Hamburg. Unter den Beschuldigten ist auch bekannter Mäzen aus Hamburg. Ermittelt wird wegen des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen.
Die Ermittler standen um 9 Uhr vor der Tür. Gleichzeitig durchsuchten Beamte der Wasserschutzpolizei und des Landeskriminalamts am vergangenen Mittwoch zehn Büros in der Innenstadt und an der Alster. Ermittelt wird gegen fünf Männer aus der Reederei-Szene. Es geht um die illegale Abwrackung von Schiffen im Ausland. Unter den Beschuldigten ist auch Hermann Ebel. Jahrelang war er einer der ganz großen Anbieter von Schiffsfonds in Hamburg.
Es geht um zwei Schiffe, die bereits vor Jahren in Indien und Bangladesch abgewrackt wurden. Beide Länder sind Zentren der weltweiten Schiffsverschrottungsindustrie. Doch korrekt entsorgt werden die Schiffe in diesen Fällen nicht – stattdessen werden sie einfach an den Strand gefahren und auf Land gesetzt, um von einem Heer von Arbeitern mehr oder weniger fachmännisch zerlegt zu werden. Der Schrott wird dann weiterverkauft. „Beaching“ wird diese Form des Abwrackens genannt. Ermittelt wird nun wegen des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen nach dem Abfallverbringungsgesetz.
Schifffahrt Hamburg: Mäzen Ebel unter Verdacht
Hermann Ebel, Geschäftsführer der Hansa Treuhand, deren Geschäftsräume an der Alster im Gebäude des ehemaligen Hotels Prem ein Durchsuchungsort waren, äußerte sich gegenüber dem Abendblatt zu den Vorwürfen: „Wir kooperieren vollumfänglich und haben nichts zu verbergen“, so Ebel. „Zu dem Sachverhalt selbst können wir uns nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.“ Im Fall von Ebels Firma geht es um das Containerschiff HS „Caribe“, das 2002 gebaut und 2016 am Strand von Alang im indischen Bundesstaat Gujarat abgewrackt wurde.
Ebel, der bis zu seiner Insolvenz vor fünf Jahren nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann war, sondern auch ein großer Mäzen der Stadt, der zahlreiche soziale Projekte und den Bau der Elbphilharmonie mit einer Million Euro unterstützte, ist nicht der erste Prominente aus der Reeder-Branche, gegen den in Sachen „Beaching“ ermittelt wurde. Im Sommer vergangenen Jahres durchsuchten Beamte Büros von mehreren Beschuldigten, darunter ein Tochterunternehmen der Erck Rickmers Gruppe.
Rickmers weist Verantwortung von sich
In dem damaligen Verfahren ging es um drei Schiffe, von denen eines mit Rickmers in Verbindung gebracht wurde. Auch Rickmers hatte angekündigt, „vollumfänglich“ mit den Behörden zu kooperieren. Er hatte aber auch klargemacht, dass nach der Übergabe des Schiffs im ägyptischen Port Said der Käufer für den weiteren Betrieb verantwortlich gewesen sei.
Der Vorwurf damals ist vergleichbar mit dem Vorwurf im aktuellen Verfahren. Die Beschuldigten sollen die Schiffe, nachdem deren wirtschaftliche Lebensdauer sich dem Ende geneigt hatte, verkauft haben. Die neuen Eigner hätten dann die Schiffe, die rechtlich als gefährlicher Abfall bewertet werden, aus dem EU-Gebiet gebracht. Im aktuellen Fall handelt es sich neben der HS „Caribe“ um das 2001 in Polen gebaute Containerschiff „Bosun“.
Am vergangenen Mittwoch wurden nicht nur Büros von Hermann Ebel durchsucht, sondern auch weitere Firmen, die mit der Hansa Treuhand in Verbindung stehen, darunter eine Rechtsanwaltskanzlei und ein Unternehmen, das sich auf Aktenvernichtung spezialisiert hat.
Ermittlungen werden von NGOs ins Rollen gebracht
Bei den Ermittlungsbehörden geht man davon aus, dass die Beschuldigten wussten, dass die Schiffe nach dem Verkauf außerhalb der EU an den einschlägig bekannten Stränden abgewrackt werden sollen. Damit besteht der Anfangsverdacht des Verstoßes gegen europäische Abfallverbringungsgesetze.
Zudem sollen mit den Schiffen, die nur noch Schrottwert gehabt hätten, hohe Erlöse erzielt worden sein. 9,4 Millionen Euro soll der Verkauf der beiden Containerfrachter gebracht haben. Das Containerschiff „Bosun“ soll laut einer Fachzeitschrift Anfang des Jahres 2017 für 317 Dollar per Leertonne an einen sogenannten „Abbrecher“, ein Unternehmen, das sich auf das Abwracken von Schiffen spezialisiert hat, verkauft worden sein.
Die Ermittlungen selbst sind schwierig und langwierig. Schiffe werden über Fonds finanziert und gehören oft mehreren Eignern. „Es sind in der Regel ganze Firmengeflechte, die erst einmal entwirrt werden müssen, bevor man einen klaren Blick auf die genauen Eigentumsverhältnisse bekommen kann“, so ein Beamter.
In der Reeder-Szene geht man davon aus, dass die Ermittlungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ins Rollen gebracht wurden. Sie haben sich zusammengeschlossen, um „Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen“ zu bekämpfen, „die durch aktuelle Praktiken des Abwrackens der Schiffe verursacht werden“. Jährlich stellen diese NGOs Listen von Schiffen zusammen, die an den Stränden in Indien, Bangladesch und Pakistan abgewrackt werden, und veröffentlichen sie.