Der Stadtteil Hummelsbüttel ist ein Sozial-Mikrokosmos, zu seinen gut 17.000 Einwohnern zählen Millionäre ebenso wie Hartz-IV-Empfänger.
Erst mal einen Überblick verschaffen. Und das geht in Hummelsbüttel so gut wie in kaum einem anderen Teil von Hamburg. Wir nähern uns dem grünen Stadtteil am Nordrand Hamburgs von der Grenze zu Schleswig-Holstein aus und machen uns direkt hinter dem Ortsausgangsschild von Norderstedt für den Aufstieg bereit. Der Monte Müll ragt 76 Meter empor, für Hamburger Verhältnisse ein echtes Hochgebirge. Es geht steil bergauf, vorbei an wilden Brombeersträuchern, über Anstiege, die im Winter als halsbrecherische Rodelpisten dienen. Der ungeübte Bergsteiger kommt kurz vor dem Gipfel ins Keuchen. Doch kaum hat er den inneren Schweinhund besiegt und die letzten Schritte geschafft, begreift er, warum sich das gelohnt hat.
Wow! Mehr fällt einem nicht ein, wenn man in der Abendstimmung auf dem Müllberg steht und über Hummelsbüttel hinweg die Skyline der Hansestadt erblickt, dahinter die Spitzen der Kräne im Hafen erkennt und im Westen, vor der Kulisse der untergehenden Sonne, ein Flugzeug eine Schleife nach Süden dreht. Eine spektakulärere Verwendung für Zivilisationsmüll und den Aushub, der beim Bau der City Nord in den 60er-Jahren entsorgt werden musste, ist kaum vorstellbar.
Naturschutzgebiet trifft Großsiedlung
Hummelsbüttel liegt einem hier oben mit all seiner Unterschiedlichkeit zu Füßen. Da ist das 60 Hektar große Naturschutzgebiet mit den beiden Naturdenkmalen Ohlkuhlenmoor und Hüsermoor sowie einem Teil des Raakmoors an der Grenze zu Langenhorn. Östlich davon, zur Grenze nach Poppenbüttel, liegt die Großsiedlung Tegelsbarg, eine Stadt in der Stadt mit unzähligen vier- bis fünfgeschossigen Wohnblocks. Im Südwesten ragen die Wohntürme der Großsiedlung Lentersweg hervor, mit ihren mehr als 1200 Wohnungen. Und im Süden das Herz des Stadtteils, mit den Hochhäusern am Hummelsbütteler Markt, aber auch den hübschen, im Grünen gelegenen Einzelhaussiedlungen und den mondänen Villen an der Alten Landstraße, mit Blick auf den Alsterwanderweg.
Hummelsbüttel - das ist ein Hamburger Sozial-Mikrokosmos, zu seinen gut 17.000 Einwohnern zählen Millionäre ebenso wie Hartz-IV-Empfänger, mittelständische Familien ebenso wie einfache Arbeiterfamilien und Migranten aus aller Welt ebenso wie alteingesessene Hamburger in der vierten oder fünften Generation.
Reetdachidylle an der Susebek
Wer im Herzen Hummelsbüttels unterwegs ist und von der Hummelsbütteler Dorfstraße auf den Grützmühlenweg abzweigt, der bekommt eine Ahnung davon, wie es hier war, als die Dorfstraße ihrem Namen noch alle Ehre machte. Ein hübscher Bauernhof, Stallungen für Reitpferde und direkt an der Susebek eine niedliche, eingewachsene Reetdachkate. Ein Rest ländlicher Idylle, den man unweit des urban verdichteten Hummelsbütteler Marktes nicht erwartet. "Früher stand gleich daneben noch unsere Grützmühle. Aber die wurde 1962 abgebaut und ins Museumsdorf Volksdorf versetzt", sagt Jens Herzberg. Er ist der Geschäftsführer des Heimatvereins Hummelsbüttel. Wenn einer Hummelsbüttel in- und auswendig kennt, dann er. Sein Urgroßvater Heinrich Mansberg kam im 19. Jahrhundert aus Lemsahl nach Hummelsbüttel und wurde Gemeindediener. Als Nachwächter jagte er morgens mit Sprüchen wie diesem die Bauersleute aus den Betten: "Fro Eikhoff! Upstohn, ward Tiet to 'n Melken, nich wedder inslopen!"
