Hamburg. Junge Chöre aus Hamburg begeisterten das Publikum für einen guten Zweck. An einem Beitrag hätte Heidi Kabel ihre Freude gehabt.
Die Schar der Kinder, die am Sonnabend in die Hamburger Hauptkirche St. Michaelis strömt, will kein Ende nehmen. Gerade haben die Michel-Glocken 12 Uhr geschlagen, da kommen immer mehr Mädchen und Jungen in das Gotteshaus. Wie Clara, Jonas und Ronja (jeweils 10 Jahre alt).
Sie sind Schüler der Blankeneser Gorch-Fock-Schule und singen im Schulchor, bei den Gorchi-Sing-Kids. Vier Stunden später werden die drei ihren ersten Auftritt im Michel haben – mit 500 anderen jungen Sängern aus sieben Hamburger Chören.
Chorfestival: 1400 Gäste im Hamburger Michel
Verständlich, dass sie Lampenfieber haben. „Ich finde es etwas Besonderes im Michel, dass so viele Chöre zusammenkommen, und wir singen auch schöne und bedeutende Lieder“, sagt Ronja. Es sei toll, in einem so bekannten Gebäude zu singen, meint Jonas, und Clara freut sich mit diesen Worten: „Im Michel zu singen ist deshalb besonders, weil wir etwas für einen guten Zweck machen und sehr viel Spaß dabei haben werden.“
1400 Gäste sitzen erwartungsvoll auf den Bänken, um diesem einzigartigen Konzert zu lauschen, bei dem der ganze Kirchenraum mit der Hoffnungsenergie einer jungen Generation aufladen sein wird. Es ist das 27. Chorfestival unter dem Motto „Kinder singen für Kinder im Michel“ – ein Veranstaltungsformat, das es bereits seit 1992 gibt. Kooperationspartner sind der Lions Club Hamburg-Hoheneichen, das Hamburger Abendblatt – die Abteilung Marketing & Events organisiert das Festival – und The Young ClassX, eine Initiative der Otto Group und des Ensembles Salut Salon.
„Hamburger Abendblatt hilft“ Alleinerziehenden
Die Erlöse kommen dem Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ zugute. Er unterstützt damit alleinerziehende Mütter und Väter, die ein Kind mit Behinderung betreuen. Der Verein mit seiner Vorsitzenden Sabine Tesche ist vor allem in der Einzelfallhilfe der Metropolregion Hamburg aktiv und fördert im Schwerpunkt Alleinerziehende, altersarme Senioren, Menschen mit Behinderungen und Kinder durch Nachhilfe- sowie Lerntherapie-Programme.
Schirmherr des Festivals: Christoph Lieben-Seutter
Bevor Clara, Jonas und Ronja und all die anderen Kinder auf der Bühne zwischen Kanzel und Lautsprechern stehen werden, sprechen Hauptpastor Alexander Röder und Festival-Schirmherr Christoph Lieben-Seutter zum Publikum. Der Geistliche spürt die „freudevolle Spannung“ in den Chören und erinnert an das Potenzial des Evangelischen Gesangbuches, das seit nunmehr 500 Jahren Menschen im Gesang vereint. Lieben-Seutter, Generalintendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, betont, dass gemeinsames Singen die soziale Kompetenz fördere und im Übrigen gut gegen Demenz sei.
Moderatorin Anke Harnack kündigt dann den ersten Chor an, der starke Applaus gleich zu Beginn signalisiert: Der Begeisterungssturm wird bis zum Schlussakkord dieses Festivals währen. Zuerst treten die Vorchöre und Kinderchöre des Mädchenchores Hamburg an der Staatlichen Jugendmusikschule auf. Die kleinen Sängerinnen tragen Blumenkränze auf ihren Köpfen und begeistern an diesem kalten Apriltag mit dem Lied „Endlich wieder Sommerzeit“.
Schulchor Rissen: „Iserbarg macht die Kinder stark“
Danach hat der Schulchor des 3. Jahrgangs der Schule Iserbarg Rissen seinen Auftritt. „Es ist aufregend, vor so vielen Menschen auf der Bühne zu stehen, aber ich freue mich darauf, weil wir richtig tolle Lehrer haben und natürlich weil es richtig tolle Lieder sind“, sagt die neunjährige Annegret vor dem Konzert.
