für einen selbst, aber auch für die gesamte Familie mit sich. Hinzu kommt, dass sich fast der gesamte Arbeitsalltag digitalisiert hat.

Für das Unternehmen ist es in den vergangenen zwölf Monaten gut gelaufen. Die Märkte mussten anders als andere nicht schließen. Ist Budni ein Krisengewinnler?

Zwar haben wir das große Glück, dass wir die ganze Zeit offen haben. Darum beneiden uns viele. Aber es ist ein Trugschluss zu denken, dass das Geschäft in so einer Situation einfach weiterläuft. Wir hatten plötzlich ganz andere Herausforderungen und damit verbundene Kosten. Wie sorgt man dafür, dass Mitarbeiter und Kunden sicher sind? Wie geht man mit Lieferengpässen und wachsenden Warenmengen um? Das Corona-Jahr hat alles umgeworfen, was vorher war. Plötzlich verkaufen Sie keinen Lippenstift mehr, aber die zehnfache Menge Mehl. Das hat unheimlich viel Energie und Kraft gekostet. Es war ein sehr anstrengendes Jahr.

Das ist keine Antwort auf die Frage ­...

Wir haben 2020 gerade erst die schwarze Null erreicht. Das Umsatzwachstum war zwar größer als geplant, aber es ist nicht exorbitant. Wir haben auch Filialen, etwa in Innenstadtlagen und Einkaufscentern, in denen die Umsätze um 60 Prozent eingebrochen sind. Wir haben Sortimente wie Lippenstifte und andere Kosmetikartikel, die plötzlich gar nicht mehr nachgefragt sind. Für mich ist ein Krisengewinnler jemand, der versucht, maximalen Profit aus dem Leid anderer zu schlagen, zum Beispiel eine Atemmaske für fünf Euro verkauft. So etwas machen wir nicht. Wir haben auch die Senkung der Mehrwertsteuer von Anfang an komplett an die Kunden weitergegeben, und versucht, mit verschiedenen Aktionen andere zu unterstützen.

Auch Budni hat das Sortiment an die Situation in der Krise angepasst, ein Beispiel sind frische Blumen. Soll das ausgebaut werden?

Budni führt heute kein Sortiment, das nicht schon vorher in der einen oder anderen Filiale geführt wurde. Auch Blumen gibt es schon einige Jahre in ausgewählten Filialen. Unser Grundprinzip ist, dass wir uns auf die lokalen Bedürfnisse der Kunden beständig einstellen – und damit auch auf sich verändernde Bedürfnisse. Diese haben sich für uns merklich geändert, weil viele Menschen jetzt zum Beispiel im Homeoffice sind. Die Debatte, ob wir anderen Händlern etwas wegnehmen, führt in die falsche Richtung. Es geht nicht um stationär gegen stationär. Viel entscheidender ist, ob die lange Schließungsphase dazu führt, dass in Zukunft nur noch online gekauft wird. Denn das wäre fatal. Wir alle brauchen einen vielfältigen und lebendigen stationären Handel.

Gibt es jetzt Pläne für den Online-Handel?

Derzeit nicht. Wir schauen uns das an, aber ohne Druck. Man muss eine Form finden, in der sich der Online-Verkauf rechnet. Das ist im Drogeriemarktsegment schwierig. Wir wollen bei der Digitalisierung vorankommen, aber das muss nicht der Versand nach Hause sein.

Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Wir wollen den Bezahlprozess einfacher machen, etwa durch Selbst-Scanner-Kassen, wie etwa im Pilotmarkt an der Gertigstraße. Wir haben in allen Filialen ein Leitsystem für einen nachhaltigen Einkauf ausgerollt und mit der Budni-App verknüpft. Unabhängig von Corona werden die Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel, Artenvielfalt ein wesentlicher Treiber unserer gesellschaftlichen Veränderung bleiben. Dazu wollen wir einen deutlichen und positiven Beitrag leisten. Nach und nach werden alle Märkte nach diesem Prinzip umgebaut. Das sind bei 180 Filialen Investitionen in Millionenhöhe.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Edeka?

Sehr gut. Es ist nicht einfach, wenn ein Mittelständler mit einem großen Unternehmen zusammenkommt. Corona hat uns noch einmal enger zusammengeschweißt. Für uns war es in den vergangenen Monaten sehr hilfreich, dass wir auch in der Beschaffung eng mit Edeka verzahnt sind. Allein wären wir für diese Herausforderung zu klein gewesen, dann hätten die Kunden über deutlich mehr Lücken geklagt. Egal, ob es um Klopapier oder Masken geht.

