Hamburg. Geplant ist ein vierstöckiges Backsteingebäude in Wandsbek. Die Wohnungen sollen bevorzugt an Budni-Mitarbeiter vermietet werden.
Als die Herren die nagelneuen Spaten ansetzen, zieht eine kräftige Windböe über den Baugrund. Immerhin regnet es nicht. Kurz zuvor war die Dienstlimousine von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher auf dem Firmengelände der Drogeriemarktkette Budnikowsky vorgefahren. Wenige Tage vor der Wahl war der SPD-Politiker Montagmittag zum symbolträchtigen ersten Spatenstich eines ungewöhnlichen Bauvorhabens nach Wandsbek gekommen. Das Traditionsunternehmen Budnikowsky, das in 180 Filialen in und um Hamburg Kosmetikartikel, Putzmittel und alles, was man sonst noch im Haushalt braucht, verkauft, wird Vermieter. An der Wandsbeker Königstraße entstehen 45 Sozialwohnungen, die vor allem von Budni-Mitarbeitern genutzt werden sollen. Die Fertigstellung ist auf Ende 2021 terminiert.
Für Cord Wöhlke, Geschäftsführender Gesellschafter des Familienbetriebs, ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. Einerseits, weil Budnikowsky damit einen Beitrag gegen die Wohnungsnot in der Stadt leiste, wie der 70-Jährige sagt. Zugleich sieht er in dem Bauvorhaben auch ein Zeichen: „Wir hoffen, dass weitere Unternehmen die sinnvolle Tradition der Werkswohnungen wieder aufleben lassen und für ihre Mitarbeiter Wohnraum schaffen.“
Erste Überlegungen für den Bau von Mitarbeiterwohnungen waren bereits 2011 im Unternehmen entstanden, nachdem der damalige Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Wohnungsbauoffensive für Hamburg angekündigt hatte. Seit dem Jahr 2013 laufen die konkreten Planungen. „Wir hatten eine komplexe Situation und haben lange mit der Stadt über die Baugenehmigung verhandelt“, sagt Wöhlke. Unter anderem tauschte der Drogeriehändler Flächen an der Wandse mit der Stadt, die dort einen neuen Wanderweg bauen will.
Werkswohnungen liegen wieder im Trend
Auf dem frei gewordenen Areal an den Grünanlagen des Wandse-Mühlenteichs und nahe dem Einkaufszentrum Wandsbek Quarree startet jetzt der Bau des vierstöckigen Backsteinkomplexes nach den Plänen des Hamburger Büros WRS Architekten und Stadtplaner. Es entstehen Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen zwischen 50 und 90 Quadratmetern, alle entweder mit Balkon, Loggia oder Terrasse. Das begrünte Dach des Gebäudes ist mit Solaranlagen ausgestattet. Die Stadt fördert das Zwölf-Millionen-Euro-Vorhaben über die Hamburgische Investitions- und Förderbank.
Werkswohnungen liegen wieder im Trend. Angesichts von Wohnungsnot und Fachkräftemangel werben Unternehmen einer neuen Studie zufolge zunehmend mit Werkswohnungen um neue Mitarbeiter. „Wir merken einen starken Anstieg der Zahlen vor allem in den letzten zwei Jahren“, sagt Studienleiter Arnt von Bodelschwingh, Geschäftsführer von RegioKontext, das seit Jahren zu dem Thema forscht und Unternehmen berät. Allein im vergangenen Jahr habe das Unternehmen 60 neue Projekte in eine Datenbank aufgenommen.
Einige davon wurden für die Studie untersucht, die das Bündnis „Wirtschaft macht Wohnen“ in Auftrag gegeben hatte. Prominente Beispiele sind etwa die Deutsche Bahn, die in München 74 Wohnungen für Mitarbeiter neu bauen lässt, oder der Flughafen München. In Hamburg bieten unter anderem die Hochbahn, das UKE oder die Block Gruppe Firmenwohnungen an. Arbeitgeber profitierten vom Kombimodell „Job+Wohnung“, so von Bodelschwingh. „Bedarfsgerechte, nachhaltige Wohnangebote können die Arbeitgebermarke und die Attraktivität des Arbeitgebers steigern.“
Budnikowsky baut ausschließlich Sozialwohnungen
Ende der 1970er-Jahre gab es in der alten Bundesrepublik noch rund 450.000 bezahlbare Werkswohnungen. Konkrete Zahlen, wie viele es heute sind, liegen nicht vor. Die Experten vom Beratungsinstitut RegioKontext sprechen von „einem Restbestand“. Aber gerade in den Metropolregionen sei der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum sehr groß. Die Wirtschaft könne einen erheblichen Beitrag leisten und etwa Grundstücke, die nicht mehr für den Betrieb erforderlich sind, zur Verfügung stellen. Schätzungen gehen von 10.000 neuen Mitarbeiterwohnungen pro Jahr aus.
Budnikowsky hat sich zudem entschlossen, ausschließlich Sozialwohnungen zu bauen – mit einer anfänglichen Nettokaltmiete von 6,70 Euro pro Quadratmeter. Dafür gab es ein Extralob von Bürgermeister Tschentscher. Die Stadt will den Anteil an geförderten Wohnungen erhöhen – im Schnitt um 300o Einheiten im Jahr. Der Bedarf ist groß. Allein 2019 haben gut 13.000 Hamburger einen Wohnraumberechtigungsschein beantragt.
Wie viele der knapp 2000 Budni-Mitarbeiter dafür die Voraussetzungen erfüllen, ist offen. „Für viele unserer Mitarbeiter ist es schwierig geworden, eine bezahlbare Wohnung in der Stadt zu finden. Da wollen wir Möglichkeiten schaffen“, sagt Budni-Gesellschafter Cord Wöhlke. Er gehe davon aus, dass die 45 Wohnungen von eigenen Beschäftigten angemietet würden. Berechtigt könnten vor allem Teilzeitkräfte und Aushilfen sein. Das weitere Verfahren soll im Herbst festgelegt werden.
Zudem will Budnikowsky sich auch in Zukunft als Bauherr und Vermieter engagieren. „Es wird weitergebaut“, sagt Wöhlke. Eine Fläche, auf der ein überflüssiges Lager vor dem Abriss steht, soll „Stück für Stück in Wohnraum umgewandelt werden“ – ohne Förderung und für alle Mitarbeiter zugänglich.