Während Corona boomen die Dating-Plattformen. Doch viele finden nicht den Richtigen – woran das liegen könnte, erfahren Sie hier.

Anna, eine sehr attraktive, lebenslustige und beruflich erfolgreiche Frau Mitte 30, ist seit mehr als einem Jahr auf der Suche nach einem neuen Partner. Sie sucht nicht nach einem Flirt, sondern nach einem Mann, mit dem sie leben und endlich auch eine Familie gründen kann. Sie datet schon seit Längerem über Plattformen.

In einigen Fällen haben sich daraus auch tatsächlich Beziehungen ergeben, die aber schon nach kurzer Zeit wieder zu Ende waren. Die vermeintlichen Prinzen verwandelten sich schnell in Frösche. „Irgendwie habe ich offenbar immer Pech. Die Partnersuche kommt mir langsam vor wie ein Glücksspiel, ich ziehe aber nur Nieten, nie den Hauptgewinn. Warum gerate ich immer wieder an den Falschen?“, fragte die junge Frau Heike Klopsch, die in ihrer Hamburger Praxis „Herzkümmerei“ zunehmend auch Singles auf der Suche nach dem richtigen Partner berät.

Hamburg ist Single-Hochburg

Anna ist mit ihrem Problem nicht alleine. Ganz im Gegenteil, sie befindet sich in guter Gesellschaft mit vielen anderen Singles. Nicht umsonst haben die unterschiedlichsten Dating-Plattformen Hochkonjunktur. Hamburg gilt als Single-Hochburg - der Anteil der Einpersonenhaushalte beträgt 54,3 Prozent. Gerade sind die neuen Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie in Kraft. In Hamburg und Schleswig-Holstein dürfen Haushalte nur noch eine weitere Person treffen - für Singles ist diese Zeit sehr herausfordernd und der Wunsch nach einem Ende des Alleinseins besonders groß. Doch warum ist nie der Richtige dabei?

Berät Menschen mit Beziehungsproblemen: Heike Klopsch hat in Hamburg eine Praxis.
Berät Menschen mit Beziehungsproblemen: Heike Klopsch hat in Hamburg eine Praxis. © Unbekannt | Thorsten Ahlf

Lebensberaterin Klopsch ist davon überzeugt, dass Menschen bei der Partnersuche nicht zufällig an den Falschen geraten. „Ganz im Gegenteil, wir suchen uns ganz gezielt immer wieder den Falschen. Am Anfang scheint alles noch sehr stimmig, aber später stellt sich dann doch heraus, dass der Mensch, in den wir uns verliebt haben, uns eher unglücklich macht, im schlimmsten Fall sogar schadet“, sagt sie.

Viele Verhaltensmuster sind in der Kindheit entstanden

Der Verhaltenstherapeut Jens Corssen sieht die Ursache für den Fehlgriff im Gehirn. „Das Gehirn ist nicht auf Glück, sondern immer auf Überlebenskampf eingestellt und orientiert sich an früheren Erfahrungen, die angenehm oder unangenehm waren“, sagt der Diplom-Psychologe. Viel sei dabei in der Kindheit programmiert worden. So finde eine Frau, deren Vater sie als Kind nie wahrgenommen habe, unbewusst Männer attraktiv, die eher machohaft und unnahbar seien.

„Das Gefühl von Ablehnung ist der Frau vertraut und sie hofft darauf, so einen Mann zu erobern und von ihm anerkannt zu werden“, erklärt Corssen. Häufig gehe es darum, dass der Partner einen vom allgemeinen Übel des Lebens erlöst. „Die meisten Beziehungen scheitern daran, dass einer der Partner bedürftig ist und den anderen dringend braucht, um sich wohlzufühlen. Das hat mit Liebe nichts zu tun“, sagt der 78-Jährige, der seit 42 Jahren glücklich verheiratet ist.

Auch Heike Klopsch ist überzeugt davon, „dass unser Bindungsverhalten in der frühen Kindheit geprägt wird. Die Erfahrungen, die wir in dieser Zeit machen, wirken sich durchaus auf unsere Partnerwahl aus. Ein Blick zurück in die ersten Lebensjahre ist deshalb oft lohnend“, so Klopsch.

Verschiedene Typen in Partnerschaften erkennbar

Sie stützt ihre Theorie auf die Forschungsergebnisse der Psychologin Rachel Heller und des Psychiaters Amir Levine. In deren Buch „Warum wir uns immer in den Falschen verlieben – Beziehungstypen und ihre Bedeutung für unsere Partnerschaft“ beschreiben die beiden Amerikaner, dass sich fast jeder Mensch einem von drei Beziehungstypen zuordnen lässt: sicher, ängstlich und vermeidend.