Wie Chorleiterin Felicitas Ulleweit dem Abendblatt sagte, probt der Chor regelmäßig eine Schulstunde pro Woche. „Während dieser Zeit arbeiten wir an unseren Liedern, so auch am Programm für den Michel.“ Dort bringen die jungen Sänger nun in ihrer blauen Chorkleidung das Schullied („Iserbarg macht die Kinder stark“) zu Gehör.
Die kleinen Wirbelwinde haben einen großen Auftritt
Große Beifallsstürme ernten ebenso die „Kleinen Wirbelwinde“ von der Grundschule Neugraben – sie brillieren mit dem „Wasserkanon“ und „Adiemus“. Einmal trampeln die Kinder mit den Füßen auf der Bühne, dann recken sie beim Titel „Schwerelos“ die Arme nach oben.
Die Harmonie von kraftvollem Gesang und lebensfroher Bewegung verstärkt bei Eltern, Großeltern und dem gesamten Publikum die Welle der Begeisterung. Smartphones werden gezückt, um diese Momente digital zu bannen. Auch als die nächsten jungen Künstler, das The Young ClassX Youngster Ensemble, mit seinen Liedern „Legenden“ und „Bills“ alle zum Mitklatschen bewegt.
Michel: An diesem Lied hätte Heidi Kabel ihre Freude gehabt
Es ist 16.05 Uhr, als Clara, Jonas und Ronja und die anderen Gorchi-Sing-Kids aus Blankenese den Nerv des hanseatischen Publikums treffen, als sie so stimmgewaltig „An de Eck steiht ’n Jung mit ’n Tüdelband“ singen, dass Heidi Kabel ihre Freude daran gehabt hätte. Wie die beiden Chorleiterinnen Marion Geist und Katharina Eipper dem Abendblatt sagten, sei der Chor für das Festival eigens aus verschiedenen Jahrgangschören gebildet worden. Mit jedem Jahrgangschor werde einmal wöchentlich geprobt.
Zum Abschluss begeistern die ganz Lütten, die Vier- bis Sechsjährigen von der Kinder- und Jugendsingschule St. Michaelis („Sing Jubilate Deo“) und der The Young ClassX Unterstufenchor, mit dem Song „Jedes Kind braucht einen Engel“, gekrönt mit einem fulminanten Hamburg-Medley.
Welche heilsamen Effekte der Chorgesang und das Singen überhaupt haben, macht der Initiator dieses Chorfestivals am Rednerpult neben der imposanten Kirchenkanzel deutlich. Es ist Hans-Peter Schmitz-Dedert vom Lions Club Hamburg-Hoheneichen. Sich selbst vergessen zu können gehöre zu den wenigen Freiheiten, über die der Mensch verfüge, betont er. Singen trage zum „Glück des Selbstvergessens“ bei.
Michel: Jahrestrophäe für die Chorleiterinnen
Dass sich Mädchen und Jungen immer wieder dafür begeistern lassen, sei nicht zuletzt den Chorleiterinnen zu verdanken. Als Zeichen der Anerkennung und der Wertschätzung für ihre musikalische Arbeit übergab Christoph Lieben-Seutter diesen Chorleiterinnen die Jahrestrophäe: Maren Hagemann-Loll (Mädchenchor Hamburg Staatliche Jugendmusikschule), Felicitas Ulleweit und Maike Ramm (Iserbarg Rissen), Bettina Schuldt (Die kleinen Wirbelwinde), Maria Ludwig-Petersen (The Young ClassX Youngster Ensemble), Marion Geist und Katharina Eipper (Gorchi-Sing-Kids), Doris Vetter (Kinder- und Jugendsingschule St. Michaelis), Hanna Berger und Yvonne Funke ( The Young ClassX Unterstufenchor).
Zum Finale des 27. Chorfestivals singen Chöre und Publikum gemeinsam „Dona Nobis Pacem“ (Gib uns Frieden). Ach, könnte doch der Verkündigungsengel über der Kanzel mit seinen Flügeln diesen Herzenswunsch weit hinaus in die Welt tragen, bis in die Ukraine und den Nahen Osten.