Die Großstadt fraß das Dorf
Jens Herzberg erzählt: "Hummelsbüttel war noch 1937 ein Dorf mit nur 1900 Einwohnern. Ich ging als Kind mit der Kanne in der Hand zum Bauern, um Milch zu holen. Jeder kannte hier jeden. Und wenn man ein Gerücht im Dorf erzählte, war es schneller wieder zu Hause als man selbst." Mit der Eingemeindung des Dorfes durch das Groß-Hamburg-Gesetz vom Kreis Stormarn nach Hamburg änderte sich alles.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fraß die Großstadt das Dorf in seiner Gier nach Wohnraum. Und für die Bauern, denen die meisten Flächen auf der Gemarkung Hummelsbüttel gehörten, begann so etwas wie ein Goldrausch. Die Katen und Strohdachhäuser wichen mehrgeschossigen Betonwohnsilos, die Knicks und Weiden wurden zu großzügigen Einzel- und Reihenhaussiedlungen. Das Dorf Hummelsbüttel verschwand, der moderne Stadtteil am Hamburger Rand entstand.
In etlichen Straßenzügen ist er heute den Besserverdienenden vorbehalten. Was schon früher als gesetzt galt. "Für die Langenhorner waren die Hummelsbütteler immer die Reichen. Früher gab es unter Jugendlichen bei Veranstaltungen deswegen häufig Ärger", sagt Herzberg. Tatsächlich könnte der Kontrast zwischen den eher günstigen Mietwohnungen in den Siedlungen Lentersweg und Tegelsbarg zu den exklusiven Wohnlagen an der Alten Landstraße kaum größer sein.
Wer hier zurzeit sein Einfamilienhaus anbietet, darf mit Höchstpreisen als Ertrag rechnen. Doch wer kann, der bleibt - und in der Regel lange. "Hummelsbüttel ist eine lebendige Gemeinschaft", sagt Herzberg. Beispiele dafür gibt es genügend. Jährlich kommen Vertreter aller Vereine, der Polizei und der Politik zum Treffen der Vereine zusammen und besprechen alles, was im Viertel anliegt. Der Heimatverein feiert 2013 sein 50-jähriges Bestehen; er hat stattliche 235 Mitglieder.
Heimat vieler Hockey-Sieger
Die Freiwillige Feuerwehr mit ihrer mehr als 120-jährigen Geschichte ist in Hummelsbüttel bei vielen Veranstaltungen aktiv. Die seit 1973 bestehende Interessengemeinschaft um den Lentersweg (200 Mitglieder) sorgt mit Angeboten für die Familien der Großsiedlung für ein besseres Miteinander. Seit mehr als 60 Jahren bildet die Christophorus-Kirchengemeinde den geistlichen Mittelpunkt des Stadtteils. Aufgebaut wurde die Gemeinde von einer Hummelsbütteler Legende, dem Pastor Erich Meder, der zwischen 1949 und 1986 hier wirkte.
Sportlich gesehen darf der große UHC nicht ungenannt bleiben, der Uhlenhorster Hockey Club, der seit 1923 direkt am Alsterwanderweg am Wesselblek sitzt und mit seinen Hockey-Bundesligamannschaften viele deutsche Meisterschaften gefeiert hat. Jens Herzberg bringt es auf den Punkt: "Bei uns im Viertel findet man alles, was das Leben lebenswert macht!"
In der nächsten Folge am 1.10.: Neugraben-Fischbek
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