Themenwechsel: Eigentlich hatte Ihr Vater Cord Wöhlke sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung schon für 2020 angekündigt, jetzt bleibt er doch bis 2022. Was ist passiert?

Für meinen Vater ist es sehr wichtig, das Unternehmen nach den wirtschaftlich schwierigen Jahren in einer gesunden Form zu übergeben. Mit dem Erreichen der schwarzen Null Ende 2020 sind wir raus aus den roten Zahlen. Das zeigt, dass die Veränderungen, die wir in den vergangenen Jahren angeschoben haben, Wirkung zeigen. Operativ leiten Carsten Neumann, der von Edeka zu uns gekommen ist, und ich die Geschäfte gemeinsam.

Wie soll die Rückkehr in die Gewinnzone nach dem Beginn der Krise des Unternehmens im Jahr 2016 laufen?

Das ist ja bereits geschehen, und wir sind zuversichtlich, dass es positiv weitergeht. Die Grundlage dafür waren Restrukturierungen, Umbau, Neuorganisation, Outsourcing von Leistungen (an die Edeka), neue IT-Systeme, Verbesserung des Filialportfolios. Durch eine Umstellung der bisherigen Geschäftsjahre von März bis Februar auf Kalenderjahre hatten wir 2019 ein Rumpfgeschäftsjahr von März bis Dezember, in dem die Verluste noch über denen des Vorjahres lagen. Das war so geplant, weil wir noch Aufwendungen aus dem Restrukturierungsprozess hatten, etwa im IT-Bereich. Für 2020 hatten wir eigentlich auch noch einen geringen Verlust geplant. Jetzt stehen wir mit dem Ergebnis einer schwarzen Null besser als erwartet da und sind zuversichtlich, dass wir 2021 Umsatz und Gewinn weiter steigern können.

Wie sieht es bei den Filialen aus? Was haben Sie in Hamburg und Berlin vor?

Unsere beiden Berliner Filialen laufen inzwischen sehr gut. Das zeigt, dass unser Weg richtig ist. In diesem Jahr wollen wir drei bis fünf weitere Standorte in Berlin eröffnen. In Hamburg suchen wir weiterhin gute Standorte, dabei sind auch kleine Flächen für uns interessant, etwa in hochverdichteten Vierteln, die sonst für Filialisten eher untypisch sind. So haben wir gerade am Steindamm eine neue Filiale eröffnet. In diesem Jahr soll noch eine weitere an der Hammer Landstraße folgen sowie in Wedel und Tostedt.

Budni betreibt jetzt auch zwei Corona-Teststationen? Ist das ein weiteres Geschäftsfeld?

Wir sind erst mal überrascht über die Resonanz. Vor den Ferien hatten wir 100 und mehr Tests pro Tag und Station. Wir könnten mit unserem Partner DynaMe deutlich mehr machen, auch für Altenheime, Kitas oder Schulen. Für jeden, der Nachfrage nach qualifizierten Tests hat.

Die Budni-Teststationen bieten auch kostenlose Schnelltests an. Wie zufrieden sind Sie mit dem Management der Stadt?

Wir stehen hier mit den Behörden im engen Austausch. Die Schnelltest-Strategie ist ein sinnvoller Baustein, um jetzt die dringend erforderlichen Lockerungen zu ermöglichen. Das Ganze kann aber nur klappen, wenn die Tests extrem effizient und in hoher Schlagzahl durchgeführt werden. Im Prinzip muss in jeder Minute jemand einen Wattetupfer in der Nase haben. Wir sind bereit und fähig dazu, einen Beitrag zu leisten, dafür brauchen wir stabile Rahmenbedingungen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Ist ein Ausbau des Testangebots geplant, etwa auch vor Filialen, so wie der Budni-Konkurrent dm das in Baden-Württemberg macht?

Wir halten eine Vermischung von Menschen, die bei uns einkaufen wollen und Menschen, die sich testen wollen, in unseren Filialen nicht für sinnvoll und auch nicht für sachgerecht. Allerdings prüfen wir sowohl weitere Teststationen als auch Möglichkeiten auf den Parkplätzen vor unseren Filialen. Hier sind wir allerdings auf den Goodwill unserer Vermieter und Nachbarn angewiesen. Da haben wir schon die eine oder andere Zusage bekommen, aber auch Ablehnung.