Der sichere Typ fühlt sich mit Nähe wohl und ist in der Lage, stabile Partnerschaften zu führen. Der vermeidende Typ setzt Intimität häufig mit dem Verlust von Unabhängigkeit gleich und setzt auf Distanz. Charakteristisch ist das Senden zweideutiger Signale. Der ängstliche Beziehungsmensch hingegen braucht viel Nähe und sorgt sich, ob sein Partner ihn genügend liebt. Er neigt dazu, es anderen recht machen zu wollen, und passt sich deshalb sehr schnell an. Eigene Bedürfnisse und Vorstellungen werden häufig zurückgestellt.

Heike Klopsch fand gemeinsam mit ihrer Klientin Anna heraus, dass diese ein „ängstlicher Beziehungstyp“ ist. Anna habe als kleines Mädchen immer um die Liebe ihrer Mutter kämpfen müssen. Nur wenn sie sich an die Wünsche und Vorstellungen der Mutter maximal anpasste, bekam sie die Liebe und Aufmerksamkeit, nach der sie sich so sehr sehnte. „Die kleine Anna lernte sehr früh, dass nur Anpassung und Wohlverhalten mit Liebe beantwortet wird. Sie war als Kind nicht sicher gebunden“, erklärt Klopsch.

Man muss feststellen, wie das eigene Gehirn tickt

Leider habe Anna sich dann auch immer in „vermeidende Beziehungstypen“ verliebt. Es waren Männer, die äußerlich sehr attraktiv und beruflich erfolgreich waren. Sie strahlten Selbstsicherheit und Stärke aus – etwas, nach dem Anna sich sehnte. Aber diese Männer waren auch von Anfang an emotional distanziert und haben sehr auf ihre Unabhängigkeit gesetzt.

„Das hat bei der ,ängstlichen‘ Anna zu großer Unruhe bis hin zu Panik geführt. Je mehr sich die Männer zurückzogen, umso mehr hat Anna sich bemüht, alles richtig zu machen. Sie hatte ständig das Gefühl, um Zuwendung kämpfen zu müssen, ganz wie als Kind bei ihrer Mutter. Am Ende waren die Männer von ihr genervt und Anna frustriert“, sagt Heike Klopsch.

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Was hilft dagegen? Psychologe Jens Corssen hat darauf eine einfache Antwort: „Man muss feststellen, wie das eigene Gehirn tickt, welche Verhaltensmuster immer wieder auftauchen und den Kampfmodus ein- oder ausschalten. Man kann die Erlebnisse der Vergangenheit nicht mehr ändern, aber man kann Einfluss darauf nehmen, wie man künftig dazu Stellung bezieht“, sagt er und fordert: „Werden Sie zum Chef Ihres Gehirns.“

So solle man die bewusste Entscheidung treffen, sich selber und vor allem das Leben zu lieben. Das gelinge, wenn man sich als Gesamtpaket mit allen Stärken und Schwächen annimmt und bereit ist, sein Denken und Verhalten zu ändern. „Statt immer zu klagen und dadurch in miese Stimmung zu kommen, kann man sich in gehobene Stimmung bringen, wenn man sich nicht mehr über das Leben, andere und sich selbst beschwert. Dann wird man viel freundlicher und attraktiver“, rät der Verhaltenstherapeut, der aktuell zu diesem Thema das Buch „Lieben – Warum das größte aller Gefühle in Wahrheit eine Haltung ist“ veröffentlicht hat.

Strategiewechsel, um alte Beziehungsmuster zu vermeiden

Es helfe auch, wenn man sich seiner Werte bewusst wird und danach lebt. Diese Werte kann man aufschreiben und dann schauen, ob die Werte des künftigen Partners zu den eigenen passen. „Viele Frauen geben alles auf, was sie ausmacht, um nicht alleine zu bleiben. Aber damit gefährden sie ihre Beziehung und werden auch für den Partner unattraktiver.“

Coach Heike Klopsch erarbeitet mit Klientinnen wie Anna einen Strategiewechsel, um nicht immer wieder in alte Beziehungsmuster zu verfallen: „Wichtig ist, dass wir erkennen, was wir in Beziehungen wirklich brauchen, um uns gut zu fühlen, und das auch einfordern.“ Jens Corssen nennt das schlicht erwachsen werden.

Infos: www.herzkuemmerei.de

Jens Corssen/ Stephanie Ehrenschwendner: Lieben. Warum das größte aller Gefühle in Wahrheit eine Haltung ist. Kailash Verlag, 224 Seiten; 17 Euro

Rachel S. F. Heller/ Amir Levine: Warum wir uns immer in den Falschen verlieben – Beziehungstypen und ihre Bedeutung für unsere Partnerschaft. Goldmann Verlag, 352 Seiten; 9,95 Euro