Dramatische Szenen in Wandsbek: Bademeister reanimiert Siebenjährigen – und tröstet nebenbei die Schwester. Eltern waren nicht dabei.

  • Bademeister rettet siebenjährigen Nichtschwimmer in Wandsbek
  • Eltern hatten das Kind und dessen drei Geschwister ins Hallenbad geschickt
  • Nichtschwimmer-Kinder waren dem Bademeister schon früh aufgefallen
  • Polizei Hamburg schaltet Jugendamt in diesen Fall ein

Er hat einem Kind das Leben gerettet: Dennis Thiede griff im Bäderland-Schwimmbad Wandsbek ein, als ein Siebenjähriger fast ertrunken wäre. Der Rettungsschwimmer entdeckte den Körper des Jungen am Boden des Bades, handelte geistesgegenwärtig und konnte den Jungen reanimieren – aber der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf ein größeres Problem: Eltern passen in Schwimmbädern nicht ausreichend auf ihre Kinder auf. Oder lassen ihren Nachwuchs, selbst wenn er nicht schwimmen kann, sogar allein zum Baden gehen.

Eltern schickten Nichtschwimmer-Kinder ins Hallenbad – Bademeister rettet Kind

Das Geschehen in Wandsbek war dramatischer als zunächst bekannt. Rekordtemperaturen von bis zu 40,1 Grad sorgten am Mittwoch für enormen Andrang. „Das Bad war rappelvoll“, erzählt Rettungsschwimmer Thiede.

Jeder suchte Abkühlung – selbst in der relativ kleinen Anlage an der Wendemuthstraße, die nur über ein Hallenbad, immerhin aber auch über eine Liegewiese verfügt. „An diesem Tag war es extrem“, sagt Thiede. Im Bad seien viele Menschen gewesen, die sonst nicht zum Schwimmen kämen.

„Es war ein anderes Publikum, viele überschätzten sich“, sagt der 34-Jährige. „Auch Nichtschwimmer wollten sich abkühlen.“ Gegen 15 Uhr wurde es noch einmal voller. Wohl nie zuvor habe er so häufig erschöpfte oder überforderte Badende mit der langen Rettungsstange zurück an den Beckenrand oder in den Nichtschwimmerbereich geleiten müssen, so Thiede.

14-Jährige sollte auf drei kleine Geschwister im Bad aufpassen

Die vier Geschwister im Alter von drei, sechs, sieben und 14 Jahren waren ohne ihre Eltern im Schwimmbad, obwohl nur die älteste von ihnen schwimmen kann. Zwei der Kinder waren Thiede bereits kurz vor dem fast tödlich verlaufenen Zwischenfall gegen vier Uhr aufgefallen.

Denn die 14-Jährige kletterte auf den Drei-Meter-Sprungturm und ließ ihr dreijähriges Geschwisterkind allein am Beckenrand zurück. Der Rettungsschwimmer ermahnte sie, das Kleinkind niemals unbeaufsichtigt zu lassen, und schickte sie zurück in den Nichtschwimmer-Bereich.  „Das“, sagt der 34-Jährige, „war unsere erste Begegnung.“ 

Drei Minuten später wollte Thiede den Drei-Meter-Sprungturm schließen, weil das Becken einfach zu voll war. „Ich kam am Ein-Meter-Sprungbrett vorbei, da sah ich die blaue Badehose ganz unten im Wasser“, erzählt der Rettungsschwimmer. „Der Körper des Jungen lag leblos auf der Schräge am Boden des Beckens.“

Bei Reanimation: Siebenjähriger verliert erneut das Bewusstsein

Die folgenden Minuten wird er wohl nie vergessen: Thiede drückte kurz den Alarmknopf und sprang dann sofort ins Wasser. „Von dem Moment an hatte ich nur noch einen Tunnelblick, habe kaum noch wahrgenommen, was um mich herum passiert.“

Der Junge war bewusstlos, Thiede begann umgehend mit der Reanimation. Es war für ihn das erste Mal. Aber er hatte das ganze Prozedere frisch im Kopf, weil er eine Woche zuvor gerade die Rettungsfähigkeitsprüfung, die jedes Jahr aufgefrischt werden muss, hinter sich gebracht hatte.

