Wandsbek. Rot-Grün schaffe Gettos auf der grünen Wiese, kritisiert die CDU. Alternativflächen in Rahlstedt, Farmsen-Berne und Ohlstedt benannt.

Warum Flüchtlingsunterkünfte in Stein für die Ewigkeit bauen, wenn es auch Holzhäuser mit 50 Jahren Lebensdauer tun? Warum in Landschaftsschutzgebieten jenseits sozialer Infrastrukturen bauen, wenn es auch auf ökologisch weniger wertvollen Flächen in stadtnahen Gebieten ginge? Warum Gettos schaffen, wenn auch kleinteiliges Bauen möglich ist? Wie eine Willkommenskultur entwickeln, wenn Bürger kaum mitreden dürfen?

Mit diesen Fragen hat die Wandsbeker CDU in der Bezirksversammlung Wandsbek einen Frontalangriff auf die Koalitionspläne für die Schnellbauten gestartet, mit denen Flüchtlingen geholfen werden soll. Dabei nannte sie erstmals auch alternative Standorte und warf Rot-Grün vor, bei ihrer Entscheidung für Schnellbauten in Jenfeld, Poppenbüttel und der Hummelsbütteler Feldmark keine wirkliche Abwägung vorgenommen zu haben.

SPD spricht von “Zeit der Exekutive“

Die Koalition bestritt die Vorwürfe und sprach angesichts der krisenhaften Zuspitzung des Flüchtlingszustroms von einer „Zeit der Exekutive“. Die Verwaltung müsse handeln, und sie tue es auch, sagte die SPD-Fraktionschefin Anja Quast. „Sorgen machen müssten wir uns, wenn die Verwaltung nichts täte. Wir können aber derzeit nicht alles ausdiskutieren.“

Die Koalition im Bezirk habe unter dem gegebenen Zeitdruck noch die relativste Entscheidung getroffen. Die Alternative wäre es gewesen, wie zunächst vom Senat vorgegeben, die verlangten 800 zusätzlichen Sozialwohnungen alle auf eine einzige Fläche zu setzen. Die von der CDU verlangte kleinteilige Bebauung sei die Idealvorstellung aller, aber derzeit „unrealistisch und logistisch nicht zu leisten“.

Rot-Grün in Wandsbek will aber die Mengenvorgaben des Senats erfüllen und innerhalb eines Jahres Sozialwohnungen an der Glashütter Landstraße (300 Wohneinheiten), Am Rehagen (300 Einheiten), am Poppenbütteler Berg (300 statt zunächst 170 Einheiten) und am Jenfelder Elfsaal (70 zusätzliche Einheiten) bauen.

CDU schlägt Heime an Scharbeutzer Straße und Luisenhof vor

Der stadtplanungspolitische Sprecher der Wandsbeker CDU-Bezirksfraktion Philip Buse: „Das Bezirksamt hat dafür 27 städtische Flächen zur Bebauung vorgeschlagen, darunter nicht landschaftsgeschützte Flächen an der Scharbeutzer Straße (Rahlstedt) und am Luisenhof (Farmsen-Berne). Warum nicht hier bauen?“ Auch sei das Plangebiet am Bredenbekkamp (Wohldorf-Ohlstedt) erweiterungsfähig. „Wir sollten lieber 16 mal 50 Wohnungen bauen als die verlangten 800 Wohnungen auf praktisch drei Standorte zu verteilen“, sagte Buse. Es sei völlig unklar, nach welchen Kriterien die Koalition die genannten Flächen aus dem Vorschlagspapier des Amtes gestrichen habe.

SPD-Fraktionschefin Quast bescheinigte der CDU, die Dimension falsch einzuschätzen. Für 2015 fehlten noch 15.000 Plätze in Flüchtlingsheimen und/oder Wohnungen, 2016 müssten 46.000 weitere neue Plätze geschaffen werden. „Da können wir nicht in 50er-Schritten denken.“ Für rot-grün ist eine kleinteilige Unterbringung auch deshalb nicht leistbar, weil kleine Unterkünfte den Betreuungsaufwand erhöhen. Laut CDU demotivieren und strapazieren aber große Unterkünfte die ehrenamtlichen Helfer, die derzeit einen Großteil der Arbeit leisten.

Der stadtplanungspolitische Sprecher der Grünen, Oliver Schweim: „Wir haben alle Flächen geprüft, und die ausgewählten in der Hummelsbütteler Feldmark sind noch die annehmbarste Lösung.“

Auch Linke moniert Unterkunft im „Niemandsland“

Aber auch die Linke monierte, dass die „im Niemandsland“ der Hummelsbütteler Feldmark liegende Fläche an der Glashütter Landstraße „mit Wandsbek eigentlich nichts zu tun“ habe, weil sich sämtliche Infrastruktur entweder in Langenhorn (Bezirk Nord) oder in Norderstedt (Schleswig-Holstein) befinde. Am Rehagen muss die Stadt noch ein privates Grundstück dazu kaufen, außerdem sind die Wege zum zukünftigen Baugebiet nicht befestigt und würden ebenfalls durch die Feldmark führen, sagte Buse. Der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lehnt die Bebauung der Feldmark grundsätzlich ab und forderte die Politik auf, ihr gegebenes Wort für den Erhalt der Grünachse zu halten.

Am Jenfelder Elfsaal wolle die Koalition den gerade erst festgestellten Bebauungsplan auf den Kopf stellen, sagte Buse. Der Plan sieht Reihen-, Einzelhäuser und Stadtvillen vor, jetzt sollen statt der Reihen- und Einzelhäuser nur noch Geschosswohnungen entstehen, ihr Bau soll per Ausnahmegenehmigung (Befreiung) ermöglicht werden. Für die CDU ist das Rechtsbeugung, weil die geplanten Saga/GWG-Bauten die „Grundzüge“ des geltenden Bebauungsplans berühren und verkehren würden. In so einem Fall wären Befreiungen unzulässig.

Koalition stellt neuen Jenfelder B-Plan auf den Kopf

Für die Koalition und das Bezirksamt ist aber alles im grünen Bereich, weil in den vorgesehenen Baufenstern gebaut werde und mithin die Anordnung der Gebäude gleich bliebe. Diese Argumentation überraschte auch Experten, zumal die Verwaltung in anderen Fällen gelegentlich schon den Bau kleinerer Terrassen oder weniger zusätzlicher Quadratmeter Wohnfläche unter Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (des Bebauungsplanes) ablehnt. Am Elfsaal wird die Wohnform umgestellt, und es entstehen 70 Wohnungen mehr als der Plan vorsieht.

Buse monierte weiter, dass das Amt für die Flüchtlingsunterbringung keine Flächen in Tonndorf, Bramfeld, Wandsbek und Marienthal benannt habe. „Gibt es da etwa keine städtischen Grundstücke?“ Quast hielt dagegen und ergänzte noch Sasel und Volksdorf. Sie kündigte an, dass angesichts der riesigen Bedarfe auch diese Stadtteile ihren Beitrag leisten müssen und werden.