Hamburg. Partnerprojekte an Schulen, Forschungsstelle an der Universität – wie sich die Hansestadt ihrer Verantwortung stellt.
Spuren deutscher Kolonialgeschichte sind in Hamburg bis heute sichtbar. In der Großen Reichenstraße steht das „Afrika-Haus“, in Jenfeld das Askari-Denkmal für die deutsch-ostafrikanischen Krieger, und Straßen tragen noch immer die Namen deutscher Offiziere, die in den Kolonien eingesetzt waren und für den Tod von Afrikanern mitverantwortlich gemacht werden.
So sehr die Hansestadt mit ihren Kaufleuten von den kolonialen Machtstrukturen profitiert hat – Politik und Wissenschaft machen inzwischen ernst mit der Aufarbeitung dieser Geschichte. Seit Anfang April ist die vom Senat finanzierte Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ an der Universität Hamburg personell startklar.
Geleitet wird sie vom Afrikawissenschaftler Professor Jürgen Zimmerer. „Hamburg“, sagt er, „ist aufgrund seiner Geschichte geradezu prädestiniert dafür, zum Zentrum der Reflexion über den Kolonialismus, seine Folgen und damit über das Werden der modernen Welt zu werden.“ Zudem sei eine Handelsmetropole wie Hamburg damals automatisch eine Kolonialmetropole gewesen. Das habe auch die Mentalität und die Weltsicht der Betroffenen geprägt. „Kolonialismus und Kontakt zur kolonialen Welt sind die Kehrseite und Grundlage der oft zitierten hanseatischen Weltoffenheit“, meint der Wissenschaftler.
Die koloniale Vergangenheit der Hafenstadt ist auch an Schulen zum Unterrichtsthema geworden. Am Gymnasium Farmsen zum Beispiel startete vor wenigen Wochen ein Projekt über die „postkolonialen Erinnerungskulturen im tansanischen Dar es Salaam und in Hamburg“. Dabei arbeiten die Farmsener Gymnasiasten mit der Chang’ombe Secondary School zusammen. Exkursionen zum „Tansania-Park“ in Jenfeld sind genauso geplant wie Schüleraustausch, Vorträge und kulturelle Projekte.
Derweil ist das Forschungsprojekt an der Universität mit vier Mitarbeitern personell komplett. In den nächsten Monaten sind eine Ringvorlesung, die Erstellung einer Bibliografie sowie ein Runder Tisch über die „Kolonialmetropole Hamburg“, ein Sammelband sowie eine App vorgesehen.
„Zu den unmittelbaren Aufgaben“, sagt Professor Zimmerer, „gehört eine postkoloniale Bestandsaufnahme.“ Bisherige Arbeiten zu diesem Themenbereich sollen gesammelt und womöglich digital der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Nach Angaben des Projektleiters ist eine „Visualisierung des Kolonialen“ angedacht, die sich mit der materiellen und bildlichen Hinterlassenschaft des Kolonialismus befassen soll. Zimmerer: „Da ein Projekt im Umfang von 2,5 Millionen Euro nicht durch einen Geldgeber allein zu tragen ist, sind wir mit mehreren potenziellen Geldgebern im Gespräch.“
Mehr noch: Im Rahmen von zwei Promotionsstipendien wird zum einen die Lebenswirklichkeit von Menschen mit afrikanischer Herkunft wissenschaftlich erforscht, zum anderen der Einsatz deutscher und britischer kolonialer Polizei in Tansania.
Zu den umstrittenen deutschen Akteuren in Afrika zählt General Paul von Lettow-Vorbeck (1870-1964), nach dem in Wandsbek eine frühere Kaserne benannt wurde. Der „Löwe von Afrika“ war bis 1918 Kommandeur der sogenannten Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, die vorwiegend aus einheimischen Askari-Kämpfern bestand. An denen lobte der General „kämpferischen Geist, Stolz und Hingabe an die Sache.“ Zugleich meinte er aber auch: „Die geringere Intelligenz und auch der geringere Kulturzustand der Schwarzen machen eine längere Zeit der Ausbildung nötig.“
Kupferabbau im Hererogebietlöste blutige Kämpfe aus
Profiteure des Kolonialismus waren vor allem Kaufleute wie die Firma C. Woermann mit ihrem „Afrika-Haus“ in der Großen Reichenstraße. Die Hanseaten hatten Ende des 19. Jahrhunderts die Hoheitsrechte über einige Küstenabschnitte des späteren Kamerun erworben. Das kam nicht von ungefähr: Wie aus einer Aufsatzsammlung der Hamburger Grünen zum Thema „Hamburg und Kolonialismus“ hervorgeht, war der Bürgerschafts- und Reichstagsabgeordnete Woermann privat an einem internationalen Kupfer-Konsortium beteiligt.
Der Kupferabbau am Nordrand des Hererogebietes aber löste blutige Kämpfe aus. Allein in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, wurden zwischen 1904 und 1908 rund 65.000 bis 85.000 Herero sowie 10.000 Nama ermordet. Einige Wissenschaftler bezeichnen diese Kolonialkriege als „ersten Genozid des Jahrhunderts“. Zimmerer: „Hamburg hat die Chance, beispielgebend für eine staatlich geförderte historische Aufarbeitung zu werden, was weit über die Hansestadt hinaus ausstrahlen kann.“