„Ich habe den Jungen durch die Nase beatmet – exakt so, wie wir es mit dem Prüfer durchgegangen waren“, berichtet Thiede. Also fünf Mal durch die Nase Luft zuführen, 30-mal Herzdruckmassage, wieder beatmen und dann wieder Herzdruckmassage.

Als er erneut beatmete, kam der Junge zu sich und spuckte Wasser aus. Kurz darauf verlor er wieder das Bewusstsein. Erst als er erneut beatmet wurde, war er wieder da – und spuckte einen noch größeren Schwall Wasser aus.

Bademeister hielt auch der Schwester die Hand, beruhigte sie

Der Junge kam auf eine Liege, dann war auch seine Schwester mit den anderen beiden kleinen Kindern da, völlig geschockt. Es tue ihr so leid, habe sie gesagt, berichtet der Rettungsschwimmer. Er habe ihre Hand gehalten, während er sich um den Jungen kümmerte. Und dann waren auch Rettungskräfte und Polizei da.

„Die Rettungskette hat hervorragend funktioniert, das war perfekte Teamarbeit“, sagt Thiede. Der Siebenjährige wurde ins Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gebracht, konnte aber noch am selben Abend entlassen werden. Oftmals bekommen die Rettungsschwimmer nach Badeunfällen keine Rückmeldung, wie es dem Betroffenen geht. Doch bei Thiede meldete sich die Notärztin.

Bäderland bietet psychologische Beratung an

Der gute Ausgang hilft dem 34-Jährigen, das Geschehen zu verarbeiten. Bäderland  bietet für Situationen wie diese eigens psychologische Betreuung an. „Es gibt Einsätze, die vergessen unsere Schwimmmeister und Rettungsschwimmer auch nach 40 Jahren nicht“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel.

Die Polizei dürfte dafür sorgen, dass auch die Eltern der Kinder diesen Vorfall nicht so schnell vergessen werden. Denn sie hatten die 14-Jährige mit ihren drei-, sechs- und siebenjährigen Geschwistern allein zum Baden gehen lassen. Die Eltern leben getrennt. Die vier Kinder wohnen bei der Mutter am Großlohering in Rahlstedt. Von den Kindern kann einzig die 14-Jährige schwimmen.

Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung der Aufsichtspflicht eingeleitet. Laut Polizeisprecherin Nina Kaluza ist das die in solchen Fällen übliche Verfahrensweise. Die Ermittlungen würden ergeben, ob tatsächlich eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorlag.

Bademeister rettet Nichtschwimmer – Polizei schaltet Jugendamt ein

Auf Anfrage erklärte das Bezirksamt Wandsbek: Wenn es Kenntnis von solchen Ereignissen bekomme, nehme das Jugendamt Kontakt zu der Familie auf und führe „ein Gespräch mit dem Ziel einer vertrauensvollen Kooperation zur Vorbeugung weiterer kindeswohlgefährdender Handlungen“. Gegebenenfalls würden weitere Hilfen angeboten. Anhand des Verlaufes und der Eindrücke aus diesen Gesprächen leite sich das weitere Vorgehen ab.

Immer wieder beobachten die Bademeister bei Bäderland, dass auch Eltern, die ihre Kinder zum Schwimmen begleiten, nicht ausreichend auf sie Acht geben, sondern sich auf das Bäderpersonal verlassen.

Gerade in den zwei heißen Tagen dieser Woche gab es enorm viele Einsätze. „Ein Schwimmmeister kann nicht alle Kinder beaufsichtigen“, so Dietel. „Er hat den breiten Blick auf das Ganze, aber nicht den Fokus auf einzelne Kinder.“ Selbst eine erwachsene Begleitperson könne nicht auf drei kleinere Kinder aufpassen  – geschweige denn eine 14-Jährige.