Hamburger Mädchen und Jungen beschreiben in einem Buch, was der Lockdown mit ihnen gemacht hat, was sie vermissen und sich wünschen

Was machte der Lockdown im Frühling dieses Jahres mit Hamburger Kindern und Jugendlichen, was bewegt oder ängstigt sie in der Corona-Krisenzeit? Wie reagieren sie darauf und verarbeiten diese Herausforderung? Das fragte sich Literaturmanagerin Annette Pauw, die über ihre Initiative „Fantastische Teens“ Schreibworkshops veranstaltet. „Ich wachte eines Morgens auf und dachte, auch junge Leute sollten über Corona als Zeitzeugen mal befragt werden“, sagt die 70-Jährige.

Aus dieser Idee entstand ein Schreibwettbewerb und in Co-Produktion mit der Stiftung Maritim Hermann & Milena Ebel danach das Buch „Plötzlich kam Corona“. Darin beschreiben 110 Kinder und Jugendliche aus der Hansestadt im Alter zwischen neun und 21 Jahren, wie sie die Krisenzeit erlebten.

Der Lockdown fühlt sich wie ein Gefängnis an

Es ist eine Generation, die Fragen stellt, aber auch selbst Antworten sucht. Lukas Möller (14) sieht die Gesellschaft in einem schnelllebigen Wahn, der vielleicht durch Corona unterbrochen werden könnte. Er vergleicht das reizüberflutete Leben in seinem Gedicht mit einem rasenden Zug. „… nur wir können es stoppen, was uns vorwärts treibt, doch wir werden’s nicht tun, bis uns gar nichts mehr bleibt! Oder jetzt doch?“

Hektor (11) lässt in einem Märchen den Riesen Coronius ein großes Reich unsicher machen. David vertraut einem Tagebuch seine Sorgen wegen Corona an. Er vermisst seinen Großvater, hat aber Angst, ihn anzustecken, wenn er ihn besucht. Der Junge ist wütend, denn das Virus mache sein Leben kaputt. Wie im Gefängnis fühlt er sich während des Lockdowns. Die Menschen sollten etwas aus der Krise lernen, wünschen sich viele Kinder. Zoe Melina Brückner hofft, dass „wir wieder mehr aufeinander und auf die Natur achtgeben. Dass wir im Kopf behalten, was wirklich zählt“.

Autorin Kirsten Boie: Beeindruckende Gedankenwelt

Das Leben und der Alltag in der Quarantäne lassen die Jugendlichen erkennen, wie schön sie es davor hatten. „Ich vermisse Ost- und Nordsee-Ausflüge, die ich gewöhnlich hasste“, gibt Dimitar Petrov aus der 6. Klasse zu und kommentiert: „Komisch, oder?“ Es geht um Themen wie Argwohn, „schwer erziehbare“ Eltern, Langeweile, Träume oder ein Leben „voller Angst und Schrecken“ – so sieht die achtjährige Constanze Willers die Quarantänezeit. Maya Krüger (12) lernt, dass „eine der besten Sachen, die man machen kann, ist, anderen mitzuteilen, dass sie nicht allein sind“.

Für Autorin Kirsten Boie gibt das Buch einen „beeindruckenden Einblick in die Gedankenwelt der Kinder“ und „nötigt uns Respekt ab dafür, wie sie eine extrem herausfordernde Situation bewältigen“. Maria von Welser, Publizistin und TV-Journalistin, schreibt im Vorwort: „Welcher Einfallsreichtum, wie viel Kreativität steckt doch in unseren Hamburger Kindern und Jugendlichen.

Mitgefühl entwickeln wird zur wichtigen Erfahrung

Da finden sich aufregende Horrorgeschichten, sensible Kurz-Romane, köstliche Wortschöpfungen, aber auch nachdenkliche Poetry Slams zum Thema Social Distancing. Diese Texte zu lesen gibt einen wunderbaren Einblick in Kinderseelen ... Lassen Sie sich darauf ein, lesen Sie und fühlen Sie mit.“

Mitgefühl zu entwickeln ist auch eine der wichtigen Erfahrungen dieser jugendlichen Autoren in der Corona-Zeit, „einer vorübergehend eingesperrten Jugend“, wie Annette Pauw sagt. Die Kinder zeigen in ihren Texten Einsichten, die sie oft reifer erscheinen lassen, als es für ihr Alter zu erwarten ist.


Hermann Ebel, Milena Ebel, Annette Pauw (Hrsg.): „Plötzlich kam Corona“, 364 S., 14,90 Euro plus Versandkosten. Zu beziehen über: Stiftung Maritim Hermann und Milena Ebel, Info@stiftungmaritim.de oder Pauw Literaturmanagement, Pauw@literaturmanagent.eu. Infos zur Schreibwerkstatt für Jugendliche in den Herbstferien unter: www.fantastischeteens.de