Hamburg. Vor 20 Jahren wurde die erste Stilbruch-Filiale in Wandsbek eröffnet. Heute ist das Secondhand-Kaufhaus stadtbekannt.

Im Grunde ist es ganz einfach, sagt Roman Hottgenroth. Man müsste sich nur ein Haus vorstellen, Fenster und Türen öffnen, es hochheben und dann einmal kräftig schütteln. „Und alles, was dabei herauspurzelt, gibt es bei uns zu kaufen.“

Und wer schon einmal durch eine der drei Hamburger Stilbruch-Geschäfte gebummelt ist, der weiß, dass Hottgenroths Beschreibung den Kern trifft. Bei Stilbruch, dem Secondhand-Kaufhaus der Stadtreinigung Hamburg, gibt es alles, was sich so in einem Hausstand ansammelt: Möbel, Bücher, Lampen, Kleidung, Elektronik, Spielzeug. Alles eben. Eine Fundgrube, die jeden Tag neu befüllt wird und die sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Institution etabliert hat. Am Freitag feiert sie ihr 20. Jubiläum.

Dass das Konzept des Gebrauchtkaufhauses einmal zu einer Erfolgsgeschichte werden würde, war so zu Beginn allerdings nicht abzusehen. Hottgenroth, der seit 2010 als Betriebsleiter für alle drei Stilbruch-Filialen verantwortlich ist, erinnert sich an die Anfänge: „Die Grundidee stammte aus Berlin. Dort war Ende der 1990er-Jahre ein Projekt gestartet, bei dem die guten Dinge, die bei der Stadtreinigung abgegeben werden, zentral gesammelt und weiterverkauft werden.“

Massenhaft Anlieferungen nach dem ersten Lockdown

Die ersten Schritte in Hamburg waren dagegen klein: Zunächst gab es an den einzelnen Recyclinghöfen kleine Blechhütten mit ein paar Produkten drin, die kostenlos an Bedürftige abgegeben wurden. „Doch das funktionierte nicht, weil nach einer Weile jeden Tag dieselben Menschen kamen, die die Waren zum Teil ihrerseits weiterverkauften.“

Im nächsten Schritt wurde schon größer gedacht: Im Jahr 2001 kaufte die Stadtreinigung die Verkaufs- und Lagerhalle in Wandsbek an und gründete offiziell das Tochterunternehmen Stilbruch. Zunächst gab es nur einen festen Angestellten und sechs Beschäftigte einer AMB-Maßnahme. Wie der Start lief? Kurz gesagt: eher mau. „Das Geschäft wurde nicht gut angenommen, und auch in Berlin scheitere das Projekt.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Aus heutiger Sicht brauchte es aber offenbar nur etwas Zeit, bis sich das Konzept und die Marke etablierten. Und vielleicht auch, bis der Standort – mitten in einem Wandsbeker Gewerbegebiet – an Bekanntheit gewann. „Aus Versehen landete hier jedenfalls niemand“, sagt Hottgenroth. Am Ende sollte es sich lohnen, dass das Stilbruch-Projekt die Zeit bekam, die es brauchte: Bis 2011 hatte es sich so gut entwickelt, dass die Hälfte der ehemaligen Ein-Euro-Jobber fest angestellt werden konnte.

Aus der Minicrew wurde eine große Mannschaft

Heute ist aus der Minicrew eine große Mannschaft geworden. 72 Mitarbeiter sind inzwischen bei Stilbruch beschäftigt. Neben der Filiale in Wandsbek gibt es zwei weitere an der Ruhrstraße in Altona und in den Harburg-Arcaden.

Das Erfolgsrezept laut Hottgenroth: „Stilbruch ist eine Wundertüte, bei der sich die Waren bestenfalls jeden Tag ändern.“ Damit der Wundertüten-Effekt immer gesichert ist, braucht das Unternehmen täglich neue Ware.

Eine wichtige Säule dabei sind die Recyclinghöfe der Stadtreinigung, an denen die Mitarbeiter vor Ort entscheiden, welche der abgegebenen Gegenstände noch so gut erhalten sind, dass sie bei Stilbruch weiterverkauft werden können. Stilbruch fährt die Höfe täglich ab, um neue Ware abzuholen. Mindestens genauso wichtig sind die Privatanlieferungen der Hamburgerinnen und Hamburger. „Die Bereitschaft, uns zu unterstützten, ist sehr hoch“, so Hottgenroth.

Pandemie sorgte für einen Ausmiste-Hype

Und Corona sollte eben diese Bereitschaft noch weiter ankurbeln. Die Pandemie sorgte jedenfalls für einen nie da gewesenen Ausmiste-Hype, und damit für lange Schlangen an Abgabestellen. „Wir mussten zusätzliche Lagerflächen schaffen, um dem Andrang standzuhalten“, so Hottgenroth. Inzwischen hätten sich die Mengen wieder in etwa auf dem Vor-Corona-Niveau eingependelt.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Ein ganz besonderer Tag in diesem Jahr war der erste Öffnungstag nach dem langen Lockdown am 22. Mai. „Wir haben diesem Tag nach Wochen und Monaten der Kurzarbeit sehr entgegengefiebert“, so Hottgenroth. Und dennoch war da auch die Sorge, dass sie vielleicht nach all den Wochen der Schließung vielleicht etwas in Vergessenheit geraten sein könnten.

Doch das Gegenteil war der Fall: An allen drei Filialen wurden am ersten Öffnungstag die Besucherrekorde gebrochen. Wohlgemerkt: trotz der Einlassbeschränkungen. Der 50-Jährige erinnert sich: „Es gab Menschen, die standen erst 40 Minuten lang an der Schlange, um ihr Produkt zu kaufen, und sagten dann an der Kasse, wie sehr sie sich freuten, dass endlich wieder geöffnet sei.“

Stilbruch sei mehr als ein ganz normales Unternehmen

Stilbruch, das sei eben doch mehr als ein ganz normales Unternehmen: „Wir verkaufen Dinge mit Geschichte, und so behandeln wir die Dinge auch“, sagt Hottgenroth. „Oft spüren wir, dass die Trennung von einem Sofa, auf dem man 20 Jahre gesessen hat, nicht leicht fällt. Aber bei uns sehen die Menschen, dass wir den Dingen ihren Wert zurückgeben, indem sie wieder Preis und ein neues zu Hause bekommen.“

20 Jahre Stilbruch wird am Freitag, 9. Juli an der Helbingstraße 63 in Wandsbek gefeiert. Von 10 bis 18 Uhr bis gibt es auf dem Gelände zahlreiche Spiele und Aktionen sowie Würstchen und Getränke. Und jeder 20. Kunde bekommt 20 Prozent Rabatt auf seinen Einkauf.